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# taz.de -- Post an Franz Josef Wagner: Schreiben, um nicht zu bleiben
> Franz Josef Wagner war bereits zu Lebzeiten eine Figur der Vergangenheit.
> Nun ist der „Bild“-Kolumnist im Alter von 83 Jahren gestorben. Ein
> Nachruf.
Bild: Boulevard-Journalist Franz Josef Wagner bei einem Interviewtermin in Berl…
Lieber Franz Josef Wagner,
Feinde, Todfeinde, Kollegen – an diese Steigerung hätten Sie vielleicht
gedacht, wenn Sie die Nachrufzeile auf Bild.de noch hätten lesen können:
„BILD-Kolumnist Franz Josef Wagner gestorben.“
Sachlich ist das natürlich mal nicht falsch – aber ist es wirklich das, was
von Ihnen bleiben soll? Wo Sie doch Zeit Ihres späteren Lebens betonten,
dass Sie zwar dem Volk die große Show geliefert und die fette Kohle
kassiert haben, ihre Existenz aber erfüllt letztlich nicht gewesen ist?
Denn gestartet waren Sie ja nicht als BILD-Kolumnist oder, mit einer
späteren Zuschreibung, als „Gossen-Goethe“. Sondern als echt
ambitionierter, harter, realistischer Schreiber. Aber, ach, es ‚kam‘
anders: „Ich hatte vier Romane geschrieben und war kein einziges Mal in der
FAZ oder der SZ erwähnt worden. Ich rettete mich in den Journalismus, in
das leichtere Leben“, [1][bekannten Sie], dahin, wo zur Belohnung der
Proll-Porsche röhrt und Sie Ihr „Geld mit einfacheren Worten“ verdienten.
## So ist das Geschäft
Einfache Worte, Worte der Abwertung und der Niedertracht oft, die besseren
Menschen, als Sie einer waren, schwer gefallen wären zu formulieren und zu
veröffentlichen – aber so ist eben das Geschäft, nicht wahr – und Sie war…
halt der abgezockteste Profi darin.
Sind Sie total gescheitert, als Mensch wie als Schreiber? Bleiben Sie als
gläubiger Katholik auf ewig in der Hölle und müssen schlechte Schlagzeilen
redigieren – ohne Aussicht darauf, dass Ihre handwerklich fein gearbeiteten
Vorschläge jemals umgesetzt werden, versteht sich?
Oder haben Sie wenigstens eine Chance aufs Fegefeuer? Wer wird noch ein
gutes Wort für Sie einlegen?
Als die Macht über Magazine, Seiten und Menschen Sie verlassen hatte,
scheint es ja nicht mehr viele gegeben haben, die noch mit Ihnen zu tun
haben wollten. Mich hat es jedenfalls traurig gemacht, als ich in einem
Porträt über Sie las, dass Sie jeden Morgen Tennis spielen – mit einem
Trainer.
Wollte sonst keiner mit Ihnen spielen? Oder waren die alten Kumpanen zu
fußlahm, zu versoffen, zu tot oder das alles zusammen?
Und wie war das, [2][als Sie fünf Stunden lang in Ihrem Flur lagen,] mit
gebrochenem Oberschenkel, und erst Ihre Zugehfrau Sie fand? Da haben Sie
geweint und geschrien und niemand hat Sie gehört. Und ich habe, als ich
Ihren Bericht darüber las, an meine alte Mutter gedacht. Und sie sofort
angerufen.
„Wie Sterben ist, hat Jörg Fauser nicht mehr selbst erlebt, er war zu
besoffen“, haben Sie 2007 zum 20. Todestag Ihres Freundes, des mit 43
Jahren verunglückten Schriftstellers Jörg Fauser [3][geschrieben.]
Ein starker erster Satz, einer, den man nicht mehr vergisst, auch in seiner
Gnadenlosigkeit nicht.
Insofern würde ich sagen: Ich wünsche Ihnen, dass Sie in den Himmel kommen,
irgendwann. Ich finde, dass Sie vielleicht kein guter Mensch waren, aber
als Schreiber mehr Würdigung verdient hätten.
Sie haben es wenigstens versucht mit der Kunst! Und Sie hatten wenigstens
noch den Anspruch, die Niederen zu erreichen, die, die „drunten sterben/ Wo
die schweren Ruder der Schiffe streifen“, wie Hofmannsthal dichtete, die
sogenannten einfachen Menschen, und ja, warum nicht bei Ihnen als alter
68er: die Proletarier. Insofern: Der Kampf geht weiter, lieber Franz Josef
Wagner!
Herzlichst Ambros Waibel
7 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/kultur/geld-schlaegt-poesie-a-ca2d91fd-0002-0001-000…
[2] https://www.bild.de/news/standards/franz-josef-wagner/liebe-brieffreunde-23…
[3] https://www.spiegel.de/kultur/tournee-in-den-tod-a-5e0bcd0e-0002-0001-0000-…
## AUTOREN
Ambros Waibel
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