# taz.de -- Kommentar Wiener Wahlergebnis: Keine schöne blaue Donau | |
> Es läuft was schief in Wien: Rot-Grün bleibt die einzige politisch | |
> machbare Koalition, aber die FPÖ bekommt alarmierende 31 Prozent. | |
Bild: Von links nach rechts: Häupl (SPÖ), Strache (FPÖ), Juraczka (ÖVP). | |
Die von HC Strache ausgerufene „Oktoberrevolution“ ist also ausgeblieben. | |
In Wien bleibt vordergründig alles beim Alten. Außer Rot-Grün gibt es keine | |
stabile und politisch machbare Koalition. Dennoch hat ein Erdbeben | |
stattgefunden. Straches FPÖ hat 31 Prozent der Stimmen bekommen und damit | |
fast ein Drittel der Wählerinnen und Wähler überzeugen können. Alarmierend | |
für die Stadtregierung muss sein, dass zwei Drittel der FPÖ-Wähler in | |
Umfragen angeben, Wien nicht als lebenswerte Stadt zu empfinden. | |
Was läuft schief in einer weltoffenen, augenscheinlich gut verwalteten | |
Stadt, die regelmäßig in internationalen Rankings bei der Lebensqualität im | |
Spitzenfeld liegt? Offenbar hängt das subjektive Wohlbefinden einerseits | |
von Bildungsniveau, Einkommen und Lebensperspektive, andererseits vom | |
Wohnort ab. Im „grünen“ innenstadtnahen Bezirk Neubau sieht man die Welt | |
anders als im tristen Simmering oder in Floridsdorf, wo die FPÖ erstmals | |
den Bezirksvorsteher stellen wird. | |
Wien ist eine Stadt, die seit jeher durch starke Zuwanderung geprägt wurde. | |
Die Integrationsleistung, die ohne große Propaganda erbracht wird, ist | |
beachtlich. Schließlich ist ein Viertel der Stadtbevölkerung selbst | |
zugewandert oder gehört der zweiten Generation an. Dennoch fühlen sich | |
viele schon irritiert, wenn sie „orientalische Mehrkindfamilien“ und Frauen | |
mit Kopftüchern auch nur sehen. Und Erfahrungen mit „renitenten türkischen | |
Jugendlichen“ flößen anscheinend manchen Menschen Angst ein. | |
Bürgermeister Michael Häupl hat schon vor Schließung der Wahllokale | |
angekündigt, dass seine Partei reformiert und auf die neuen Zeiten | |
ausgerichtet werden müsse. Das Übernehmen von FPÖ-Positionen kann dafür | |
kein Rezept sein. Dass Häupl in der Flüchtlingsfrage klar Position bezog | |
und die Konfrontation mit der fremdenfeindlichen FPÖ suchte, hat ihm | |
offensichtlich nicht geschadet. | |
Der Absturz der SPÖ fiel weit geringer aus als befürchtet. Dennoch besteht | |
akuter Handlungsbedarf, nicht nur in Wien. Die Erneuerung der | |
Sozialdemokratie muss aber von Wien ausgehen, dem einzigen Bundesland, wo | |
die SPÖ noch Autorität hat. Die Floskel „Die Sorgen und Ängste der Menschen | |
ernst nehmen“, die nach jeder Wahlschlappe zu hören ist, muss mit Leben | |
gefüllt werden. Derzeit haben diese Menschen den Eindruck, dass nur die FPÖ | |
– wenn sie auch keine praktikablen Lösungen hat – ihnen zumindest Gehör | |
schenkt. | |
12 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
## TAGS | |
Wien | |
FPÖ | |
SPÖ | |
Österreich | |
Rechtspopulismus | |
Österreich | |
Schwerpunkt Landtagswahlen | |
Österreich | |
Wien | |
Österreich | |
Flüchtlinge | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Antisemitismus in der FPÖ: Judenhass mit Zwinkersmiley | |
Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter hat einem antisemitischen | |
Facebook-Posting zugestimmt. Sie könnte dafür aus ihrer Partei fliegen. | |
Landtagswahl in Wien: Hauptstadt bleibt doch Rot | |
Bei der Landtagswahl schneiden die Soziademokraten besser ab als erwartet | |
und lassen die rechte FPÖ hinter sich. Grüne und ÖVP verlieren Stimmen. | |
Kommentar Wahlen in Wien: Nicht sehr beruhigend | |
In Österreich geht vor der Abstimmung in der Hauptstadt die Angst um. Sorgt | |
eine starke FPÖ dafür, dass das Land ein Orbanistan II wird? | |
Wahl in Österreichs Hauptstadt: Auf dem Weg ins „Blaue Wien“? | |
Bei der Wahl in Wien könnte die rechtspopulistische FPÖ gewinnen – selbst | |
im traditionell sozialdemokratischen Karl-Marx-Hof. | |
Landtagswahl in Österreich: Rechte Gewinne an der Donau | |
Die rechtsradikale FPÖ feiert in Oberösterreich den erwartbaren Wahlsieg. | |
Die hilflosen Etablierten sind trotzdem geschockt. | |
Asylrechtsverschärfung in Österreich: Asyl auf Zeit als Wahlkampfrezept | |
Man will ja menschlich sein. Aber die FPÖ könnte von der Flüchtlingspolitik | |
profitieren. Die Regierung in Wien glaubt, dieses Dilemma lösen zu können. |