# taz.de -- Dürre am Fluss Mekong: China legt Südostasien trocken | |
> Sechs Staudämme hat China am Mekong gebaut. Das verschärft eine | |
> Rekorddürre in den Ländern am Unterlauf des Flusses. | |
Bild: Die schlimmste Dürre in gut 20 Jahren: Eine Frau sammelt Lotosblätter v… | |
Hanoi ap | Die Länder Südostasiens hängen am Tropf des großen Nachbarn | |
China – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn seit Peking am Oberlauf | |
des Mekong sechs Staudämme gebaut hat, ist in den Reiskammern der Region | |
nichts mehr wie es war. Aktuell sind die Folgen besonders schlimm. | |
Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam leiden unter der schwersten Dürre | |
seit Jahren. Und da neuerdings auch der wichtigste Fluss kaum noch Wasser | |
führt, drohen katastrophale Folgen. Als Notmaßnahme hat China eine der | |
Staustufen vorübergehend geöffnet. Das ändert jedoch nichts an dem | |
eigentlichen Problem. | |
Rücksicht auf die Staaten am Unterlauf zählte bisher eher nicht zur | |
Mekong-Strategie Pekings. Im Fokus lag stets die Nutzung des Flusses für | |
die eigene Elektrizitätsgewinnung. Als Ende März am gigantischen | |
Jinghong-Damm die Tore geöffnet wurden, war daher von einem neuen Kapitel | |
der chinesischen Wasserdiplomatie die Rede. Kritiker ziehen allerdings | |
nicht nur die Selbstlosigkeit der Maßnahme in Zweifel. Sie betonen vor | |
allem, dass die massiven Eingriffe in das Ökosystem des Flusses ganz | |
wesentlich für die Trockenheit auf den Reisfeldern der Region | |
verantwortlich sind. | |
Die Hauptursache für die derzeitige Dürre ist das Klimaphänomen El Niño. | |
Dessen Auswirkungen seien derzeit so gravierend wie nur selten in den | |
vergangenen 60 Jahren, sagt Kundhavi Kadiresan, eine der stellvertretenden | |
Direktoren der Welternährungsorganisation FAO. El Niño sei der größte | |
Faktor, aber „die Staudämme entlang des Mekongs können auch Probleme | |
verursachen und tun das natürlich auch“. | |
Dutzende Millionen Menschen sind von dem niedrigen Wasserstand des Mekongs | |
betroffen. Das Delta des Stroms zählt zu den am dichtesten besiedelten | |
Agrarregionen der Welt. Für mehrere hunderttausend Menschen wird aufgrund | |
der aktuellen Dürre bereits das Trinkwasser knapp. Weil der Mangel auch die | |
landwirtschaftliche Bewässerung betrifft, ist die Gesamtfläche, die für den | |
Anbau von Reis genutzt werden kann, in diesem Jahr stark reduziert. | |
In Vietnam sind wegen der Dürre nach offiziellen Schätzungen zudem etwa | |
400.000 Hektar Land versalzen, auf etwa 160.000 Hektar gelten die Böden | |
inzwischen als unfruchtbar. „Ich habe meine gesamten Investitionen | |
verloren. Meine Familie steht jetzt mit leeren Händen da“, sagt Thach Tai, | |
ein Bauer aus dem Dorf Ngoc Bien in der südvietnamesischen Provinz Tra | |
Vinh. Selbst sein 70-jähriger Vater habe eine solche Trockenheit und ein so | |
hohes Maß an Versalzung noch nicht erlebt. | |
## Unerwartete Kulanz | |
Um noch schlimmere Folgen für die Landwirtschaft zu verhindern, bat Vietnam | |
das Nachbarland China Mitte März, den Wasserabfluss aus dem Jinghong-Damm | |
zu verdoppeln. Überraschend kam Peking der Bitte nach. Es wird erwartet, | |
dass noch bis zum 10. April eine größere Menge als sonst üblich | |
durchgelassen wird. Der Leiter der internationalen Kommission für den | |
Mekong, Pham Tuan Phan, lobte das Entgegenkommen Chinas als „Geste des | |
guten Willens“. Der Vorgang hat aber auch deutlich gemacht, welche | |
Kontrolle Peking über den Fluss hat, der die Lebensader der ganzen Region | |
ist. | |
Nach Angaben des vietnamesischen Landwirtschaftsministeriums könnte das | |
Öffnen der Tore am Jinghong-Damm für 575.000 Menschen im Land zur Minderung | |
des Wassermangels beitragen. Eine generelle Entspannung sei allerdings | |
nicht zu erwarten. Da Vietnam so weit stromabwärts liege, werde hier nur | |
ein kleiner Teil des zusätzlichen Wassers ankommen. | |
Thailand sorgte unterdessen für ein weitere Verschärfung des Problems. Der | |
im Flusslauf vor Vietnam gelegene Staat beschloss eigenmächtig, größere | |
Wassermengen aus dem Mekong abzupumpen und damit andere, ebenfalls von der | |
Dürre betroffene Landesteile zu versorgen. Auch Laos wird sich schon bald | |
seinen Teil ableiten: Mit Unterstützung Chinas baut das Land, das zu den | |
wirtschaftlich schwächsten in Asien gehört, eigene Wasserkraftwerke. | |
Als Mitglied der Mekong-Flusskommission muss sich Laos dafür zwar mit | |
Thailand, Vietnam und Kambodscha beraten, ist aber nicht auf deren | |
Zustimmung angewiesen. Gegen den Widerstand der Nachbarn, die sich dafür | |
ausgesprochen hatten, zunächst eine Studie zu den voraussichtlichen | |
Auswirkungen auf das Ökosystem zu erstellen, begann Laos im Jahr 2012 mit | |
dem Bau des Xayaburi-Damms. Zudem sind sowohl in Laos als auch in China | |
noch zahlreiche weitere Mekong-Staudämme geplant oder im Bau. | |
## Fischbestände in Gefahr | |
Experten gehen davon aus, dass sich dadurch schon bald auch die | |
Fischbestände im Fluss noch deutlich weiter verringern werden, weil die | |
natürliche Laichwanderung kaum noch möglich ist. Dies könnte zu weiteren | |
Spannungen zwischen den Anrainerstaaten führen. Denn der Mekong zählt | |
zusammen mit seinen Zuflüssen zu den wichtigsten Binnenfischereigebieten | |
der Welt. | |
Aktivisten, die sich für den Schutz des Mekong einsetzen, sehen auch in der | |
Öffnung des Jinghong-Staudamms eine eher eigensinnige Maßnahme Chinas. | |
Durch den gesteigerten Durchfluss könne mehr Elektrizität erzeugt werden | |
und der höhere Wasserstand vereinfache auf diesem Abschnitt des Flusses die | |
Binnenschifffahrt, sagt Piaporn Deetes, die in Thailand für die | |
Organisation „Rivers International“ arbeitet. | |
Gleichzeitig habe dieses Vorgehen sogar großen Schaden angerichtet, da die | |
Menschen an vielen Orten entlang des Flusses nicht vorab über den | |
plötzlichen Anstieg des Wasserpegels informiert worden seien. Nach Angaben | |
der Aktivistin wurden an den Ufern Gemüsegärten überschwemmt, Algenkulturen | |
zerstört sowie Boote und Fischerei-Ausrüstung fortgerissen. „Der Mekong ist | |
kein Wasserhahn“, sagt Deetes – ein Fluss könne nicht einfach auf- und | |
zugedreht werden. | |
3 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Tran Van Minh | |
Stephen Wright | |
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