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# taz.de -- Vereine wollen Gemeinnützigkeit: Zivilgesellschaft? Ach nö
> Seit 450 Tagen ist Attac nicht mehr gemeinnützig: Das Finanzamt befand
> den Verein für zu politisch. Ein Bündnis fordert nun eine Reform.
Bild: Campact in Aktion: politischer Protest, keine Frage. Aber auch gemeinnüt…
BERLIN taz | Schachspielen ist Dienst an der Allgemeinheit, ebenso wie
Kleingärtnerei oder Hundesport. Welche Vereine sich gemeinnützig nennen und
dadurch Steuern sparen können, ist in der Abgabenordnung geregelt. 25
Zwecke listet diese auf, aber auch klare Verbote. So steht in dem
„Anwendungserlass zur Ordnung“, dass gemeinnützige Vereine nicht
überwiegend politisch agieren dürfen.
Solche Formulierungen lassen viel Spielraum für Interpretation –und der
liegt bei den Finanzämtern. Das wurde in der Vergangenheit vielen NGOs zum
Verhängnis. Zuletzt wurde dem globalisierungskritischen Verein Attac die
Gemeinnützigkeit vom Frankfurter Finanzamt aberkannt. Der Grund:
Regulierung der Finanzmärkte sei kein Ziel im Sinne der Allgemeinheit.
Nun hat sich eine Allianz aus mehr als 40 Vereinen gegründet, darunter Brot
für die Welt, Terre des Femmes und foodwatch. „Rechtssicherheit für
politische Willensbildung“ nennt sich das Bündnis. Sie fordern eine Reform
des Gemeinnützigkeitsrechts. „Die Abgabenordnung ist veraltet“, findet der
Koordinator Jörg Rohwedder. Früher habe Willensbildung als Sache der
politischen Eliten gegolten, heute sei die Gesellschaft aber demokratischer
und vielfältiger.
Die Allianz pocht darauf, weitere Zwecke und eine explizite Erlaubnis zur
politischen Betätigung in die Abgabenordnung aufzunehmen. „Für uns ist
zentral, dass der Schutz der Menschenrechte als Arbeitsfeld aufgenommen
wird. Aber es fehlen auch andere: Geschlechtergerechtigkeit, Frieden und
soziale Gerechtigkeit beispielsweise“, sagt Selim Caliskan,
Generalsekretärin von Amnesty International.
## Großer Wurf unwahrscheinlich
Dass die Anwendungsverordnung in einem großen Wurf geändert wird, ist eher
unwahrscheinlich. Dafür braucht es ein Gesetzgebungsverfahren. Und schon
2007, als Peer Steinbrück die Gemeinnützigkeitsdefinitionen reformieren
wollte, gab es am Ende nur marginale Änderungen. „Wir hören von Politikern
oft, dass sie sich nicht gegen die Finanzverwaltung durchsetzen können“,
sagt Rohwedder.
Über einen von oben gesteuerten Versuch, den politischen Widerstand mundtot
zu machen, wollen die Vertreter der NGOs nicht spekulieren. Aber sie sehen
Tendenzen. „Die Finanzämter werden strenger“, sagt Rohwedder. Und Julia
Duchrow von „Brot für die Welt“ meint: „Der Blick auf die Zivilgesellsch…
hat sich in den letzten Jahren geändert. Das ist ein globaler Trend.
Zivilgesellschaft wird immer mehr als störend empfunden.“
## Stört Zivilgesellschaft?
Dass der Fall Attac nur der Laune eines Finanzbeamten geschuldet ist, will
auch die Geschäftsfüherin Stephanie Handtmann nicht so recht glauben. „Es
kann sein, dass man ein Exempel statuieren und gucken will, wie die
Zivilgesellschaft reagiert.“ Viele der Vereine, die aufgrund der Rechtslage
in ständiger Unsicherheit arbeiten oder unter der Willkür der Finanzämter
leiden, wollen damit nicht an die Öffentlichkeit. Zu groß ist die Angst,
dass Beamte ihnen dann nicht mehr wohlgesinnt sind und nachträgliche
Versteuerungen der Spenden verlangen.
Die Vertreter der Allianz wollen in den kommenden Monaten mit Politikern
ins Gespräch kommen. Denn auch wenn der ganz große Wurf in Sachen
Gemeinnützigkeitsrecht wohl nicht ins Haus steht, gäbe es Möglichkeiten,
die Situation zu verbessern. Der Finanzminister könne mit einem Federstrich
die Rechtssicherheit für zivilgesellschaftliche Organisationen erhöhen,
indem er den Anwendungserlass zur Abgabenordnung von der Beschränkung zur
Beeinflussung der staatlichen Willensbildung befreit, heißt es vom Bündnis.
Selim Caliskan meint: „Die Entscheidungsträger müssen sich positionieren,
ob sie eine breite, vielfältige und kritische Zivilgesellschaft wollen.“
6 Jul 2015
## AUTOREN
Josephine Schulz
## TAGS
Soziale Bewegungen
Campact
Attac
Gemeinnützigkeit
Attac
Datenschutz
Gemeinnützigkeit
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