| # taz.de -- Privatisierung der DDR-Wirtschaft: Was vom Kombinat übrig blieb | |
| > Die Treuhand kümmerte sich nach der Wende um die Umwandlung der | |
| > Wirtschaft der DDR. Sie war eine undemokratische Nebenregierung. | |
| Bild: Die Rostocker Neptunwerft – hier eine leerstehende Schiffbauhalle – g… | |
| BERLIN taz | Ein paar Firmen aus DDR-Zeiten gibt es noch. Eko-Stahl in | |
| Eisenhüttenstadt zum Beispiel. Heute heißt das Unternehmen ArcelorMittal, | |
| gehört einem belgisch-indischen Konzern und beschäftigt 2.500 Menschen – | |
| dank mehreren Hundert Millionen Euro staatlicher Hilfen. Oder die Rostocker | |
| Neptunwerft, die zuerst vom Bremer Vulkan um Staatshilfen betrogen wurde | |
| und heute der Meyer-Werft in Papenburg gehört. Knapp 500 Menschen stehen | |
| hier in Lohn und Brot. | |
| Zwei die es überlebt haben, die rasante Industrievernichtung nach der | |
| Wiedervereinigung. Die Produktion in den neuen Bundesländern schrumpfte | |
| damals binnen drei Jahren um 70 Prozent – und damit weitaus dramatischer | |
| als in den anderen osteuropäischen Ländern. Den allergrößten Teil der | |
| ehemaligen DDR-Unternehmen haben Westdeutsche übernommen: 85 Prozent des | |
| privatisierten Produktionsvermögens ging in ihre Hände über. Dagegen fielen | |
| für Ostdeutsche nur fünf Prozent ab. | |
| Das bildet sich auch bei der heutigen Vermögensverteilung ab: Das | |
| Durchschnittsvermögen in Westdeutschland liegt bei 78.900 Euro pro Kopf, im | |
| Osten bei 21.400 Euro. Bis heute verlassen mehr Menschen Ostdeutschland als | |
| zuziehen. | |
| Erhalt von Arbeitsplätzen spielte bei der Privatisierung der DDR-Wirtschaft | |
| kaum eine Rolle – dahinter steht ein klarer Rechtsbruch. Das einzige frei | |
| gewählte DDR-Parlament hatte entschieden, die Treuhand als | |
| Aktiengesellschaft nach westdeutschem Recht zu organisieren. Das hätte | |
| bedeutet, dass die Holding aller DDR-Betriebe wie jede AG mit mehr als | |
| 2.000 Beschäftigten einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat gehabt hätte. | |
| Für die schwarz-gelbe Bundesregierung war das ein rotes Tuch – und deshalb | |
| sorgte sie dafür, dass die Treuhand als undurchsichtige Anstalt | |
| öffentlichen Rechts konstruiert wurde. | |
| Außerhalb demokratischer Legitimation baute Treuhand-Chef Detlef Karsten | |
| Rohwedder die Struktur so auf, wie er es für richtig hielt. Kanzler Helmut | |
| Kohl gab ihm dabei Rückendeckung. So schnell wie möglich verkaufen, war die | |
| Devise der Bundesregierung – ansonsten gab sie der Treuhand völlig freie | |
| Hand. | |
| Dass die Bundesregierung so eine undemokratische Nebenregierung etablierte, | |
| war Kalkül: Die Treuhand sollte zum Blitzableiter für die Wut der | |
| Ostdeutschen werden. Um die Treuhandmitarbeiter nicht zu hemmen, sicherte | |
| die Bundesregierung den Vorstandsmitgliedern im Dezember 1990 zu, dass sie | |
| für Fehlentscheidungen nicht haften müssten – bis Juni 1991 nicht einmal | |
| bei grober Fahrlässigkeit. | |
| ## Filetstücke | |
| Westliche Investoren wussten das zu nutzen. Siemens beispielsweise riss | |
| sich unmittelbar nach der Wende ein paar Filetstücke zu Niedrigstpreisen | |
| unter den Nagel. Beliebt war es auch, Firmen auszuspionieren, um sich ihre | |
| Pläne zunutze zu machen. Immer wieder wechselten Treuhandmitarbeiter selbst | |
| auf Geschäftsführersessel bei den privatisierten Firmen oder verdienten ihr | |
| Geld später als gut bezahlte Liquidatoren. | |
| Als im Herbst 1993 der Treuhand-Untersuchungsausschuss startete, waren | |
| viele Akten verschwunden, Protokolle blieben unter Verschluss. Sicher ist, | |
| dass ein Großteil der Strafzahlungen für gebrochene Jobzusagen nicht | |
| bezahlt wurden. Statistiken dazu fehlen. | |
| 2 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Annette Jensen | |
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