# taz.de -- Erstaufnahme von Flüchtlingen: Tagelanges Warten auf einen Termin | |
> Kein Wasser, kein Essen, kein Klopapier: Die Zentrale Aufnahmestelle in | |
> Berlin ist mit der Versorgung neuer Flüchtlinge völlig überfordert. | |
Bild: Warten in sengender Hitze: Vor der Erstaufnahmestelle in Tiergarten campi… | |
Der wackelige Tapeziertisch, an dem Mareike Wenzel steht, kippt fast um. Er | |
wird belagert von einer Gruppe Kinder im Vorschulalter, die eifrig in den | |
Malbüchern rumkritzeln, die jemand hier hingelegt hat. „Dass das hier die | |
Spielecke wird, war so gar nicht geplant“, sagt Wenzel lachend – aber mit | |
Planung hat das Meiste, was an diesem Freitag auf dem Gelände der Zentralen | |
Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA) in der Moabiter Turmstraße passiert, | |
wenig zu tun. | |
Hunderte Menschen harren hier aus, teilweise seit Tagen, und warten auf | |
einen Termin. Mütter mit Säuglingen auf dem Arm sitzen unter den Bäumen, | |
Männer stehen rauchend dort, wo eben noch eine lange Schlange war – die ZAA | |
schließt Freitags bereits um 13 Uhr. Das Landesamt für Gesundheit und | |
Soziales (Lageso), zu dem die ZAA gehört, ist mit der Versorgung der | |
wartenden Menschen überfordert. Kein Wasser, kein Essen, kein Klopapier: | |
Diese Notstandsmeldung verbreitete sich am Donnerstag schnell in den | |
sozialen Netzwerken. Am Freitag ist klar: Die Aufrufe sorgten für eine | |
überwältigende Spendenwelle – die jetzt koordiniert werden muss. | |
„Wir sind hier sozusagen die inoffizielle Annahmestelle“, sagt Wenzel. Die | |
Friedrichshainerin ist eine von vielen Menschen, die zum Helfen | |
vorbeigekommen sind. Mittlerweile sind auch Mitarbeiter der Malteser auf | |
dem Gelände, die vom Lageso offiziell mit der Annahme und dem Verteilen der | |
Spenden beauftragt wurden – der meisten Spenden zumindest: Decken und | |
ähnliches nehmen sie nicht an. „Hier ist ja nun gerade so eine Art | |
Flüchtlingslager am Entstehen, und das geht natürlich nicht“, sagt eine | |
Lageso-Mitarbeiterin. „Wenn die Leute draußen schlafen müssen, sollen sie | |
wenigstens eine Decke haben“, sagt hingegen Wenzel. | |
Ein paar Meter weiter laden drei junge Frauen ihr Auto aus: Betül, Yasmin | |
und Nemi haben am Donnerstag ebenfalls einen Facebook-Aufruf gestartet – | |
und wurden von der Resonanz überwältigt. Seit Freitag, acht Uhr morgens, | |
sind die drei unterwegs, um in der ganzen Stadt Spenden einzusammeln. „Wir | |
kommen kaum hinterher“, sagt Betül. Kistenweise Bananen, Weintrauben, aber | |
auch Kleiderspenden und Babynahrung tragen die Helfer heran. | |
## Kritik an Sozialsenator | |
Saeed Al-Kindi, selbst vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland | |
gekommen, will Bekannten helfen. Die vier Männer sitzen im Schatten eines | |
Baums unweit des Eingangs. Seit vier Tagen seien sie hier, nachts würden | |
sie im Park schlafen, übersetzt Al-Kindi. Von anderen Flüchtlingen haben | |
sie bereits gehört, dass die Hostelgutscheine, die sie schlussendlich wohl | |
bekommen werden, wertlos seien: Weil das Lageso mit der Bezahlung der | |
Rechnungen nicht hinterher kommt, nehmen die meisten Hostels die Gutscheine | |
nicht mehr an. Einer der Männer bedankt sich für die Hilfsbereitschaft der | |
Leute: „Hier in Deutschland ist es sehr gut“, übersetzt Al-Kindi. Ein Satz, | |
den man angesichts des Chaos, in dem die Männer sitzen, kaum glauben will – | |
bis der Mann „Hungary“ sagt und mit Gesten erklärt, wie er dort verprügelt | |
wurde. | |
Angesichts der Notlage meldete sich am Freitag die Opposition zu Wort: Die | |
Grünen forderten eine „sofortige Aufstockung“ des Lageso-Personals, die | |
Linksfraktion „umgehende Maßnahmen zur humanitären Soforthilfe“. | |
Sozialsenator Mario Czaja (CDU), dem das Lageso unterstellt ist, äußerte | |
sich am Freitag nicht zur Situation. Wohl aber zur Flüchtlingsthematik: Er | |
sei dafür, Asylbewerber künftig vermehrt in leerstehenden ostdeutschen | |
Kasernen unterzubringen, so der Senator am Vormittag. | |
7 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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