# taz.de -- Müllproblem im Libanon: Gestank in der Sommerhitze | |
> Die Regierung sucht nach einer Lösung für das Problem. Der | |
> Wirtschaftsminister will den Abfall exportieren, vielleicht auch nach | |
> Deutschland. | |
Bild: Wir haben euch was mitgebracht: Müll, Müll, Müll! | |
BERLIN taz | Seit Wochen gibt es im Libanon fast nur ein Thema: Müll. Denn | |
bis Ende Juli wurde der nicht mehr abtransportiert. Deshalb türmten sich in | |
Beirut und Umgebung die Abfallberge auf den Straßen – in der schwülen | |
Sommerhitze eine Zumutung für Anwohner und Passanten. Gegen den Gestank und | |
das Gesundheitsrisiko streuten die Beiruter Pestizide oder deckten die | |
Haufen mit großen Plastikplanen ab. Andernorts wurden Müllhaufen | |
abgebrannt. | |
Grund für die Müllkrise ist die Schließung der Deponie bei Na’amah, einem | |
kleinen Ort südlich der Hauptstadt. Anwohner hatten sich seit Jahren über | |
die Müllhalde beschwert, denn dort lagerten über 15 Millionen Tonnen Abfall | |
aus Beirut – vereinbart waren aber nur zwei Millionen. Die libanesische | |
Regierung hatte versprochen, bis zum 17. Juli eine neue Deponie | |
einzurichten. Als das nicht geschah, blockierten Demonstranten die | |
Zufahrtsstraßen nach Na’amah und schickten die Mülltransporter zurück nach | |
Beirut. | |
Probleme mit Müll gibt es nicht erst seit diesem Sommer. Die meisten | |
Deponien im Libanon entstanden ohne Genehmigung und verursachten große | |
Umweltschäden. Ein Beispiel hierfür war das ungewollte Wahrzeichen der | |
Hafenstadt Saida im Südlibanon: ein 32 Meter hoher Müllberg, der sich über | |
eine Größe von knapp fünf Fußballfeldern erstreckte. Nicht nur, dass die | |
Bewohner von Saida jahrzehntelang toxische Gase einatmeten; die Müllhalde | |
lag auch direkt an der Küste, sodass der Müll ins Mittelmeer rutschte. Erst | |
2013 wurde im Rahmen eines Umweltprojekts begonnen, etliche Millionen | |
Kubikmeter Abfall abzutragen. Dort soll nun ein Park entstehen. | |
Auch in der aktuellen Müllkrise gab es innovative Lösungsansätze: | |
Libanesische Umweltschützer verbündeten sich mit dem Fahrdienst Uber. Wer | |
zu Hause seinen Müll trennte, konnte sich kostenfrei ein Taxi vor die | |
Haustür bestellen, das den recyclebaren Plastik- und Papiermüll mitnahm. | |
Doch es braucht eine Langzeitlösung: Gerade einmal 8 Prozent des Mülls im | |
Libanon werden wiederaufbereitet. Umweltschützer fordern den Staat auf, | |
mehr Geld in groß angelegte Recyclingprojekte zu investieren. | |
## Vermüllte Politik | |
Ein unerwarteter Vorschlag kommt aus Regierungskreisen. Wirtschaftsminister | |
Alain Hakim sagte in einem Fernsehinterview, dass er sich mit dem deutschen | |
Botschafter in Beirut über die Möglichkeit ausgetauscht habe, den Müll in | |
die Bundesrepublik zu exportieren. Im Netz witzelten Libanesen über die | |
Nachricht, wie der User Maroun Srour: „Müll hat es anscheinend einfacher | |
als ich, ein Schengenvisum zu bekommen.“ | |
In weiteren Kommentaren und Videos machten vor allem junge Libanesen ihrem | |
Ärger Luft und schimpften auf korrupte Politiker und die Unfähigkeit der | |
Regierung, Entscheidungen zu fällen. Tatsächlich ist die Regierung durch | |
politische Machtkämpfe extrem geschwächt. Seit über einem Jahr können sich | |
die Abgeordneten nicht auf einen neuen Präsidenten einigen, und das | |
Parlament hat sein Mandat bereits zweimal verfassungswidrig verlängert. | |
In der Müllkrise fühlen sich die Libanesen einmal mehr von der Regierung im | |
Stich gelassen. Hunderte Demonstranten versammelten sich deshalb unter der | |
Parole „Ihr stinkt“ vor dem Sitz des Premierministers und brachten mit, was | |
die Politiker ihrer Meinung nach verdienten: Müll. | |
Dennoch scheint eine baldige Lösung nicht in Sicht. Der Abfall ist zwar von | |
den Straßen verschwunden, doch die provisorischen Müllhalden in Beirut | |
füllen sich schnell und sind keine ausreichende Alternative. | |
11 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Juliane Metzker | |
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