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# taz.de -- Die Wahrheit: Zwinkernde Pferde
> Heureka, Gravitationswellen! Dabei sind sie von gestern – die
> Wissenschaft ist schon viel weiter und wesentlich lebensnaher.
Was braucht man für eine wissenschaftliche Jahrhundert-Sensation? Zunächst
einmal 100 Jahre Zeit, dann zwei mittelschwere Schwarze Löcher, eines mit
36 und eines mit 29 Sonnenmassen, und schließlich die Bereitschaft dieser
gigantischen Materieklumpen, sich auf Kollisionskurs zu begeben. Und zack,
da haben wir sie: die Sensation! Der intergalaktische Auffahrunfall in rund
1,3 Milliarden Lichtjahren Entfernung reichte doch tatsächlich aus, um hier
auf Erden eine vier Kilometer lange Röhre um den Bruchteil eines Atomkerns
zu stauchen.
Heureka, Gravitationswellen! Weltweit drehen Physiker komplett durch, weil
nun nach 100 Jahren endlich Einsteins Relativitätstheorie wasserdicht in
allen Teilen belegt scheint. Und wir Normalbürger, was haben wir davon?
Können wir uns schon bald auf Warp-Antrieb und Wurmlochreisen freuen? Nein,
sagen die Wissenschaftler, das Ganze erforsche man mehr so interessehalber.
Da lobe man doch die echten Wissenschaftler, die sich mit Themen befassen,
die dem Menschen nützen und die unsere Gesellschaft voranbringen. So etwa
eine jüngst veröffentlichte Studie der University of Sussex in Brighton,
die es verdientermaßen ins Programm des seriösen Deutschlandfunks geschafft
hat. So berichtete jetzt die Sendung „Forschung aktuell“ über den Ablauf
der Studie: Man hatte Pferden Fotos von wütenden Menschen gezeigt und dann
beobachtet, wie die Tiere reagieren. Es zeigte sich, dass sie die Fotos
verstärkt mit dem linken Auge ansehen würden.
Das wiederum bedeute nach Ansicht der Forscher, dass ihnen der schlecht
gelaunte Mensch nicht gefällt. Bei Fotos von lachenden Personen machten die
Tiere das nicht so häufig. Daraus schlossen die pfiffigen Wissenschaftler,
dass die Pferde die Emotionen von Menschen deuten können.
## Pferde zum Anbrüllen
Und weil die Erkenntnisse nicht nur überaus nützlich sind, sondern überdies
wohl auch noch Budget übrig war, will man nun ergründen, ob Pferde die
Emotionen von Menschen auch in der Stimme erkennen können. Das dürfte
ebenso erhellend wie unterhaltend werden, wenn der eine Forscher sich vor
das Pferd stellt und es anbrüllt, während sich ein zweiter mit Klemmbrett
und Stift Notizen macht, was das Pferd denn so von dem wütenden Geschreie
hält. Wenn es schlau ist, tritt es den Weißkitteln hochwissenschaftlich in
den Hintern.
Die Pferdeflüsterei im Namen der Wissenschaft ist bei Weitem kein
Einzelfall, wenn es um sinnvolle und praxisgerechte Forschung geht.
Weltweit wird tagtäglich an bemerkenswerten Projekten herumgetüftelt. Man
muss nur einmal die Themen in einschlägigen Fachmedien überfliegen. Ein
besonderer Schwerpunkt heutiger Forschung liegt offenbar im
Verdauungssystem.
Diesen Eindruck vermittelt zumindest Wissenschaft aktuell, wo man unter
anderem folgende Überschriften findet: „Darmflora hält fette Braunbären
gesund“, „Wie Darmkeime den Appetit regulieren“, „Darmbakterien von
Küchenschaben produzieren Pheromon“, oder besonders schön, „Badekultur der
alten Römer förderte Übertragung von Darmparasiten“. Hier hat man definitiv
gelernt, wie sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden lässt.
## Eichelwürmer zum Knuddeln
Besonders interessant sind aber Studien über Menschen oder – noch besser –
vergleichende Studien zu Menschen und Tieren! Ein herausragendes Beispiel:
„Eichelwürmer und Menschen: Äußerlich grundverschieden – genetisch eng
verwandt“. Der zugehörige Bericht, ebenfalls in Wissenschaft aktuell
publiziert, veranschaulicht eine komparative Erbgutanalyse zwischen den
exotischen Meeresbewohnern und Säugetieren. Das passende Bild zeigt einen
jungen Eichelwurm, der – vergleichend analysiert – in etwa so aussieht wie
der Lullermann von Opa Heinz.
Von so viel Praxisnähe und Relevanz können die Gravitationswellenforscher
allerdings nur träumen. Aber sind denn, perspektivisch gedacht, diese
Gravitationswellen zu gar nichts nütze? Oder verfolgen die Wissenschaftler
einfach den falschen Ansatz? Wie wäre es denn, einmal die Wirkung von
Gravitationswellen auf die Verdauung wütender Pferde – respektive auf die
Gemütslage von Eichelwürmern – zu untersuchen? Dafür wird doch sicher noch
ein bisschen Fördergeld übrig sein!
16 Feb 2016
## AUTOREN
Michael Gückel
## TAGS
Forschung
Wissenschaftler
Gravitationswellen
Urlaub
Horst Seehofer
Asyl
Verschwörungsmythen und Corona
Science-Fiction
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