# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Schwul ist das neue Hetero | |
> Die „Brigitte“ baut ihre Marke bis zum Gehtnichtmehr aus, „Spiegel | |
> Online“ vermischt Journalismus und PR und Fußballübertragungen sind | |
> schwul. | |
Bild: Irgendwo von müssen wir Journalisten ja den Alkohol und die Tabletten be… | |
Hallo taz-Medienredaktion, | |
wie du ja weißt, muss ich, weil du mich so schlecht bezahlst, auch noch für | |
andere Blätter schreiben. So arbeite ich zum Beispiel sehr gern für | |
Brigitte Woman. Nicht nur weil das ein halbwegs vernünftiges Heft ist, | |
sondern weil die löblich gut bezahlen. Das muss man Julia Jäkel ja auch mal | |
sagen: dass nicht alles schlimm ist bei Gruner + Jahr. Vor diesem | |
Hintergrund freue ich mich sehr, dass die Brigitte-Marke nun bis zum | |
Gehtnichtmehr ausgebaut wird. Bald kommt mit Brigitte wir ein Heft für | |
Frauen ab 60 auf den Markt, das ich aber Brigitte ihr nennen werde, weil | |
ich da noch nicht mitschreiben kann. | |
Leider kann ich auch bei Brigitte Milano, einem neuen Häkelheft, nicht | |
mitwirken, weil ich so Zeug nicht kann. Meine Mutter würde noch immer auf | |
die Arme vom Häkelteddy aus der 4. Klasse warten, wenn sie nicht schon tot | |
wäre. Auch die Lappen für die Patchworkdecke als Abschiedsgeschenk für | |
unsere Grundschullehrerin hat meine Oma gehäkelt, weil ich auf so was | |
keinen Bock habe. Aber vielleicht könnte es bald Brigitte Sachsen geben, da | |
schreibe ich dann über Porzellan und Rechtsradikale. Oder Brigitte er, wo | |
ich gut bezahlt Artikel über Männer verfasse. Rauf und runter, das ganze | |
Brusthaar. | |
Schön wäre auch Brigitte Faser vor dem Hintergrund, dass ich mich gut mit | |
Textilien auskenne. Da die Hefte vor allem gemacht werden, um am Handel mit | |
den Dingen, die dort vorgestellt werden, zu verdienen, passt das doch | |
bestens, mit Brigitte Faser und so. Bis auf das Herrenheft, aber daran | |
lässt sich noch arbeiten. | |
## Gesundheitsressort, präsentiert von Thomapyrin | |
In eine ganz unangenehme Situation gerät man als freie Journalistin unter | |
Umständen, wenn man für Spiegel Online arbeitet. Die nämlich haben sich | |
entschieden, Inhalte von Firmen „präsentieren“ zu lassen, und eine Kollegin | |
beauftragt, für das Gesundheitsressort einen Artikel über Kopfschmerzen zu | |
schreiben. Leider hat man versäumt, sie darauf hinzuweisen, dass man ihren | |
Text in den Auftritt von Thomapyrin einbetten und „präsentiert von | |
Thomapyrin“ über den Artikel schreiben werde. Und den Absatz über | |
medikamentenindizierten Kopfschmerz irgendwo anders platzieren. | |
Nun ist es ja das eine, wenn ein Medienhaus wie der Spiegel sich von der | |
Industrie kaufen lässt, Inhalte für sie erstellt und die Trennung von | |
Inhalt und Journalismus verwischt. Es ist aber etwas anderes, wenn es dafür | |
Leute anheuert, die einen Ruf zu verlieren haben. | |
Die Kollegin wurde auf den Sachverhalt nur dadurch aufmerksam, dass das | |
Thema in Fachforen für empörte Diskussion sorgte. Vielleicht das Ganze | |
einmal für Doofe: Die Anständigen unter uns machen keine PR für Inhalte und | |
Themen, über die wir auch journalistisch schreiben. Und für die PR, die wir | |
machen, weil wir ja vom Journalismus nicht mehr leben können, Spiegel | |
Online!, lassen wir uns angemessen bezahlen. Irgendwo von müssen wir ja den | |
Alkohol und die Tabletten bezahlen, die die traurige Realität wegmachen, | |
dass man von seinem Beruf kaum noch leben kann. | |
Immerhin gibt es anderswo Bewegung. Wohl um ein Zeichen gegen Homophobie im | |
Fußball zu setzen, hat man sich bei der EM-Quali entschieden, bei den | |
Einblendungen ein, wenn auch schreckliches, so doch ultraschwules | |
Herrenoberteil eingebettet in eine Herzform zu zeigen. Erst dachte ich: | |
„Waschmittelwerbung?“, dann sah ich: Nein, Einblendungsdings bei | |
Wiederholung etc. Toll! Ich sag’s doch: Schwul ist das neue Hetero. Und | |
Jogi mittendrin. Zur EM gibt’s dann Bälle mit Penisaufdruck, und die | |
Werbebanner zeigen Gay-Romeo-Reklame. Begeistert gebe ich zurück in das | |
queere Berlin! | |
9 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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