| # taz.de -- Geflüchtete in Nordeuropa: Mit dem Fahrrad nach Norwegen | |
| > Der „arktische Fluchtweg“ wurde von einigen hundert Syrern genutzt. Nach | |
| > 4.000 Kilometern mit Flugzeug und Bahn geht es mit dem Fahrrad weiter. | |
| Bild: Die grüne Grenze zwischen Russland und Norwegen, nahe Kirkenes. | |
| Stockholm taz | Müssen sie woanders Zäune und Mauern überwinden, um in ein | |
| anderes Land zu kommen, nehmen Flüchtlinge, die nach Norwegen wollen, am | |
| besten ein Fahrrad. Der Fluchtweg in dieses Schengenland ist in den letzten | |
| Wochen immer populärer geworden. | |
| Es ist der nördlichste Grenzübergang Europas, der einzige an der 196 km | |
| langen Landgrenze zwischen Russland und Norwegen. Und für den Weg über die | |
| zwischen dem russischen Murmansk und dem nordnorwegischen Kirkenes liegende | |
| Grenzstation Storskog ist das Fahrrad als Transportmittel am besten | |
| geeignet. | |
| „Langsam bekommen wir Kapazitätsprobleme“, sagt Ellen Katrine Hætta die | |
| Polizeichefin des zuständigen Distrikts Ostfinnmark. 133 Flüchtlinge seien | |
| bis Ende August über Storskog nach Norwegen gekommen. Im gesamten letzten | |
| Jahr war es gerade mal eine Handvoll gewesen. | |
| Seit Frühjahr habe man einen stetigen Anstieg bemerkt und derzeit kämen | |
| jede Woche ein bis zwei Dutzend Asylsuchende. Auf die sei man im nahe | |
| gelegenen Kirkenes mit seinen 3000 EinwohnerInnen aber gar nicht | |
| eingestellt. Weshalb sie kurzerhand ins nächste Flugzeug nach Oslo gesetzt | |
| würden, wo dann das eigentlich Asylverfahren beginne. Und sei das Flugzeug | |
| ausgebucht, würden sie eben ein oder zwei Nächte in einem Hotel | |
| einquartiert. | |
| ## Grenzübertritt nur mit Fahrzeug | |
| Es sind vor allem Menschen aus Syrien, Armenien und der Ukraine, die | |
| bislang den arktischen Fluchtweg entdeckt haben. Syrien-Flüchtlinge nehmen | |
| dabei üblicherweise das Flugzeug von Beirut nach Moskau und dann den Zug | |
| nach Murmansk. Wenn für die letzte Etappe, die Überquerung der | |
| russisch-norwegischen Grenze mittlerweile auch das Fahrrad als | |
| Transportmittel benutzt wird, dann aufgrund der Formalitäten, die Moskau | |
| und Oslo für die Regelung des Verkehrs beim Übergang Storskog ausgehandelt | |
| haben. | |
| Der ist vor allem für die Lokalbevölkerung auf beiden Seiten der Grenze | |
| eingerichtet worden, darf aber nur von Fahrzeugen und nicht von Fussgängern | |
| benutzt werden. Wer zu Fuss kommt, wird schon auf russischer Seite von den | |
| Grenzbeamten abgewiesen. Bleibt also ein Fahrzeug wie das Fahrrad, falls | |
| man nicht von Autofahrern mitgenommen wird. | |
| Und für die kann das Transportieren von Flüchtlingen mittlerweile teuer | |
| werden. Bisher hatten die norwegischen Grenzbeamten es in der Vergangenheit | |
| damit bewenden lassen, AutofahrerInnen lediglich zu verwarnen, wenn die | |
| Personen ohne gültige Einreisepapiere in ihrem Fahrzeug mit über die Grenze | |
| nahmen. In Zukunft soll es Anklagen und Gerichtsverfahren geben, die zu | |
| Haftstrafen von bis zu 3 Jahren führen können. | |
| „Wir sind überzeugt, dass dieser Weg über Russland nach Norwegen von | |
| Menschenschmugglern organisiert ist und die da viel Geld verdienen“, meint | |
| Hætta. Es sei eine „kleine Industrie“ entstanden, bei der Leute es sich | |
| teuer bezahlen liessen, Flüchtlinge von Moskau oder Murmansk zur Grenze zu | |
| transportieren. | |
| ## „Terroristische Elemente“ | |
| Für Norwegen, das in diesem Jahr mit 10.000 bis 12.000 Flüchtlingen rechnet | |
| - eine ähnliche Anzahl wie im vergangenen Jahr -, stellt die Fluchtroute | |
| über Storskog bislang nur ein unbedeutendes Rinnsal dar. Doch gibt es | |
| mittlerweile die Forderung nach einem kräftigen Ausbau der dortigen | |
| Überwachungskapazitäten: „Elemente“ könnten sich unter den Flüchtlingen | |
| verstecken, „die andere Absichten haben“, nämlich terroristische, | |
| befürchtet Ulf Leirstein, justizpolitischer Sprecher der | |
| rechtspopulistischen „Fortschrittspartei“, die in Oslo mitregiert. | |
| Eine Verstärkung von Grenzhindernissen zur Abwehr von Flüchtlingen planen | |
| auch andere Länder, die eine gemeinsame Grenze mit Russland haben. Estland | |
| will an seiner Ostgrenze auf rund 100 km Länge einen bis zu zweihundert | |
| Meter breiten Grenzstreifen roden und einen zweieinhalb Meter hohen und mit | |
| Stacheldraht bewehrten Zaun errichten. Begründet wird das in Tallinn vor | |
| allem mit der steigenden Zahl von nach Estland kommenden Menschen aus | |
| Vietnam, die aufgrund der Wirtschaftskrise in Russland dort keine Arbeit | |
| mehr finden. Die Kosten der Grenzsicherung werden auf über 70 Millionen | |
| Euro veranschlagt. | |
| Auch Lettlands Regierung hat angekündigt seine über 200 km lange Grenze zu | |
| Russland mit einem neuen Grenzstreifen und technischen | |
| Überwachungseinrichtungen wie Sensoren und Kameras verstärken zu wollen. | |
| Über 20 Millionen Euro lässt sich Riga die „Abwehr illegaler Grenzgänger“ | |
| kosten. Womit man aktuell ebenfalls vor allem vietnamesische Flüchtlinge | |
| meint, von denen in diesem Jahr rund 300 nach Lettland gekommen sind. | |
| 9 Sep 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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