# taz.de -- Debatte Freitagscasino: Kommt der Fixit vor dem Grexit? | |
> Alle warten auf den Euroausstieg der Griechen, aber Finnland könnte | |
> schneller sein. Das Land könnte sich eine eigene Währung gefahrlos | |
> leisten. | |
Bild: Als die Währung noch Verheißung war: Kinder am 31. Dezember 1998 vor de… | |
Finnland erhält endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient. Das Land ist | |
zwar klein, aber eine zentrale Macht in der Eurokrise. Die | |
nationalistischen Hardliner in Helsinki diktieren sehr wesentlich, wie mit | |
Griechenland umgegangen wird. Ihre Macht ist kein Zufall. Sie können | |
jederzeit drohen, aus dem Euro auszusteigen, wenn es nicht nach ihrem Gusto | |
läuft. | |
Die Geschichte zeigt, dass es stets die kleinen reichen Länder waren, die | |
als erste aus einer Währungsunion ausschieden. Das ehemalige Jugoslawien | |
ist dafür ein gutes Beispiel: Es waren die wohlhabenden Slowenen, die 1991 | |
als erste ihre Unabhängigkeit erklärten und eigenes Geld einführten. | |
Denn kleine starke Exportnationen können sich eine eigene Währung gefahrlos | |
leisten. Ihr neues Geld wertet meist sofort auf – sodass Importe sogar | |
billiger werden. Die reichen Ausstiegskandidaten müssen nicht fürchten, | |
dass sie sich lebensnotwendige Güter aus dem Ausland wie Erdöl oder | |
Medikamente nicht mehr leisten können, wenn sie eigenes Geld drucken. | |
Die neue Währung verursacht zwar oft auch Kosten – vorneweg weil die | |
heimische Exportindustrie leidet, wenn der Devisenkurs steigt. Aber diese | |
Schwierigkeiten lassen sich meist schnell überwinden. | |
## Die Finnen machen uns nervös | |
Die Finnen könnten also auf den Euro verzichten, zumal sie mit vielen | |
Ländern in der Eurozone wirtschaftlich kaum vernetzt sind. Warum sind sie | |
trotzdem noch dabei? Diese Frage stellt sich, seitdem die Eurokrise akut | |
ist. Auch die deutsche Regierung ist längst nervös: Bereits 2011, auf einem | |
Empfang im Auswärtigen Amt, erzählte ein Diplomat beim Wein, dass man den | |
Finnen bedeutet habe, „dass sie sich um die Russen allein kümmern können, | |
falls sie aus dem Euro aussteigen“. | |
Diese Drohung war zwar nie besonders glaubhaft, weil kaum vorstellbar ist, | |
dass die Nato tatenlos zusähe, falls die Russen in Finnland | |
einmarschierten. Aber dass Deutschland überhaupt ein derartiges | |
Pseudo-Argument bemühen musste, zeigt bereits, wie wenig die Finnen vom | |
Euro abhängig sind. | |
Entsprechend rigoros gehen sie vor. Als 2011 das zweite Hilfspaket für | |
Griechenland anstand, beteiligten sich die Finnen nur noch, weil sie eine | |
Garantie gegen eventuelle Verluste erhielten: Die Griechen mussten | |
Sicherheiten hinterlegen, die in Finnland verwaltet werden. | |
Auch diesmal waren die Finnen besonders unerbittlich und sorgten dafür, | |
dass der Brüsseler Forderungskatalog an Athen so monströs ausfiel. Es ist | |
mehr als eine bequeme Inszenierung, dass sich Finanzminister Schäuble so | |
gern mit seinem finnischen Amtskollegen Stubb zeigt. Sie denken nicht nur | |
ähnlich, sondern verkörpern auch die beiden Machtzentren in der Eurozone. | |
Stubb und Schäuble sind jedoch mit einem Dilemma konfrontiert: Ihre | |
Kürzungspolitik funktioniert nicht. In Griechenland wurden die | |
Staatsausgaben inzwischen um 30 Prozent gestrichen – doch das versprochene | |
Wachstum setzte nicht ein. Stattdessen sank die reale Wirtschaftsleistung | |
ebenfalls um 25 Prozent. | |
Um von diesem Desaster abzulenken, verbreiten Schäuble und Stubb die | |
Legende, dass Griechenland nur in der Krise festsitze, weil die Verwaltung | |
versagt. Und es ist ja wahr: Viele Beamte in Athen sind überflüssig und | |
unqualifiziert. Trotzdem führt es in die Irre, die Rezession den Griechen | |
anzulasten. Auch funktionierende Staaten überleben nicht, wenn ihre | |
Ausgaben um ein Drittel sinken. Gerade die Deutschen sollten dies wissen: | |
Gegen ihre Beamten war nichts zu sagen, dennoch brach die Wirtschaft ab | |
1930 dramatisch ein, weil der damalige Reichskanzler Brüning rigoros | |
kürzte. Das Ergebnis hieß Hitler. | |
Gegen Argumente sind Stubb und Schäuble zwar immun – aber sie werden von | |
der Realität eingeholt. Die Rettungskosten steigen, weil die griechische | |
Wirtschaft kollabiert. Ständig werden neue Milliarden benötigt, was den | |
deutschen und finnischen Wählern kaum noch zu vermitteln ist. | |
Schäuble und Stubb haben nur noch eine Chance, ihr Versagen zu maskieren: | |
Sie hoffen, dass die Griechen einen Grexit hinlegen. Also wurde beim | |
Brüsseler Gipfel kräftig nachgeholfen. Selbst „Ultimatum“ ist als Wort no… | |
zu schwach, um das Abschlussdokument zu beschreiben. Es ist ein einseitiges | |
Diktat. Die Bedingungen sollten für die Griechen so unerträglich sein, dass | |
sie aufbegehren. Schäuble und Stubb haben Athen zu einem Protektorat | |
gemacht, um eine Revolte zu provozieren. | |
## Chaos wäre vorprogrammiert | |
Aber die Griechen können den Euro nicht verlassen – weil sie die | |
Schwächsten sind. Sie unterliegen der gleichen ökonomischen Logik, die die | |
Finnen zum stärksten Mitglied in der Eurozone machen, nur eben umgekehrt. | |
Wenn die Griechen die Drachme wieder einführten, würde diese sofort stark | |
abwerten, sodass nötige Importe wie Öl, Medikamente oder Lebensmittel | |
unerschwinglich wären. Es käme zu einem grauenvollen Chaos, das auch | |
Hilfspakete aus der Eurozone nicht vermeiden, sondern höchstens ein wenig | |
lindern könnten. | |
Langfristig könnte ein Grexit zwar vorteilhaft sein, weil die griechischen | |
Schulden faktisch verschwunden wären. Aber kurzfristig sind die Risiken so | |
enorm, dass die Griechen unbedingt im Euro bleiben wollen. | |
Diese Erpressbarkeit erklärt auch die erstaunlichen Volten, die die Politik | |
in Athen seit zwei Wochen bietet. Im Rest Europas staunt man, dass die | |
Griechen erst mit einem „Ochi“ (Nein) Sparvorschläge ablehnen, um dann noch | |
härtere Zumutungen in einer Allparteien-Koalition durchs Parlament zu | |
winken. Doch das „Ochi“ war immer symbolisch gemeint. Es sollte die | |
hilflose Wut der Griechen ausdrücken. | |
Für Schäuble und Stubb droht ein Alptraum wahr zu werden: Die Griechen | |
bleiben im Euro, obwohl sie weiter verarmen – und zeigen damit der Welt, | |
wie inkompetent die herrschenden Euroländer sind. Gleichzeitig werden | |
weitere Hilfsgelder nötig, um die Defizite zu decken. | |
Das ist politisch nicht durchzuhalten. Daher könnte es anders kommen, als | |
alle denken: Nicht die Griechen verlassen als erste den Euro – sondern die | |
Finnen. | |
17 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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