| # taz.de -- Griechenland-Reparationen: Eine unbequeme Forderung | |
| > Die jüdische Gemeinde Thessaloniki will Entschädigung für 1943 von der | |
| > Reichsbahn deportierte Mitglieder. Bahn und Bundesregierung mauern. | |
| Bild: Die Deutsche Bahn hat keine offenen Türen für die Forderungen aus Thess… | |
| BERLIN taz | 2,3 Millionen Reichsmark, mit Zinsen etwa 89 Millionen Euro: | |
| Dieser Betrag könnte etwas Gerechtigkeit bringen. Deshalb fordert ihn die | |
| jüdische Gemeinde in Thessaloniki jetzt von der Deutschen Bahn. 1943 hatte | |
| die Reichsbahn rund 48.000 Jüdinnen und Juden aus Thessaloniki in deutsche | |
| Vernichtungslager transportiert. | |
| Nur wenige kehrten zurück. Thessaloniki, einst vom jüdischen Leben geprägt, | |
| verlor tausende Einwohner in Auschwitz und Treblinka. Aber die Fahrtkosten | |
| von zwei Reichspfennig pro Erwachsenem und Kilometer wurden, so schreibt | |
| die Gemeinde in ihrer Forderung, den Deportierten abgepresst. | |
| Unterstützung erfährt die Gemeinde bei ihrem Anliegen von der deutschen | |
| Initiative Zug der Erinnerung, die die Bahn seit Jahren immer wieder auf | |
| die Verstrickung ihrer Rechtsvorgängerin in Naziverbrechen hinweist. Auch | |
| die Linksfraktion im Bundestag nahm den Brief zum Anlass, eine Anfrage an | |
| die Bundesregierung zu richten. Sie hatte zuletzt immer wieder darauf | |
| gedrängt, den Griechen in der Reparationsfrage entgegenzukommen. | |
| Die Antwort der Bundesregierung fällt knapp aus. Man zweifle nicht, dass | |
| diese Fahrtkosten den Juden aus Thessaloniki abgepresst worden seien – und | |
| dass sie eine entsprechende Entschädigung nie erhalten hätten. Im Übrigen | |
| sei der Bund aber der Ansicht, dass „die Rechtsfolgen aus dem NS-Unrecht | |
| spezialgesetzlich abschließend geklärt wurden“. | |
| ## Die Regierung betrachtet die Angelegenheit als erledigt | |
| Damit folgt die Regierung derselben Argumentation, mit der sie auch schon | |
| im Frühjahr Forderungen der griechischen Regierung abgelehnt hatte. Sie | |
| beharrt darauf, dass mit dem deutsch-griechischen Schuldenabkommen von | |
| 1960, spätestens aber mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag sämtliche Forderungen | |
| Griechenlands abgegolten seien. | |
| Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke ist wütend: „So billig darf die | |
| Bundesregierung nicht davonkommen.“ Die in den 60er Jahren gezahlten 115 | |
| Millionen Mark seien damals einvernehmlich als Abschlagszahlung gehandelt | |
| worden, weshalb die Ansprüche griechischer Staatsbürger keineswegs erledigt | |
| seien. | |
| Noch immer ist die Frage, ob die bisherigen Abkommen weitere | |
| Entschädigungen obsolet machen, ungeklärt. Tatsächlich musste Frankreich | |
| erst im vergangenen Jahr einwilligen, 60 Millionen US-Dollar an die USA zu | |
| zahlen – als Entschädigung für Deportationen von NS-Verfolgten durch die | |
| französische Bahn SNCF während der deutschen Besetzung. Es wird von der | |
| US-Regierung an die Opfer und ihre Erben verteilt. | |
| Ob Deutsche Bahn und Bundesregierung einen ähnlichen Vergleich fürchten | |
| müssen, bleibt abzuwarten. Für die Deutsche Bahn schrieb Exkanzleramtschef | |
| Ronald Pofalla, heute für Politikbeziehungen im Konzern zuständig, einen | |
| höflichen Brief an die Initiative: Man sei sich der „historischen | |
| Verantwortung“ bewusst. Für Entschädigungen aber sei der Staat zuständig, | |
| genauer gesagt: das Bundeseisenbahnvermögen. | |
| Die Regierung will den offenen Brief der Gemeinde „mit einer dem Thema | |
| gebührenden Sorgfalt“ beantworten. Bisher gibt es aber noch keine Reaktion. | |
| 6 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Johanna Roth | |
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