| # taz.de -- Fischzuchtanlange im Saarland: Der teure Traum von der Saar-Dorade | |
| > In Völklingen sollte eine moderne Fischzuchtanlage entstehen. Doch die | |
| > entpuppte sich als ein Millionengrab. Jetzt werden Verantwortliche | |
| > gesucht. | |
| Bild: Viel preiswerter als die Fische aus dem Saarland: Doraden aus der Türkei | |
| Saarbrücken taz | Doraden sind bei Feinschmeckern sehr beliebt. Der Kenner | |
| schätzt sie gebraten auf Fenchelgemüse oder in Olivenöl vom Grill. Am | |
| liebsten tummelt sich jener schmackhafte Speisefisch in den wärmeren | |
| Küstengewässern des Mittelmeers. Doch auch in Deutschland, 500 Kilometer | |
| von der Küste entfernt, planschten die Fische dieser Sorte: in | |
| Wasserbassins im saarländischen Völklingen, auf dem Gelände eines | |
| ehemaligen Kohleverarbeitungswerks. Die Fischzuchtanlage dort war ein | |
| weltweit einzigartiges Unterfangen. | |
| Doch alles kam anders als geplant. Statt lecker Fisch aus dem Saarland gab | |
| es vor allem eins: Schulden, und zwar nicht zu knapp. Fast 20 Millionen | |
| Miese, auf denen nun die Steuerzahler sitzen bleiben. Denn die Anlage | |
| gehört den Stadtwerken Völklingen, die ein zu 100 Prozent stadteigener | |
| Betrieb sind. | |
| Die Angelegenheit beschert dem ohnehin hoch verschuldeten Saarland nun | |
| nicht nur neuen finanziellen Ärger, sondern auch seinen nunmehr dritten | |
| Untersuchungsausschuss. | |
| Am Donnerstag stand die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer | |
| (CDU) diesem Rede und Antwort. Sie war 2007 als Innenministerin für die | |
| Kommunalaufsicht zuständig und hatte das Millionenprojekt nicht verhindert, | |
| auch wenn dies der damaligen Rechtslage entsprochen hätte. Das räumte sie | |
| am Donnerstag auch selbstkritisch ein. | |
| Das Kommunalselbstverwaltungsgesetz besagte damals, dass solche | |
| weitreichenden unternehmerischen Tätigkeiten nicht von einer Kommune | |
| getragen werden dürfen. Kramp-Karrenbauer berief sich auf einen | |
| Ermessensspielraum. „Das öffentliche Interesse an dem Projekt hat | |
| überwogen“, sagte die CDU-Politikerin rückblickend. Man müsse den | |
| „Gesamtzusammenhang Strukturwandel und Umnutzung von Industriebrachen | |
| betrachten“, so die CDU-Politikerin. Zudem habe man das entsprechende | |
| Gesetz wegen der Völklinger Vorhaben anschließend geändert. Da das schon | |
| bei der Nichtintervention angedacht war, sei der Widerspruch noch weniger | |
| vorhanden. Ein Skandal für die Opposition, die Annegret Kramp-Karrenbauer | |
| eindeutig in der Verantwortung sieht. | |
| Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Die 40.000-Seelen-Gemeinde | |
| Völklingen im ehemaligen Kohlerevier ist wie viele andere Gemeinden seit | |
| dem Niedergang der Industrie vom Bevölkerungsrückgang betroffen. Ein neues | |
| wirtschaftliches Zugpferd hat die Region noch nicht gefunden. Da kam die | |
| Binnenfischzuchtanlage scheinbar gerade recht. Auf dem Gelände einer | |
| ehemaligen Kokerei, einem Überbleibsel der goldenen Zeit des Kohlebergbaus, | |
| sollte die neue Zukunft entstehen. „Umweltfreundlich, innovativ und eine | |
| Lösung für die Überfischung der Meere“, das versprach der | |
| Fisch-Anlagenbauer Neomarin in seinem Promo-Video. | |
| Allerdings wollte sich kein privater Investor für das Projekt finden. Die | |
| verwiesen auf das hohe finanzielle Risiko. „Dann machen wir das eben“, | |
| dachte sich offenbar der CDU-Bürgermeister Klaus Lorig und entschied sich | |
| kurzerhand, selbst mit den stadteigenen Stadtwerken Fischzüchter zu werden. | |
| Allen gravierenden Zweifeln zum Trotz, die schon damals von Experten | |
| geäußert wurden. „In vorigen Jahrhunderten haben auch Menschen gesagt, eine | |
| Eisenbahn oder ein Flugzeug könnten nie Erfolg haben“, gab Lorig allen | |
| Skeptikern beim Spatenstich 2009 mit. | |
| Mitte 2015 hatte die Stadt rund 17 Millionen in den Bau der Anlage gesteckt | |
| und mehrere Kredite aufnehmen müssen, um die Betriebskosten für das sich | |
| immer weiter verzögernde Projekt zu decken. Mehr als 20 Millionen Euro | |
| kamen so für die Fischzuchtanlage zusammen, ohne dass die jemals nur einen | |
| Euro Gewinn erwirtschaften konnte. Wochenlang bangten mehr als 200 | |
| Mitarbeiter um ihre Jobs. Am Ende wurde die Anlage regelrecht verscherbelt: | |
| für den Spottpreis von 2 Millionen Euro kaufte sie ein Schweizer Investor. | |
| „Das Risiko des Projekts war uns bekannt“, sagte Kramp-Karrenbauer in | |
| Saarbrücken im Untersuchungsausschuss. „Aber ich glaube nach wie vor, dass | |
| es ein innovatives Unterfangen ist“. | |
| Die Schuld am Scheitern des Projekts sieht sie jedoch hauptsächlich bei | |
| ihrem damaligen Staatssekretär Gerhard Müllenbach, auf den sie die | |
| Verantwortung abzuwälzen versuchte. Er sei für die Kommunalaufsicht | |
| zuständig gewesen. Als Innenministerin könne man sich nicht um alles | |
| kümmern. | |
| Eine Tatsache, die die Linken-Abgeordnete Birgit Huonker so nicht stehen | |
| lassen will: „Sie war die verantwortliche Ministerin und trägt damit die | |
| Verantwortung. Es war ja politisch gewollt. Ein Staatssekretär würde sich | |
| niemals trauen, eine Entscheidung ohne seine Ministerin zu treffen.“ | |
| 13 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Leimbach | |
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