# taz.de -- Der Stil Franz Josef Wagners: Mit Essiggurken gegen Adorno | |
> „Deutschland ist ein Erfolgsmodell. Das passt Ihnen nicht?“ Briefe an | |
> Intellektuelle, wie sie Franz Josef Wagner auch schreiben könnte. | |
Bild: Herr Adorno? Jemand hat Gurken für Sie bestellt… | |
Neulich auf Twitter. Jemand fing an, auf jeweils 280 Zeichen diese Briefe | |
zu persiflieren, die Franz Josef Wagner für die Bild-Zeitung schreibt und | |
die dabei geradezu Dada-Qualitäten entwickeln können. Andere Twitterer | |
nahmen den Ball auf, und bald flogen, wie das bei diesem sozialen Medium | |
schon mal vorkommt, die Gedankenblitze hin und her, halb hintergründig, | |
halb albern. Uns fielen die Wagner-Tweets von Nils Markwardt besonders auf, | |
die der Journalist und leitende Redakteur des Philosophie-Magazins | |
[1][unter seinem Twitter-Namen @FJ_Murau in die Welt setzte]. Hier sind | |
sie. | |
*** | |
Lieber G. W. F. Hegel, | |
Sie kommen aus Stuttgart, der schwäbischen Motor City. Sie schreiben dicke | |
Bücher. Aber mit Büchern kann man keine Autos betanken. Denn Deutschland | |
soll mobil bleiben. Menschen müssen zur Arbeit oder zum Frisör. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Albert Camus, | |
„Die Pest“, „Der Fremde“, „Der Fall“ – das klingt für mich nach … | |
Meine Mutter gab nie auf. Steve Jobs auch nicht. Der hatte Visionen, baute | |
Telefone. Nörgeln kann jeder. Doch Deutschland muss Innovationsweltmeister | |
sein. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Liebe Virginia Woolf, | |
Ich war immer ein Romantiker. Rotwein, Chansons, Tanz der Geschlechter bei | |
Sonnenuntergang. Früher schlief ich mit Frauen im Zelt. Auf den Wiesen | |
blühte Klee. Sie hingegen wollen ein eigenes Zimmer. Warum hassen Sie | |
Männer? | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Niklas Luhmann, | |
Es heißt, ihre Systemtheorie könne alles erklären. Doch der normale | |
Opel-Arbeiter versteht Sie nicht. Stau am Kamener Kreuz, Kirschen ohne | |
Kerne, gestern fehlte mir wieder ein Scart-Kabel. Darauf haben Sie keine | |
Antworten. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Theodor W. Adorno, | |
Miele Trockner, Diebels Alt, Alarm für Cobra 11. Deutschland ist ein | |
Erfolgsmodell. Das passt Ihnen nicht. Mit 15 verpackte ich einen Sommer | |
lang Essiggurken. Ich glaube, Sie hatten noch nie Schwielen an den Händen. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Michel Foucault, | |
Ihr Buch heißt „Die Geständnisse des Fleisches“. Stimmt: Für eine Thüri… | |
würde ich töten, eine Paprikalyoner lässt mich zu den Engeln sprechen. | |
Durch Deutschland fließt Wurstwasser. Doch Die Grünen wollen uns | |
trockenlegen. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Liebe Hannah Arendt, | |
Ich sah Sie bei Günter Gaus. Sie sind eine exzellente Raucherin. Rauchen | |
ist wie Rudern. Zug um Zug. Meine Vita Activa: Nachts hole ich eine Stange | |
Roth-Händle. Es heißt, rauchen tötet. Doch beim Abhusten fühle ich mich | |
lebendig. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Franz Kafka, | |
Sie bleiben im Bett, fühlen sich komisch. Für mich sind das Ausreden. | |
Günter Netzer wechselte sich selbst ein, Schumi fuhr auch im Regen, alte | |
Brötchen lassen sich wieder aufbacken. Denn der Sozialstaat ist keine | |
Einbahnstraße. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Thomas Bernhard, | |
Sie ziehen alles in Dreck, lachen über „Pumphosenspießer“. Mich macht das | |
traurig. Denn die Leute wollen nur ihre Ruhe. Rasenkanten schneiden, | |
Senfpeitsche von der Tanke, „Forsthaus Falkenau“. Politik ist für die | |
Menschen da. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Immanuel Kant, | |
Sie verkörpern deutsche Tugenden: Ordnung, Fleiß, Nackentapete. Doch wir | |
alle brauchen mal Urlaub. Sanifair heißt Sehnsucht. Kroketten zum | |
Frühstück, Dosenstechen im Pool, „Die Amigos“ am Anschlag. Ein Land kommt | |
zu sich selbst. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
*** | |
Lieber Jürgen Habermas, | |
Sie werden 90, plädieren stets fürs vernünftige Abwägen. Viele schaffen das | |
nicht. Fällt „Fernsehgarten“ aus, muss man gegentrinken. „Mon | |
Chéri“-Sommerpause geht oft nur mit Betablocker. Doch Demokratie muss auch | |
Spaß machen. | |
Herzlichst | |
Ihr F. J. Wagner | |
28 Jun 2019 | |
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[1] https://twitter.com/FJ_Murau | |
## AUTOREN | |
Nils Markwardt | |
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