# taz.de -- Kreditvergabe bei der Weltbank: Sozialstandards adé | |
> Es gibt neue Richtlinien für die Finanzierung von Großprojekten in | |
> Entwicklungsländern. Sie achten wenig auf Menschenrechte und Vertreibung. | |
Bild: Fischfang am Mekong in Laos. | |
BERLIN taz | | Die Weltbank hat einen Entwurf für neue soziale und | |
ökologische Richtlinien bei der Kreditvergabe vorgelegt. Diese | |
Schutzstandards sollen Entwicklungs- und Schwellenländer erfüllen, wenn die | |
Weltbank ihre Projekte finanziert. Menschenrechts- und Umweltorganisationen | |
kritisieren die neuen Kriterien aber als Rückschritt. | |
Die Weltbank ist eine Organisation der Vereinten Nationen und der weltweit | |
größte Finanzierer von Entwicklungsprojekten. Das Sagen dort haben die | |
großen Industrieländer: Die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien und | |
Deutschland kommen zusammen auf einen Stimmenanteil von 38,3 Prozent. Im | |
Frühjahr sind unter Führung Chinas zwei Konkurrenten zur Weltbank | |
entstanden, die New Development Bank und die Entwicklungsbank AIIB. | |
Viele Projekte der Weltbank, wie der Bau von Großstaudämmen, werden von | |
Menschenrechts- und Umweltorganisationen sehr kritisch gesehen, weil sie | |
immer wieder ohne Rücksicht auf Einheimische und Ökosysteme umgesetzt | |
werden. Dabei ist die Vergabe von Krediten an bestimmte Auflagen gebunden. | |
Diese Schutzstandards hat die Weltbank nun überarbeitet und nach einem | |
ersten Entwurf aus dem Juli 2014 nun einen zweiten vorgelegt. Ende 2015 | |
sollen die neuen Richtlinien verabschiedet werden. | |
Sie sehen unter anderem die Stärkung der ArbeiterInnenrechten vor. | |
Bedingung für Kredite soll künftig sein, dass Beschäftigte das Recht auf | |
Versammlungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen haben. Der | |
erste Entwurf sah vor, dass sich bei Umweltzerstörungen die | |
Verantwortlichen durch Entschädigungszahlungen freikaufen können. Das soll | |
jetzt nur noch in Ausnahmefällen möglich sein. Die Weltbank sei auf einem | |
guten Weg, mit den klareren und umfassenderen Umwelt- und Sozialstandards | |
ihr Ziel zu erreichen, die Armut zu beenden und Wohlstand zu fördern, sagte | |
Weltbank-Direktor Stefan Koeberle. | |
Das sehen Oxfam, Human Rights Watch, Urgewald und 16 weitere Organisationen | |
anders. Sie bezeichnen den Entwurf als „gefährlichen Rückschritt“. Bislang | |
sehen die Richtlinien der Weltbank zum Beispiel vor, dass Gemeinden bei | |
Großprojekten wie Staudammbauten im Vorfeld informiert und angehört werden | |
müssen. Diese Konsultationen sollen wegfallen. | |
## Riesiges Kontrolldefizit | |
Die Weltbank kann künftig Projekte genehmigen, für die Menschen von ihrem | |
Land vertrieben werden, ohne dass ein Umsiedlungsplan und ein Budget für | |
Ausgleichzahlungen vorliegen müssen, kritisiert Oxfam. „Die Weltbank steht | |
bereits heute schlecht da, wenn es um den Schutz von Landrechten von | |
Gemeinden geht, wie selbst interne Prüfungen der Weltbank belegen“, sagt | |
Marita Wiggerthale, Agrarexpertin der Organisation. „Statt dies zu ändern, | |
treibt sie Millionen Menschen weiterhin in die Armut und verschärft | |
Ungleichheit.“ | |
Auf Kritik stößt auch, dass die KreditnehmerInnen nicht verpflichtet | |
werden, Menschenrechte einzuhalten. „Der Entwurf behandelt Menschenrechte, | |
als seien sie Verhandlungssache und nicht international bindendes | |
Völkerrecht“, sagt Wiggerthale. | |
Dass die Weltbank strenge Richtlinien hat, bedeutet allerdings nicht, dass | |
diese auch umgesetzt werden. „Die Weltbank hat ein riesiges Vollzugs- und | |
Überwachungsdefizit“, sagt Knut Vöcking von Urgewald. Das werde sich | |
verschärfen, wenn der Entwurf realisiert wird. „Sie will die direkte | |
Verantwortung für die Einhaltung der Schutzmaßnahmen jetzt auf die Klienten | |
und Klientinnen abschieben“, sagt er. | |
Denn diese sollen künftig die Verantwortung für die Einhaltung der | |
Richtlinien tragen und darüber Berichte anfertigen. Aber die Weltbank müsse | |
selbst dafür sorgen, dass bei ihren Projekten die Standards eingehalten | |
werden. „Die Weltbank hat die Chance für einen Neuanfang verpasst“, sagt | |
Vöcking. Außerdem verspiele sie ihre Rolle als weltweit führende | |
Standardsetzerin. Denn ihre Richtlinien dienen privaten Investoren oder | |
Staaten bei der Vertragsgestaltung. | |
Auch das CSU-geführte Entwicklungsministerium steht dem Entwurf kritisch | |
gegenüber. Zwar sieht es „erste Fortschritte“ etwa im Bereich der Arbeit. | |
„Gleichzeitig besteht noch Raum für Verbesserungen, zum Beispiel | |
hinsichtlich der Themen Menschenrechte und sozialer Sicherung und Klarheit | |
bei den Landrechten“, so eine Sprecherin. Besonders wichtig sei die Frage | |
der Umsetzung der Standards. „Dabei geht es um Kapazitätsaufbau in den | |
Partnerländern einerseits, und um klare Verantwortlichkeiten und | |
ausreichende personellen Kapazitäten aufseiten der Weltbank andererseits.“ | |
5 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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