# taz.de -- Lager im Libanon: Hunderte Palästinenser geflohen | |
> Das Palästinenserlager Ain al-Helweh hat 55.000 Einwohner. Nach Kämpfen | |
> wurde nun ein vorläufiger Waffenstillstand vereinbart. | |
Bild: Nichts wie weg: Flucht aus Ain al-Helweh. | |
BEIRUT taz | Der Libanon steht zurzeit vor großen Herausforderungen. In | |
Beirut demonstrieren seit dem Wochenende Tausende gegen die Regierung. Der | |
Grund: eine Müllkrise. Seit über einem Monat türmen sich die Abfallberge in | |
der libanesischen Hauptstadt und Umgebung. | |
Libanesische und internationale Medien sind stets vor Ort und berichten von | |
den teils gewalttätigen Auseinandersetzungen mit libanesischen | |
Sicherheitskräften vor dem Regierungssitz des Premierministers – eine | |
Sensation. Doch über die blutigen Kämpfe, die am Montag im | |
Palästinenserlager Ain al-Helweh, das keine 50 Kilometer von Beirut | |
entfernt liegt, berichten nur wenige Journalisten. | |
Die Gewalt eskalierte, als am vergangenen Samstag während einer Beerdigung | |
auf Abu Ashraf al-Armoushi, einen Fatah-Sicherheitskommandeur im Lager, | |
geschossen wurde. Drahtzieher waren höchstwahrscheinlich Anhänger der | |
radikalislamistischen Gruppierung Dschund al-Scham. | |
Zwischen Fatah und der bewaffneten Gruppe kam es nach dem gescheiterten | |
Anschlag zum Schusswechsel, wobei sich die Straßenkämpfe am Montag | |
ausweiteten. Am Dienstag einigten sich beide Parteien auf einen | |
vorübergehenden Waffenstillstand. Die Bilanz: 3 Tote aufseiten der Fatah | |
und 18 Verletzte, darunter auch Zivilisten. | |
Die Sicherheitslage in Ain al-Helweh ( „Das Auge der Schönen“) ist seit | |
Jahren angespannt. Es ist mit über 55.000 Bewohnern das größte | |
Palästinenserlager im Libanon und liegt nahe der Stadt Saida an der | |
Mittelmeerküste. Schon während des 15-jährigen libanesischen Bürgerkriegs | |
(1975–1990) litten die Bewohner unter israelischen Luftangriffen. Die | |
internen Kämpfe begannen aber erst, als ein Ableger der von Jassir Arafat | |
gegründete Fatah die Kontrolle im Lager übernahm. | |
## Libanesische Armee wagt sich nicht ins Lager | |
In den Folgejahren ließen sich auch mehr und mehr radikalislamistische | |
Kräfte in Ain al-Helweh nieder. Seit den 2000er Jahren kommt es immer | |
wieder zu tagelangen Auseinandersetzungen zwischen diesen bewaffneten | |
Gruppen. Auch die libanesische Armee wagt sich nicht in das Lager, dessen | |
Bewohner auf sich allein gestellt sind. | |
Die Lage für die Palästinenser im Libanon ist seit jeher kritisch. Seit sie | |
nach der Gründung des Staates Israels in das Nachbarland flohen, werden sie | |
dort nicht als Flüchtlinge anerkannt. Denn der Libanon hat die Genfer | |
Flüchtlingskonventionen 1951 nicht unterschrieben. Damit sind die | |
Palästinenser als sogenannte Vertriebene so gut wie rechtlos. Bis heute | |
können sie die libanesische Staatsbürgerschaft nicht beantragen und haben | |
es so auch schwer, Arbeit außerhalb ihrer Lager zu finden. | |
Im Libanon gibt es zwölf solcher Palästinenserlager, in denen über eine | |
Viertelmillionen Menschen leben. Die größten Probleme sind fehlende | |
Schulbildung, eine schwache Infrastruktur und zu wenig Platz für neue | |
Häuser. Die Wohnungsnot hat sich in den vergangenen vier Jahren noch einmal | |
infolge des Bürgerkriegs in Syrien verschlimmert. Ein Viertel der | |
libanesischen Bevölkerung sind heute Syrer. | |
Um die Palästinenser im Libanon kümmert sich das UN-Hilfswerk für | |
Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA). Mit Sorge beobachtet man dort | |
die erneute Eskalation in Ain al-Helweh. Chris Gunness, Pressesprecher des | |
UNRWA, teilte in einer Erklärung mit: „Wir sind sehr besorgt, da uns | |
Nachrichten erreichten, dass Zivilisten in Gefahr sind und einige unserer | |
Einrichtungen durch die Kämpfe in Mitleidenschaft gezogen wurden.“ Hunderte | |
Bewohner sollen vor den Kämpfen geflüchtet sein oder haben sich in ihren | |
Häuser verbarrikadiert. | |
26 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Juliane Metzker | |
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