# taz.de -- Bürgeramtstermine gegen Bares: Keine Verhandlungssache | |
> Eine Online-Firma bietet einen kostenpflichtigen Terminbuchungsservice | |
> für die Bürgerämter an. Der Senat will dagegen vorgehen, ist aber | |
> machtlos. | |
Bild: Nix geht voran: Schlange stehen vor dem Bürgeramt in der Neuköllner Son… | |
Wie viele Kunden genau ihr Terminservice in der Datenbank hat, wissen die | |
drei Jungunternehmer nicht – sie haben gerade schlicht keine Zeit, sie | |
auszuzählen. Nur soviel sei sicher: Gehörig gestiegen seien sie, sagt | |
Ko-Gründer Mateus Kratz. | |
Die Online-Firma buergeramt-termine.de, die gegen Gebühr Termine | |
vermittelt, wird derzeit unter der Schlagzeile „Terminhandel in Berliner | |
Ämtern“ durch die Presse gereicht. Anlass war die Antwort der | |
Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage der Piraten. Darin musste der Senat | |
einräumen, es lägen „Erkenntnisse über ein privates Internetangebot für | |
einen kostenpflichtigen Terminbuchungsservice vor.“ | |
Eigentlich ist die Terminvergabe eine kostenlose Leistung der Berliner | |
Verwaltung. Kratz und seine Ko-Gründer Jörn Kamphuis und Martin Becker | |
verlangen hingegen 25 Euro für einen Termin binnen fünf Werktagen. Der | |
„Express-Service“ – zwei Tage Wartezeit – kostet 45 Euro. | |
Die Webseite funktioniert denkbar einfach: Die Kunden füllen ein kurzes | |
Online-Formular aus, dann durchsucht ein Algorithmus rund um die Uhr die | |
Kalender der Bürgerämter nach freien Terminen und bucht die zahlende | |
Kundschaft automatisch ein. Die drei Firmengründer profitieren mithin vom | |
Frust der BerlinerInnen, die auf der Suche nach einem freien Termin in den | |
Bürgerämtern sind – und feststellen: Unter acht Wochen Wartezeit geht | |
derzeit nichts mehr. | |
## „Behelfsmäßige Personalpolitik“ | |
Schuld an der Misere ist der jahrelange Einstellungsstopp in der Verwaltung | |
– während die Stadt weiter wächst. Zwar hatte Finanzsenator Matthias | |
Kollatz-Ahnen zuletzt 31 zusätzliche Stellen für die Bürgerämter bewilligt. | |
Doch aus Mitarbeiterkreisen hört man, dass sei nur ein Tropfen auf den | |
heißen Stein. | |
„Den Bezirken großflächig Stellen zu streichen und dann behelfsmäßig und | |
häppchenweise zusätzliche Stellen nachzuschieben, hat mit aufgabengerechter | |
Personalpolitik nichts zu tun“, sagt auch der Linken-Abgeordnete Carsten | |
Schatz. | |
Beim Senat will man nun mit „technischen Vorkehrungen“ gegen die | |
Start-Upper vorgehen. So sollen Termine künftig nur noch „namensgebunden“ | |
vergeben werden. „Es wirkt eher etwas hilflos“, sagt Jörn Kamphuis. Gerade | |
mal einen halben Tag brauchten er und seine Kollegen, um auf die | |
„Vorkehrung“ des Senats zu reagieren. Per Mausklick „unterschreiben“ die | |
Kunden eine Vollmacht, mit der das Unternehmen in ihrem Namen Termine | |
buchen kann. | |
Juristisch hat die Innenverwaltung offenbar keinerlei Handhabe. Die | |
„Rechtsprechung zur Beschränkung von Serviceangeboten, die auf Datenbanken | |
basieren“ sei hier „nicht eindeutig“, teilt die Senatsinnenverwaltung auf | |
taz-Anfrage etwas vage mit. | |
## Senat ohne juristische Handhabe | |
Juristisch machtlos ist der Senat aber wohl auch, weil Kamphuis und Co. gar | |
keinen Terminhandel im klassischen Sinne betreiben. Sie bunkern nicht | |
Termine unter falschem Namen, sondern vermitteln – ähnlich einem | |
Sekretärsservice. | |
Die Jungunternehmer geben sich denn auch unbeeindruckt und wollen | |
weitermachen – aber nicht etwa, wie sie beteuern, weil es ihnen ums Geld | |
ginge. Vielmehr wolle man auf die Missstände in den Ämtern aufmerksam | |
machen. „Solange es uns geben kann, weil die Leute für unsere | |
Dienstleistung zahlen, solange läuft etwas falsch“, sagt Kamphuis. Die | |
Preise verlange man überhaupt nur, um „Handlungsdruck“ auf die Politik | |
aufzubauen. | |
Tatsächlich ist die öffentliche Debatte um den Personalmangel in der | |
Verwaltung nun da. Noch im August ist eine Sondersitzung der zuständigen | |
Bezirksstadträte angesetzt. | |
3 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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