# taz.de -- Flüchtlinge in Ungarn: In Bussen nach Österreich | |
> Seit den frühen Morgenstunden kommen tausende Flüchtlinge in Bussen aus | |
> Ungarn nach Österreich. Die Grenze steht ihnen offen. | |
Bild: Busse bringen die Flüchtlinge vom Budapester Ostbahnhof nach Österreich | |
BUDAPEST/NICKELSDORF taz | Nickelsdorf ist ein kleiner Ort in Österreich, | |
nah an der Grenze zu Ungarn. Seit Samstagmorgen ist Nickelsdorf auch eine | |
Chiffre. Sie könnte schon bald ein Kapitel in der Geschichte der | |
Europäischen Union einnehmen. Denn seit diesem Morgen steht tausenden | |
Fliehenden aus Syrien, Afghanistan und zahlreichen anderen Ländern, die | |
zuvor verzweifelt am Fernbahnhof in Budapest ausharrten, diese Grenze | |
offen. Das [1][Bahnhofschaos von Ungarn], das in den vergangenen Tagen | |
weltweit die Schlagzeilen beherrscht hat, scheint sich zu entspannen. | |
Zumindest zum Teil. | |
Grenzstation Nickelsdorf in dieser Nacht. 39 Fliehende steigen um 2.32 Uhr | |
aus einem weißen Bus aus ([2][Video auf Twitter] und weiter unten). Die | |
ungarische Polizei kontrolliert nicht ihre Papiere. Kurz hinter dem | |
ungarischen Grenzposten stehen einige österreichische Bürger. Sie rufen | |
„Welcome“. Einige Meter weiter, am Kontrollpunkt von Österreich, warten | |
Polizisten. Sie winken die Menschen freundlich heran. Dann bieten sie ihnen | |
Tee an und Verpflegung. Die Fliehenden können es nicht fassen: Sie sind | |
tatsächlich in Österreich. | |
Um Punkt 4.50 Uhr herrscht Gewissheit. Dutzende weitere Busse erreichen | |
Nickelsdorf. Hunderte Menschen sind nun angekommen. Sie werden in | |
Österreich empfangen, mit Bananen und Wasser, mit Decken, Kleidern und | |
Schuhen. Über Stunden hinfort werden noch weitere kommen, am Ende einige | |
tausend Menschen. Ein Polizist blickt auf einen der ankommenden Busse. Er | |
hat Tränen in den Augen. Er sagt: „Das ist wie 1989.“ | |
Viele Tage lang, manche sogar einige Wochen, hatten diese Menschen zuvor am | |
Fernbahnhof von Budapest ausgeharrt, immer wieder verzweifelt versucht, auf | |
Züge zu gelangen, die nach Westen fahren. Am Freitagmittag dann brachen | |
rund 1.000 Menschen auf, [3][gingen gemeinsam zu Fuß in Richtung | |
Österreich]. Sie nannten es Marsch der Hoffnung. Manche wurden in | |
Rollstühlen geschoben, andere humpelten auf Krücken. Am Ende gingen sie auf | |
der Autobahn. Nach 28 Kilometern dann gab es die Nachricht: Ungarns | |
Präsident Viktor Orban versprach, 100 Busse zur Verfügung zu stellen, die | |
die Menschen sofort an die Grenzen bringen sollten. Doch: Konnten sie | |
dieser Nachricht wirklich trauen? | |
Einen Tag zuvor waren hunderte in Budapest hoffnungsvoll in einen Zug | |
gestiegen, der dann direkt in den Ort Bicske fuhr, wo die Menschen | |
[4][erneut in ein Auffanglager gebracht werden sollten]. Sie weigerten | |
sich, harrten bis zum nächsten Tag im Zug aus. Andere brachen am Freitag | |
aus einem Auffanglager aus, in dem Sicherheitskräfte sie mit Gewalt | |
festhalten wollten. Ein Fliehender soll laut Medienberichten am Freitag in | |
Ungarn gestorben sein. | |
Als um kurz nach sechs Uhr in Nickelsdorf die Sonne aufgeht, kommen noch | |
immer Busse mit Fliehenden an. Österreichs Polizei sagt, es sei Platz für | |
jeden. | |
taz-Redakteur Martin Kaul dokumentiert seine Recherche in Ungarn und | |
Österreich [5][auf seinem Twitter-Account]. | |
5 Sep 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Fluechtlinge-am-Budapester-Bahnhof/!5229651 | |
[2] https://twitter.com/martinkaul/status/639961096359645184 | |
[3] /Gefluechtete-in-Ungarn/!5229918 | |
[4] /Fluechtlingszug-im-ungarischen-Bicske/!5230000 | |
[5] https://twitter.com/martinkaul | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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