Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bundestags-Abstimmung zu Griechenland: Ja kann auch mal Nein heißen
> Nach einer emotionalen Debatte ist klar: Finanzminister Wolfgang Schäuble
> darf über ein neues Kreditprogramm verhandeln.
Bild: Mehrheitlich gesichert: die Abstimmung im Bundestag.
BERLIN taz | Es gibt Blumen für Angela Merkel. Vorn im Plenarsaal drückt
ihr Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen dicken Strauß in die Hand. Die
Kanzlerin feiert ihren 61. Geburtstag. Selbst Oppositionsabgeordnete stehen
Schlange, um zu gratulieren. Doch mehr Freundlichkeiten über die
politischen Lager hinweg wird es nicht geben [1][in dieser Sondersitzung
des Bundestags zur Griechenlandkrise].
Der Streit über den richtigen Umgang mit dem pleitebedrohten EU-Land hat
tiefe Risse gezogen – nicht nur durch das Regierungslager. Auch die Grünen
haben vergeblich um eine gemeinsame Haltung zu dem gerungen, was die
Bundesregierung ihnen zur Abstimmung vorgelegt hat: Ja, Nein, Enthaltung zu
den Verhandlungen um ein drittes Hilfspaket? Das Meinungsbild im Bundestag
war lange nicht so unübersichtlich.
Zumal dasselbe Votum an diesem Freitag oft für gegensätzliche Positionen
steht: So begründen die 60 Abweichler aus CDU und CSU ihre Neinstimme mit
Zweifeln am Reformwillen der griechischen Regierung. Die Linksfraktion
hingegen will mit demselben Nein ihre Unterstützung für Athen
signalisieren. 23 Grünen-Abgeordnete stimmen zwar mit Ja, wollen dies aber
als Kritik am Kurs von Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble
verstanden wissen, die meisten Grünen-Parlamentarier enthalten sich – aus
ebendiesem Grund.
In einer emotionalen Debatte appelliert Merkel an die Abgeordneten, sich
erneuten Milliardenhilfen nicht zu verweigern. Sie wirbt um Verständnis für
die dramatische soziale Lage in Griechenland und verspricht, sich weiter
für dessen Verbleib im Euro einzusetzen. Jeder andere Weg wäre „grob
fahrlässig“, denn dem Land drohten Chaos und Gewalt. Für sie sei auch eine
Auszeit vom Euro „nicht gangbar“, stellt die Kanzlerin klar – und dankt
trotzdem demonstrativ Schäuble, der die Grexit-Option immer wieder ins
Spiel gebracht und damit empörte Reaktionen selbst aus der SPD provoziert
hatte. Der Koalitionspartner demonstriert seine Verbitterung über den
Finanzminister auch in der Sondersitzung: Schäuble bekommt kaum Applaus aus
den Reihen der SPD-Fraktion.
## „Verdammt viel Vertrauen verspielt“
„Jede Debatte über den Grexit muss jetzt der Vergangenheit angehören“,
verlangt Vizekanzler Gabriel. Deutschland müsse die Griechen aus
„Mitmenschlichkeit“ unterstützen – das sei das wichtigste Argument.
Zugleich räumt der SPD-Chef ein, die bisherigen Rettungspakete hätten nicht
funktioniert. In Griechenland müsse dringend ein „handlungsfähiger Staat“
aufgebaut werden, Europa dürfe sich nicht als „Rückzugsraum für asoziale
griechische Superreiche“ hergeben.
Doch die Opposition nimmt sich auch den SPD-Chef vor – schließlich habe
Gabriel die gefährliche Grexit-Option des Finanzministers ebenfalls
unterstützt, kritisiert Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Beide
hätten sich auf ein niveauloses „Armdrücken mit Tsipras eingelassen“. So
habe die Bundesregierung „verdammt viel Vertrauen verspielt“. Dann
erläutert die Grünen-Politikerin blumig das zersplitterte
Abstimmungsverhalten ihrer Fraktion, die sich mit 33 Stimmen mehrheitlich
enthält – bei zahlreichen Ja- und wenigen Neinvoten. Jede grüne Stimme,
sagt sie, sei eine für das Hilfspaket und gegen die Verhandlungsstrategie
der Bundesregierung.
## „Ein letzter Versuch“
Als Linksfraktionschef Gregor Gysi neue Attacken gegen Schäuble reitet,
schaut der Finanzminister nur noch weg. Gysi wirft Schäuble vor, „die
europäische Idee zu zerstören“. Der Minister schade Deutschlands Ansehen
und betreibe politische „Rufschädigung“. Dann wird es auch bei Gysi
komplizierter: Denn die Linksfraktion befürwortet das Hilfspaket, stimmt
aber dennoch mit Nein – und zwar im Gegensatz zur Regierung von Alexis
Tsipras, der ihre Solidarität gelten soll.
Der vielkritisierte Finanzminister Schäuble warnt seine politischen Gegner
im Plenarsaal, es sich nicht zu einfach zu machen: Griechenland werde nicht
dadurch gerettet, dass man jemanden zum „Bösewicht“ erkläre. Das dritte
Hilfspaket sei nun „ein letzter Versuch“, eine „außergewöhnlich schwier…
Aufgabe“ zu erfüllen. Zwar versichert Schäuble, dies könne klappen –
überzeugt wirkt er nicht.
Am Ende aber ebnet der Bundestag der neuen Verhandlungsrunde trotzdem den
Weg: mit 439 von 598 Stimmen bei 119 Neinvoten und 40 Enthaltungen.
17 Jul 2015
## LINKS
[1] /Abstimmung-zu-Griechenland/!5215149/
## AUTOREN
Astrid Geisler
## TAGS
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Bundestag
Abstimmung
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Wolfgang Schäuble
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
staatenlos
Griechenland-Hilfe
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Griechenland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neues Reformpaket für Griechenland: Bauern vorerst verschont
Premier Tsipras will das geplante Reformpaket aufschnüren – und Landwirte
nicht mehr belasten. Denn die Opposition rebelliert.
Kommentar Schäubles Griechenlandkurs: Der Sparfuchs kostet Milliarden
Der Finanzminister treibt die Kosten für die Eurorettung permanent in die
Höhe. Sein Rücktritt, mit dem er jüngst drohte, ist tatsächlich eine gute
Idee.
Griechenlands neue Regierung: Eine sehr heiße Kartoffel
Am Samstag wurden die neuen Minister vereidigt, die Banken öffnen am
Montag. Varoufakis bezeichnet das dritte Hilfspaket als schon jetzt
gescheitert.
Schäuble und die Griechenlandkrise: Im Zweifel Rücktritt
Finanzminister Schäuble räumt Meinungsunterschiede mit Merkel ein. Im
äußersten Fall würde er eher zurücktreten, als sich untreu zu werden.
Regierungsumbildung in Griechenland: Linker Flügel adé
Alexis Tsipras hat Abweichler aus seiner Partei entlassen. Sie hatten sich
gegen weitere Sparmaßnahmen gewehrt. Die Finanzkrise ist derzeit nicht die
einzige Sorge Athens.
Aus „Le Monde diplomatique“: Rettung für verlorene Bürger
In New York bietet eine ID-Card Papierlosen Zugang zu öffentlichen
Einrichtungen und Jobs. Das könnte ein Vorbild für die Weltgemeinschaft
sein.
Finanzaktion für den Krisenstaat: Crowdfunding für die Griechen #2
Thom Feeney wollte die griechischen Schulden per Crowdfunding begleichen –
und scheiterte. Nun will er Arbeitslosen helfen.
70 Jahre Potsdamer Konferenz: Die Enkel der Sieger
Vor 70 Jahren fragten sich die Siegermächte in Potsdam: Wie weiter mit
Deutschland? Darauf hat auch die heutige Alliierten-Generation eine
Antwort.
Abstimmung zu Griechenland: Bundestag gibt grünes Licht
Die Abgeordeten haben mehrheitlich für Verhandlungen über ein drittes
Hilfspaket votiert. Vor dem Start der Hilfen müssen sie jedoch erneut
abstimmen.
Debatte Freitagscasino: Kommt der Fixit vor dem Grexit?
Alle warten auf den Euroausstieg der Griechen, aber Finnland könnte
schneller sein. Das Land könnte sich eine eigene Währung gefahrlos leisten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.