# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Ich habe mich wieder verführen lassen | |
> Twitter macht einen ganz lull und lall: Man schreibt schneller, als man | |
> denkt, und dann ist man als Journalistin ganz schnell am Arsch. | |
Bild: Doch, es gibt sie, die jüdische Olymiade. | |
Hallo taz-Medienredaktion! Ich finde ja, die taz sollte mal von den Großen | |
lernen. Von denen, die wissen, wie man eine Zeitung attraktiv macht. | |
Deshalb sollte es an dieser Stelle das große Sommerrätsel geben, doch da | |
ich diejenige bin, die was zu lernen hatte, ist alles anders. Also: Ich | |
habe letzte Woche echt Scheiß gebaut. Denn ich habe mich mal wieder | |
verführen lassen. Von dem heißen Ding Geschwindigkeit und völlig | |
reflexhaft, unbedacht und – für eine Journalistin das am schwerwiegendste | |
Versäumnis – bar jeder Rückversicherung, also Recherche – Zeug via Twitter | |
rausgehauen. | |
Auf die Meldung von den Maccabi Games habe ich gefragt, ob Juden denn seit | |
1936 eigene Olympische Spiele bräuchten. Was nicht nur zeigt, dass ich im | |
Geschichtsunterricht nicht aufgepasst habe, sondern eben auch nicht auf die | |
Idee gekommen bin, mal zu gucken, was es mit den Maccabi Games auf sich | |
hat. Und als hätte das nicht gereicht, gab es noch einen zweiten Tweet, | |
nämlich mit der Frage an das ZDF, das in seiner Sendung von „jüdischem | |
Sport“ berichtet hatte, was das denn sein solle: „jüdischer Sport“. | |
Vor dem Hintergrund, dass ich schon als Kind nicht verstanden habe, was an | |
Juden anders sein sollte, finde ich den Begriff „jüdischer Sport“ sehr, | |
sehr eigenartig. Aber Burmester-typisch setzte ich noch einen drauf: | |
„Hakenkreuzweitwurf?“ Trotz einer nachgereichten Erklärung bin ich nun – | |
auch in Israel – eine ausgewiesene Antisemitin. | |
Ich habe unter meinem Helm lange nachgedacht, ob ich das Thema hier | |
aufgreife, zumal – wie die Reaktionen zeigen – es egal ist, was ich tu, es | |
ist falsch. Ich kann in den Augen derer, die an einer besseren Welt | |
arbeiten, nicht nicht Antisemitin sein. | |
Seit ein paar Tagen ist es ruhig im Netz. Nach Sonntag kam von der | |
englischsprachigen Seite aus noch mal Bewegung rein, nachdem die Jerusalem | |
Post über meine „Haltung gegenüber Juden“ berichtet hatte und die Tweets … | |
den Zusammenhang mit den antisemitischen Übergriffen im Rahmen der Maccabi | |
Games gestellt wurden. Das Thema hier jetzt noch einmal aufzugreifen wird | |
eine weitere Aufmerksamkeitswelle mit sich bringen. Was eigentlich nicht | |
sein müsste. Aber, ich denke mir, ich kann nicht immer auf anderen und | |
ihren Verfehlungen rumhacken und bei meinen eigenen so tun, als wenn nichts | |
gewesen wäre. | |
Zumal sich für mich eine Erkenntnis darstellt, die zwar nicht neu ist, aber | |
schmerzhaft erfahren, an Gewicht gewinnt und mich zur Botschafterin werden | |
lässt: „Leute“, möchte ich mahnen, „seid vorsichtig mit Twitter!“ Twi… | |
ist ein geiles Zeug. Es macht einen lull und lall. Es ist bunt, es ist | |
schrill. Und vor allem ist es schnell. Und wenn man dann wie ich schneller | |
schreibt als denkt, ist man eventuell schnell am Arsch. Das mag egal sein, | |
wenn man Metzgerin ist, nicht aber Journalistin. | |
Ja, manchmal kann man auch von Verlierern lernen. Wer also wissen will, wie | |
das geht: „Unbeliebt in 140 Zeichen“, muss mich fragen. Ich kenne mich da | |
aus. | |
So, und nachdem nach diesem Thema alles, was ich Hübsches in der Pipeline | |
habe, unpassend wirkt, hebe ich mir die hübschen Dinge für nächste Woche | |
auf. Du darfst dich, liebe Medienredaktion, jetzt schon auf tolle, alte | |
Themen freuen. Aber eine Woche mehr oder weniger – das macht bei einem wie | |
Franz Josef Wagner, dessen MHD eh seit Jahren abgelaufen ist, auch nichts | |
mehr aus. | |
Das ist so, wie wenn man eine Dose Leipziger Allerlei im Regal findet, | |
deren Mindesthaltbarkeitsdatum seit 1993 überschritten ist. Die ist so | |
drüber, die schmeißt man weg, ohne noch lang nachzudenken. | |
In diesem Sinne zurück nach Berlin! | |
4 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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