# taz.de -- Kommentar Wahlen in Wien: Nicht sehr beruhigend | |
> In Österreich geht vor der Abstimmung in der Hauptstadt die Angst um. | |
> Sorgt eine starke FPÖ dafür, dass das Land ein Orbanistan II wird? | |
Bild: Worst-case-Szenario: Die SPÖ verliert, Heinz-Christian Straches FPÖ gew… | |
Seit knapp hundert Jahren regiert in Wien die SPÖ als mit Abstand stärkste | |
Partei – nur unterbrochen von 12 Jahren Diktatur. Das hat die Stadt | |
geprägt, das „Rote Wien“ hat Legendenstatus. Doch erstmals in der | |
Geschichte demokratischer Wahlen könnte es am kommenden Sonntag knapp | |
werden. | |
Die rechtsradikale FPÖ ist den Sozialdemokraten knapp auf den Fersen. | |
Rot-Grün kämpft um die Mehrheit. Noch immer ist die wahrscheinlichste | |
Variante, dass Rot-Grün die Mehrheit in der Stadt knapp verteidigt. Aber es | |
gibt auch ein Worst-Case-Szenario: Die SPÖ verliert massiv, die FPÖ gewinnt | |
massiv, sodass beide Parteien praktisch gleichauf sind und dann eine der | |
beiden die Nase vorne hat. Dann ist die rot-grüne Mehrheit weg und ohne die | |
Freiheitlichen sind rechnerisch nur mehr Dreiparteienkoalitionen möglich. | |
Die Hauptgründe dafür sind der grassierende Verdruss am politischen System | |
im Allgemeinen und die Sklerose der im Bund gemeinsam regierenden | |
Sozialdemokraten und Christdemokraten im Besonderen. Die „Flüchtlingskrise“ | |
– genauer: die zunehmend alarmistische Rhetorik à la „wir können doch nic… | |
alle nehmen“ – sorgt vielleicht noch für einen zusätzlichen Swing von ein | |
paar Prozenten. | |
Die SPÖ in Wien führt unter ihrem Langzeitbürgermeister Michael Häupl einen | |
lupenreinen „sozialistischen“ Wahlkampf, also links, humanitär motiviert, | |
ohne Anbiederung an rechts. Wenn es einigermaßen gut ausgeht, dann ist das | |
auch ein Beispiel dafür, dass man mit Haltung und klarer Abgrenzung dem | |
Rechtspopulismus beikommen kann – mit Beispielwirkung über Österreich | |
hinaus. | |
## Gefahr eines Richtungskampfes | |
Was aber kommt, wenn es ganz schlimm kommt? Dann ist nicht auszuschließen, | |
dass noch am Wahlabend in einer schwer geschlagenen SPÖ ein Richtungskampf | |
ausbricht. Diejenigen, die eine Koalition mit Heinz-Christian Strache und | |
seinen Freiheitlichen favorisieren, gewinnen die Oberhand. Die bisher so | |
machtvolle SPÖ Wien zerbricht an dieser Frage. | |
Es gibt dann möglicherweise eine SPÖ-FPÖ-Koalition, vor allem aber | |
politisches Totalchaos. Turbulenzen dieser Größenordnung in Wien, dem | |
Gravitationszentrum der österreichischen Politik, würde auch die | |
Bundesregierung kaum überstehen. Im schlimmsten aller Fälle gibt es in | |
absehbarer Zeit Neuwahlen und die FPÖ ist stärkste Partei. In den Umfragen | |
für Nationalratswahlen führt sie seit Monaten mit sattem Abstand. | |
Wie gesagt: All das ist noch immer nicht wahrscheinlich. Aber es ist auch | |
nicht mehr völlig auszuschließen, dass Österreich zum Orbanistan II wird. | |
Nicht sehr beruhigend. | |
11 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Robert Misik | |
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