# taz.de -- Geflüchtete auf dem Weg nach Westen: Der Himmel in Wien | |
> Willkommen mit Essenspaketen und Hilfe bei der Weiterreise: Hunderte | |
> Menschen erreichen mit ersten Sonderzügen Wien. | |
Bild: Zwischen Erleichterung und Ungewissheit – Samstag auf dem Wiener Westba… | |
WIEN taz | Applaus brandet auf, als der erste Sonderzug aus Hegyeshalom | |
Samstag früh um 9 Uhr am Gleis 2 des Wiener Westbahnhofs eintrifft – zwei | |
Stunden nach der Planankunft. Etwa hundert Wienerinnen und Wiener, die in | |
den Morgennachrichten von der baldigen Ankunft des Zuges erfahren haben, | |
sind spontan gekommen. Viele von ihnen haben Decken, Obst oder | |
Wasserflaschen mitgebracht. „Es muss endlich wieder die Humanität in die | |
Köpfe“, sagt einer. | |
400 Flüchtlinge, die meisten etwas übermüdet aber sichtlich glücklich über | |
den unerwartet freundlichen Empfang, entsteigen dem Railjet. „Hungary bad, | |
Austria good!“, ruft einer und fasst damit wohl die Empfindung der | |
allermeisten Schicksalsgenossen zusammen. Mohahomayon Kabir aus Bangladesch | |
erzählt, er habe zwölf Tage auf dem Budapester Keleti-Bahnhof mit Hunderten | |
anderen ausgeharrt. In die Züge nach Westen ließ sie die Polizei sie nicht | |
einsteigen. | |
Freitag Abend habe man dann den Entschluss gefasst, sich zu Fuß auf den Weg | |
nach Wien zu machen: 250 Kilometer über die Autobahn. Nach einigem Zögern | |
schickten die ungarischen Behörden schließlich Busse, die die Menschen | |
einsammelten und bis zur Grenze brachten. Im österreichischen Grenzort | |
Nickelsdorf wurden sie von Hilfsorganisationen und Polizei [1][bereits | |
erwartet und erstversorgt]. Ein Veranstaltungszelt, wo vor wenigen Tagen | |
noch das Nova-Rock-Festival stattfand, diente als Auffanglager. | |
Am Westbahnhof hat die Caritas bereits Stellung bezogen. Stoffbeutel mit | |
Nahrungsmitteln und Hygieneartikeln liegen bereit. Seife, Zahnpasta, Deos, | |
Damenbinden, Rasierzeug, Windeln. Für die dringendsten Bedürfnisse ist | |
gesorgt. Kleiderspenden und Spielzeug warten auf Verteilung. | |
## Große Spendenbereitschaft | |
Herr Obayeri aus dem türkischen Konya ist mit seinen beiden Töchtern | |
gekommen und hat auf einem Cocktail-Tisch Thermoskannen mit Tee und Kaffee | |
aufgebaut. „Alles freiwillig“, betont der arbeitslose Maurer. Tochter | |
Serif, ausgebildete Juristin, hat vor drei Monaten mit ein paar | |
Kommilitonen von der Uni das „Austrian Center for Refugees“ gegründet. Sie | |
organisieren Spenden und koordinieren sich sowohl mit der Caritas als auch | |
mit dem Islamischen Zentrum, das ebenfalls Spenden kanalisiert und bei der | |
Versorgung von Gestrandeten in Ungarn geholfen hat. | |
Daneben steht ein Tischchen, an dem Studenten Spenden für Zugtickets | |
entgegennehmen. Viele Passanten geben spontan 20 oder sogar 100 Euro. Einer | |
hat 1200 Euro gespendet. Hier zeigt sich Österreich von seiner freundlichen | |
Seite. Die jungen Leute haben noch gar keine Übersicht, wie viel sie | |
eingenommen haben. „3000, es können aber auch 5000 Euro sein“. Ständig | |
kommen Flüchtlinge, die Unterstützung für die Weiterfahrt brauchen. Eine | |
der Freiwilligen begleitet sie dann zum Schalter und kauft die Tickets. | |
Überwältigt von der Gastfreundschaft haben ein paar Ankömmlinge eine | |
Botschaft fürs Fernsehen improvisiert: „Thank you, Austria“ steht auf | |
Englisch und Arabisch auf einem kleinen Transparent. „Thank you, Austria“, | |
skandiert eine Gruppe, die für die Presse posiert. In Österreich bleiben | |
wollen aber die wenigsten. Frau Henel Hayat Hajj Ali aus dem syrischen | |
Daraa hat sich mit einem Sohn über die Balkanroute durchgeschlagen. Ein | |
weiterer Sohn lebt schon in Deutschland. „Da wollen wir hin“. In Ungarn sei | |
es ganz schrecklich gewesen, „no good people“. Man habe sie Fahrkarten | |
kaufen lassen und ihnen dann den Zutritt zu den Bahnsteigen verweigert. | |
Aber jetzt sei alles gut, Austria good!“. | |
Robert Hansbauer, ein Betriebsleiter der Österreichischen Bundesbahnen, der | |
als Sprecher der ÖBB fungiert, spricht von 15 Bussen, die im Laufe des | |
Tages von Nickelsdorf kommen sollen. Wer weiterreisen will, werde in | |
Österreich unentgeltlich befördert. Das wurde kurzfristig beschlossen, als | |
viele der Schutzsuchenden bereits Karten gekauft hatten. Samstag Mittag | |
sind bereits zwischen 4.000 und 5.000 Menschen in Sonderzügen eingetroffen. | |
Die Polizei rechnet damit, dass noch einmal so viele folgen werden. | |
5 Sep 2015 | |
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[1] /Fluechtlinge-in-Ungarn/!5230015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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