# taz.de -- Folgen des Referendums in Griechenland: Wenn Griechen „Nein“ sa… | |
> Die Auswirkungen eines „Nein“ auf die Europäische Union, Alexis Tsipras | |
> und die griechische Wirtschaft. | |
Bild: Böse, böse, böse: Finanzminister Schäuble auf einem „Nein“-Wahlpl… | |
## Für die EU gibt es kein Nein | |
Ein Nein ist in Brüssel nicht vorgesehen. Selbst bei weniger umstrittenen | |
Referenden wie zum Lissabon-Vertrag in Irland vor sechs Jahren hat sich die | |
EU über das „No“ hinweggesetzt und einfach nochmal abstimmen lassen. Dies | |
ist in Griechenland allerdings nicht möglich. Eurogruppenchef Jeroen | |
Dijsselbloem verlegt sich daher aufs Drohen: Ein Nein werde sowohl | |
Griechenland als auch Europa in eine „sehr schwierige“ Lage bringen. | |
Die Euro-Granden müssten dann wohl ihre Spar- und Reformauflagen fallen | |
lassen. Zudem müssten sie entscheiden, ob sie nun den „Grexit“ wagen oder | |
doch noch eine Einigung mit der Linksregierung in Athen suchen wollen. | |
Zuletzt gingen die Meinungen in Berlin, Paris und Rom dazu weit | |
auseinander. | |
Vor allem Frankreichs Staatschef François Hollande will Griechenland | |
unbedingt im Euro halten. Kanzlerin Angela Merkel möchte umgekehrt nicht | |
die Verantwortung für einen Rauswurf übernehmen und so den Schwarzen Peter | |
einstecken. Es dürfte daher schnell zu einem Krisengipfel der Euroländer | |
kommen. | |
Die große Unbekannte bei einem Nein ist die Europäische Zentralbank (EZB). | |
Sie könnte Griechenland sofort von der Geldversorgung abschneiden –oder auf | |
einen EU-Beschluss dringen. EZB-Chef Mario Draghi ist es nämlich leid, | |
immer für die Politik die Eisen aus dem Feuer zu holen; auch er will den | |
Schwarzen Peter nicht einstecken. | |
## Was das Nein für Tsipras bedeutet | |
Mal davon abgesehen, dass der Druck seitens der Geldgeber und der | |
Finanzmärkte enorm zunähme, hätte Regierungschef Tsipras innenpolitisch | |
zunächst freie Hand bei einem Nein. In diesem Fall würde der Linkspolitiker | |
versuchen, mit Hinweis auf den frisch bestätigten Volkswillen ein deutlich | |
besseres Verhandlungsangebot durch die Geldgeber zu erzwingen. Politische | |
Gegner werfen ihm allerdings vor, er verfolge eine Geheimagenda, nach der | |
das Land aus dem Euro austreten, aber die Verantwortung dafür | |
ausschließlich den Kreditgebern anlasten soll. | |
Für Konservativen-Chef Antonis Samaras wäre ein Nein am Sonntag eine zweite | |
Niederlage in nur sechs Monaten. Dadurch würde die Nachfolgefrage in der | |
konservativen Oppositionspartei erneut gestellt. Mit oder ohne Samaras | |
würden die Konservativen jedenfalls mit allen Kräften versuchen, eine | |
breite „Front pro-europäischer Kräfte“ unter ihrer Führung zu schmieden. | |
Mit von der Partie wären vermutlich die einst mitregierenden Sozialisten, | |
die sozialdemokratische Partei To Potami, wirtschaftsliberale | |
Splittergruppen und, im Idealfall, auch der eine oder andere | |
europafreundiche Syriza-Politiker. | |
Bei einem Nein würde auch der Druck auf Staatspräsident Prokopis | |
Pavlopoulos wachsen, aktiv zu werden und Zweifel an einem Euro-Austritt | |
Griechenlands zu beseitigen. | |
## Die Wirtschaft: Hoffnung oder Horror | |
Zwei Szenarien sind für diesen Fall denkbar. Erstens: Die Gläubiger lassen | |
sich auf neue Verhandlungen ein. Die griechische Regierung setzt die Abkehr | |
von der strikten Kürzungspolitik durch, die Nachfrage im Inland wird | |
angekurbelt, blockierte europäische Fördermittel werden für Investitionen | |
genutzt. Griechenland bleibt im Euro. Unternehmen kurbeln wegen der | |
unsicheren Lage aufgeschobene Investitionen an. | |
Das zweite Szenario: Die Gläubiger treiben den „Grexit“ voran, Griechenland | |
ist gezwungen, den Euro zu verlassen. „Das ist das Schlimmste, was der | |
griechischen Wirtschaft passieren kann“, sagt Alexander Kritikos vom | |
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. „Die Folge wäre ein | |
dramatisches Absinken des Wohlstands.“ Es kommt zu Massenverarmung. | |
Der Grexit wirkt wie ein Deindustrialisierungsprogramm. Importe wie | |
Medikamente oder Lebensmittel werden extrem teuer. Große Teile der | |
verbliebenen Industrie sind auf die Einfuhr von chemischen Produkten oder | |
Öl angewiesen. Sie profitieren nicht davon, dass ihre Exporte aufgrund des | |
Grexit billiger werden. „Die Gefahr, dass Griechenland Inflationsraten von | |
30 Prozent bekommt, ist sehr groß“, sagt Kritikos. „Fachkräfte, Unternehm… | |
und alle, die das Land wirtschaftlich aufbauen könnten, würden abwandern.“ | |
3 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Jannis Papadimitriou | |
Anja Krüger | |
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