Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Private Flüchtlingshilfe in Ungarn: Konvois nach Österreich
> Am Wochenende halfen private Initiativen Menschen auf dem Weg nach
> Österreich. Doch zuerst mussten Misstrauen und Angst abgebaut werden.
Bild: Freiwillige verteilen Wasser und Lebensmittel an Geflüchtete auf dem Weg…
Wien taz | Es ist Sonntag, kurz vor 15 Uhr. Wir sitzen im Auto, auf
ungarischem Gebiet, etwa 100 km östlich von Wien. Ziel ist der Bahnhof der
Stadt Győr. An der Grenzstadt Hegyeshalom hat sich unser Autokonvoi zuvor
in zwei Gruppen aufgeteilt, ein Teil fährt nach Budapest der andere
Richtung Győr. Unsere Mission: So viele Flüchtlinge wie nur möglich von
Ungarn nach Österreich bringen.
Auf dem Weg bekommen wir eine SMS: „Flüchtlinge befinden sich ca. 12 km
nach Győr auf den Straßen.“ Wir verlieren den Großteil der Gruppe und
fahren nun in einem Dreiergespann, als zehn Männer am Straßenrand
auftauchen. Wir bleiben stehen, fragen, ob sie Wasser wollen, hungrig sind,
Hilfe brauchen und ob wir sie mit nach Győr nehmen sollen. Sie schütteln
ihre Köpfe und gehen einfach weiter.
Wir verstehen die Welt nicht mehr. Ich wiederhole meine Sätze und erkläre
ihnen mit der Karte in der Hand, wo sie sich befinden und wo wir sie
hinbringen können. Die Stimmung ändert sich schlagartig. Sie strahlen von
einem Ohr zum anderen und beginnen zu erzählen – wie sie von der Polizei
festgenommen wurden, über Daten, Fingerabdrücke und von einem
Flüchtlingslager, 3 km entfernt.
Einer der Männer kann kaum Englisch, er schlägt sich aber immer wieder auf
den Rücken sobald das Wort „police“ fällt. Uns wird klar, warum sie erst
weitergegangen sind. Nach der Zeit in Ungarn rechneten sie wohl nicht mehr
damit, dass ihnen wirklich jemand helfen will.
## Polizei entspannt
Wir bringen die zehn Männer zum Bahnhof nach Győr. Sie bitten uns dicht
hintereinander zu fahren, aus Angst einander zu verlieren. Vom Bahnhof Győr
aus können sie problemlos weiter nach Wien fahren. Wir lassen sie schnell
aussteigen, da Polizei am Bahnhofsplatz präsent ist. Wir drehen um, um
weitere Flüchtlinge zu holen.
In der Ferne sehe ich ein ausrangiertes Militärboot, ein großes Haus und
viel Polizei - das Flüchtlingslager in Vámosszabadi. Der Konvoi hat sich
hier versammelt, es sind etwa 60 Autos. Das Gebäude ist umzäunt. Vor den
Toren steht Polizei und ein Bus mit Flüchtlingen kommt an.
Wir beginnen unsere Spenden aus den Autos zu laden, während der Sprecher
unserer Gruppe mit der Polizei klärt, ob wir den Flüchtlingen anbieten
dürfen sie Richtung Wien mitzunehmen. Die Polizei lässt uns gewähren, doch
treffen wir bei den Flüchtlingen auf eine Ablehnung, die uns irritiert.
Schnell stellt sich heraus warum: Sie haben Angst und sind skeptisch, weil
jemand erzählte, wir seien von der Mafia und wollten sie entführen. Auch
die Geschichte von den ungarischen Zügen, die nach Wien fahren sollten und
die Menschen stattdessen in ein Flüchtlingslager brachten, haben sich
herumgesprochen. Uns fehlen die Dolmetscher um die Lage aufzuklären.
Wir bleiben dennoch. Ein junger Mann fragt, wieviel Geld wir für die Fahrt
verlangen. It’s free, antworte ich. Nun ist er irritiert.
## Helfer aus der Slowakei
Als die Sonne weg ist, wird es kalt an diesem Sonntag in Ungarn. Wir
verteilen Wasser und warme Kleidung, Helfer und Helferinnen aus der
Slowakei geben warmes Essen aus. Sie fragen nach unserer Herkunft, wir nach
ihrer. Nach und nach verschwindet die Skepsis, Vertrauen baut sich auf und
die Autos füllen sich mit Menschen.
Letztlich konnte an diesem Tag allen Flüchtlingen, die sich in diesem Lager
befanden und auch weg wollten der Weg Richtung Westen erleichtert werden.
Auch der Konvoi aus Budapest ist gut mit Flüchtlingen in Wien angekommen.
380 Menschen sollen so über die Grenze gekommen sein, vielen weiteren wurde
auf ihrer Flucht ein wenig Last von den Schultern genommen.
9 Sep 2015
## AUTOREN
Timna Krenn
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Österreich
Ungarn
Zivilgesellschaft
Fähre
Schwerpunkt Flucht
Österreich
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Rassismus
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Staatsanwaltschaft prüft Fluchthelfer: Das Ticket nach Schweden
Lübecker sammeln Spenden, um Flüchtlingen Tickets nach Schweden zu kaufen.
Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sich die Helfer damit strafbar machen.
Viktor Orban über Flüchtlinge: „Sofort verhaften“
Zusammen mit den europäischen Konservativen: Ungarn droht Flüchtlingen mit
hartem Durchgreifen, auch mit Hilfe der Armee.
Flüchtlinge am Westbahnhof in Wien: „Das Möglichste reicht nicht mehr“
Tausende Flüchtlinge harren in Wien am Bahnhof aus, bis zu 7.000 weitere
werden erwartet. Wann sich die Verhältnisse normalisieren, ist offen.
Fluchtwege durch Europa: Österreich stellt Zugverkehr ein
Ungarn und Serbien melden neue Höchstzahlen an Flüchtlingen. Die meisten
wollen dort nicht bleiben, kommen aber mit der Bahn nicht weiter.
Übergriffe auf Geflüchtete: Ungarische Kamerafrau verteilt Tritte
Der Sender hat den Vertrag mit der Mitarbeiterin beendet. Die ungarische
Polizei setzt Pfefferspray gegen Fliehende an der Grenze zu Serbien ein.
Essay Hilfe für Flüchtlinge: Das große Geben
Zehntausende werden in Deutschland von Helfern mit Applaus begrüßt.
Übertriebenes Gutmenschentum? Oder die große Party der Völkerverständigung?
Flüchtlinge brechen in Ungarn auf: Wieder Hunderte zu Fuß nach Westen
Flüchtende ziehen weiter von Ungarn nach Österreich . Doch anders als in
der Vornacht stellt Ungarns Regierung den Migranten keine Busse mehr zur
Verfügung.
Geflüchtete auf dem Weg nach Westen: Der Himmel in Wien
Willkommen mit Essenspaketen und Hilfe bei der Weiterreise: Hunderte
Menschen erreichen mit ersten Sonderzügen Wien.
Flüchtlinge in Ungarn: In Bussen nach Österreich
Seit den frühen Morgenstunden kommen tausende Flüchtlinge in Bussen aus
Ungarn nach Österreich. Die Grenze steht ihnen offen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.