# taz.de -- Börse in Athen wiedereröffnet: In der Abwärtsspirale | |
> Start mit einem Kurseinbruch: An der Athener Börse zeigt sich, wie sehr | |
> die griechische Wirtschaft unter Kapitalverkehrskontrollen leidet. | |
Bild: Abwärts, immer nur abwärts. | |
Berlin taz | Nach der Wiedereröffnung der Athener Börse am Montag sind die | |
Kurse dramatisch abgestürzt. Der Leitindex ASE fiel nach fünf Wochen | |
Zwangspause auf das Dreijahrestief von 615 Punkten, ein Minus von mehr als | |
22 Prozent. | |
Beobachter bezeichneten den heftigen Einbruch als „schwarzen Montag“ – in | |
Anlehnung an den Börsencrash 1929 in New York. Der hatte allerdings eine | |
Wirtschaftskrise ausgelöst und nicht – wie die Ereignisse an der Börse in | |
Athen – ein ökonomisches Desaster gespiegelt. „Der Absturz beschreibt die | |
Lage der griechischen Wirtschaft“, sagte Alexander Kritikos, | |
Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. | |
Am vergangenen Freitag hatte Finanzminister Euklid Tsakalotos den Erlass | |
zur Wiedereröffnung der Börse unterzeichnet. Die Regierung hatte die Börse | |
gemeinsam mit den Banken am 26. Juni geschlossen, um einen Finanzkollaps zu | |
verhindern. | |
Zwar sind die Banken wieder geöffnet, aber die Kapitalverkehrskontrollen | |
bleiben streng. Fast alle Firmen sind auf Importe angewiesen, können bei | |
Lieferanten im Ausland aber nicht mehr gegen Vorkasse bestellen oder | |
Rechnungen bezahlen. Joghurthersteller etwa können so kein | |
Verpackungsmaterial beziehen – und ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Die | |
Folgen sind heftig. Konjunkturbarometer zeigen drastische Auftragseingänge | |
der Unternehmen. Beobachter fürchten eine Pleitewelle. Aktuelle Zahlen dazu | |
gibt es dazu wegen des mit dem deutschen nicht vergleichbaren griechischen | |
Insolvenzrecht nicht. | |
Am Montag verloren besonders die Bankaktien an Wert. Analysten hatten im | |
Vorfeld nicht erwartet, dass auch nur ein einziger Kurs steigt. Denn der | |
Börsensturz dokumentiert auch den Nachholbedarf vieler Investoren, die über | |
Wochen ihre unerwünschten Papiere nicht loswerden konnten. Händler hatten | |
deshalb drastische Kursrückgänge erwartet. | |
Aufgrund der Beschränkungen für Abhebungen von Bankkonten können Händler | |
Aktien, Anleihen, Derivate oder Zertifikate nur mit Geld bezahlen, das sie | |
aus dem Ausland einführen oder mit Guthaben, die sie bei Brokerhäusern | |
geparkt haben. Der Crash war also vorhersehbar. „Es ist für mich nicht | |
nachvollziehbar, wie man die Börsen zu diesem Zeitpunkt, also vor | |
Beendigung der Kapitalverkehrskontrollen, wieder öffnen konnte“, sagte | |
Ökonom Kritikos. | |
Auch gesunde Unternehmen drohen durch die Kapitalverkehrskontrollen in den | |
Abwärtsstrudel gerissen zu werden. „Die griechische Regierung hat es | |
versäumt, Unternehmen umfangreiche Ausnahmebestimmungen zu gewähren“, sagte | |
Kritikos. | |
Über Ausnahmen für Firmen und Privatleute entscheidet ein fünfköpfiges | |
„Genehmigungskomitee für Bankgeschäfte“, das die Flut der Anfragen kaum | |
bewältigen konnte. Denn Eltern, deren krebskranke Kinder im Ausland | |
behandelt werden sollen, müssen dort ebenso eine Genehmigung einholen wie | |
Unternehmen. Viele Antragsteller kritisieren die schleppende Bearbeitung | |
ihrer Anliegen. Erst am Freitag hatte die Regierung in Athen die möglichen | |
Auslandsüberweisungen von Unternehmen auf bis zu 100.000 Euro angehoben. | |
Laut Notenbankchef Ioannis Stournaras decken die Änderungen 70 Prozent der | |
Transaktionen ab. | |
## Zu unsicher für Investitionen | |
Für die Unternehmen im Land bleibt die Lage verzweifelt. „Die Situation ist | |
dramatisch“, sagt Phedon Codjambopoulo, Vorstandssprecher der | |
Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsvereinigung. Mittlerweile gebe es unter den | |
griechischen Unternehmen massive Abwanderungen. „Es gibt eine Flucht | |
kleinerer Unternehmen nach Bulgarien, Serbien und Albanien“, sagte er. In | |
den vergangenen Jahren sind bereits mindestens 11.000 kleine und mittlere | |
Firmen in diese Länder abgewandert. Gleichzeitig sind die Investitionen in | |
Griechenland aus dem Ausland massiv eingebrochen. „Wir können nicht guten | |
Gewissens hingehen und sagen: Investiert in Griechenland!“, sagte | |
Codjambopoulo. Dazu sei die politische Lage zu unsicher. | |
Schätzungen gehen davon aus, dass die Kapitalverkehrskontrollen pro Woche | |
ein bis zwei Milliarden Euro des griechischen Bruttoinlandsprodukts kosten. | |
„Das griechische Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr voraussichtlich | |
um 5 Prozent sinken“, sagte Ökonom Kritikos. Eine Trendwende wird es erst | |
geben, wenn die Grexit-Gefahr endgültig gebannt ist, ist sich der Ökonom | |
sicher. Das ist erst der Fall, wenn das dritte Hilfspaket der Gläubiger | |
unter Dach und Fach und die griechische Staatsschuld vollständig tragfähig | |
ist. „Die Chancen stehen gut“, sagte Kritikos. Aber sicher sei eine | |
Einigung eben nicht. | |
Am Montag verhandelten die Gläubiger in Athen mit der griechischen | |
Regierung über die umstrittenen Privatisierungen. In knapp drei Wochen | |
müssen sich beide Seiten über das Hilfspaket geeinigt haben, weil dann eine | |
Rückzahlung von mehr als 3 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank | |
ansteht. | |
3 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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