# taz.de -- Flüchtlinge in Spanien: Bürgermeister preschen vor | |
> Sie ermutigen die Zivilgesellschaft, Flüchtlinge zu unterstützen: Madrid, | |
> Barcelona und andere Städte, deren Politiker Podemos nahestehen. | |
Bild: Bereit, vielleicht doch mehr Flüchtlinge aufzunehmen: Spaniens Premier M… | |
Madrid taz | Auf Initiative der Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, | |
entsteht in Spanien ein Netzwerk der „Städte der Zuflucht“. Ein Großteil | |
der Städte, die seit den Kommunalwahlen im vergangenen Mai von Bürgerlisten | |
rund um die Protestpartei Podemos regiert werden, wollen am kommenden | |
Freitag auf einem Treffen der „Städte für Gemeinwohl“ in Barcelona ihre | |
Sozialpolitik aufeinander abstimmen. Auf der Tagesordnung wird auch die | |
Flüchtlingsfrage stehen. | |
Barcelona hat 200.000 Euro für Flüchtlingsinitiativen bereitgestellt. | |
Außerdem wird die Stadtverwaltung unter Colau – einst Aktivistin gegen | |
Zwangsräumungen zahlungsunfähiger Wohnungseigner – ein Register ins Leben | |
rufen. Dort können sich Familien eintragen, die Flüchtlinge aufnehmen oder | |
sie mit Lebensmitteln und Kleidung versorgen wollen. Colau setzt vorerst | |
auf die Zivilgesellschaft und will keine Großunterkünfte einrichten. | |
Die Bürgermeisterin von Madrid, die pensionierte Richterin Manuela Carmena, | |
hat ähnliche Maßnahmen in Aussicht gestellt. „Madrid ist eine offene und | |
solidarische Stadt, besonders gegenüber denjenigen, die vor dem Horror des | |
Krieges flüchten“, heißt es in einer Presseerklärung. Dort kündigt das | |
Rathaus von Madrid an, sich der Initiative von Barcelona anzuschließen. | |
Mehrere Großstädte wie Compostela, Zaragoza, Cádiz oder Valencia prüfen | |
ebenfalls, wie sie Flüchtlinge unterstützen können. | |
Spaniens Flüchtlingspolitik ist weitgehend inexistent. Im ganzen Land gibt | |
es 900 Plätze in Unterkünften für Flüchtlinge. „Die Zentren sind völlig | |
überfüllt“, erklärt das Madrider Rathaus. „Wir warten darauf, dass die | |
Regierung uns mitteilt, wie viele Menschen nach Madrid kommen.“ Genau das | |
weiß keiner. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy hat in der EU | |
hart verhandelt, um so wenige Flüchtlinge wie möglich aufzunehmen. 2.739 | |
sollen es werden. | |
## Knapp 6.000 Flüchtlinge | |
Bei seinem Berlin-Besuch Anfang der Woche erklärte er sich in einer | |
Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bereit, nachzuverhandeln | |
und gegebenenfalls, wie von der EU-Kommission erwartet, knapp 6.000 | |
Flüchtlinge, die in anderen Ländern ankommen, aufzunehmen. | |
Doch Rajoy stellt Bedingungen. Griechenland und Italien müssten erst große | |
Auffanglager schaffen. Außerdem will er, dass die Flüchtlinge nicht | |
entsprechend des Bruttoinlandsprodukts auf einzelne Länder verteilt werden, | |
sondern dass die finanziellen Anstrengungen beim Schutz der EU-Außengrenze | |
mitgerechnet werden. Spanien bewacht die Meerenge von Gibraltar. | |
Die wichtigste spanische Onlinezeitung, eldiario.es, machte sich die Mühe, | |
die Flüchtlings- und Asylstatistiken von Eurostat auszuwerten. Ergebnis: | |
Spanien ist in Sachen Solidarität weit abgeschlagen. Seit Jahresbeginn | |
haben die Behörden rund 6.000 Asylgesuche angenommen. Bis Jahresende sollen | |
es doppelt so viele werden. 2014 waren es nur 5.610, das entspricht 12 | |
Anträgen pro 100.000 Einwohner. Im EU-Schnitt waren es 127 auf 100.000 | |
Einwohner. | |
Asyl erhielten 2014 in Spanien nur drei Bewerber pro 100.000 Einwohner | |
gegenüber 318 in Schweden, 50 in Deutschland und 18 in Griechenland. | |
Vonseiten der Regierung Rajoy gibt es bisher keine offiziellen Reaktionen | |
auf das kommunale Netzwerk der „Städte der Zuflucht“. Im kommenden Herbst | |
stehen Wahlen an. | |
Rajoys Partido Popular (PP) ist sehr stark angeschlagen. Eine | |
Auseinandersetzung über Flüchtlingspolitik mit Podemos-Umfeld will ihm da | |
derzeit nicht so recht ins Konzept passen. | |
3 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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