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# taz.de -- Merkel und der Griechenland-Konflikt: Ist die Kanzlerin unverwundba…
> Angela Merkel ist bereit, ein drittes Hilfspaket für Athen
> durchzupeitschen. Die Opposition wirft ihr vor, nur den Banken und nicht
> den Bürgern zu helfen.
Bild: Hat Erfahrung damit, sich zu bestimmten Dingen eher hinter vorgehaltener …
Berlin taz | „So leidet Merkel“, titelte Anfang dieser Woche die
Bild-Zeitung. Das Fachblatt für Griechenhetze streute ein wenig vergiftetes
Mitgefühl über die Bundeskanzlerin. „Staatsbankrott! Undenkbar bisher in
der ,Europa-Partei‘ CDU!“, hieß es im dazugehörigen Text. Und die taz
titelte: „Scheitert der Euro, scheitert Merkel“. Ist das so? Aktuell
scheint es eher, als ginge Angela Merkel, die Europapolitikerin
schlechthin, selbst aus dieser Krise gestärkt hervor.
Wohlgemerkt: Die sich überstürzenden politischen Ereignisse sind
alarmierend. Seit Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras erklärt hat,
seine BürgerInnen über das für ihn unannehmbare Angebot der Gläubiger
abstimmen lassen zu wollen, wirkt Angela Merkel ratlos. Diese Ratlosigkeit
wurde nicht kleiner, seit in der Nacht zum Mittwoch Griechenland in
Zahlungsverzug geraten ist und damit kein Angebot mehr vorliegt, über das
die Griechen tatsächlich abstimmen könnten.
Ratlosigkeit ist eine Verfassung, in der man die Regierungschefin bislang
nicht kannte. Bis am Sonntag Ergebnisse aus Athen kommen, läuft im
Hintergrund die Krisendiplomatie auf Hochtouren. Angela Merkel muss derweil
schauen, dass sie die Große Koalition auf all die Schmerzen einstimmt, die
noch auf sie zukommen.
Das tut sie, indem sie am Mittwoch im Bundestag spricht. Aber auch, indem
sie, wie am Montag, im Kanzleramt gemeinsam mit Sigmar Gabriel vor die
Presse tritt und auf diese Weise den Koalitionspartner in Mithaftung nimmt.
Außerdem, indem sie die Fraktionen im Bundestag aufsucht und ihnen die
vertrackte Lage erläutert.
Einen Plan, den sie präsentieren könnte, hat sie offensichtlich nicht. So
viel ist klar: Griechenland soll unbedingt im Euro gehalten werden, die
Ansteckungsgefahr eines Grexits für den gesamten Euroraum wäre immens. Eine
Währungskrise ist die Griechenlandkrise schon jetzt; an den Börsen ist das
Klima vergiftet.
„Das ist der Super-GAU für Angela Merkel“, sagt Frank Schäffler. Bis 2013
saß er als FDP-Abgeordneter im Bundestag. Wegen seiner scharfen Kritik am
Euro-Hilfspaket kam Schäffler 2010 als „Euro-Rebell“ zu einiger
Berühmtheit. Die mit der FDP regierende Union war Widerspruch vom
Koalitionspartner einfach nicht gewöhnt. 2012 zwang Schäffler seiner FDP
eine Mitgliederbefragung auf. Er nervte erfolgreich.
Heute leitet Frank Schäffler eine eurokritische Denkfabrik. Auf die Frage,
wie es sich anfühlt, letztlich wohl recht behalten zu haben, antwortet der
46-Jährige: „Ja, ich habe sicher recht gehabt. Aber in dieser Dramatik habe
ich das damals auch noch nicht gesehen.“ Dennoch glaubt er nicht, dass die
von ihm damals kritisierte Merkel Schaden nehmen wird. Gut möglich, dass
sie die Krise der SPD aufzubürden versucht, um sich selbst als pragmatische
Verhandlerin darstellen zu können. Frank Schäffler ist überzeugt: „Sie
kommt in Deutschland gut aus der Geschichte raus. Sie gilt als Macherin.“
## Abweichler sind nicht ihr Problem
Angela Merkels Mantra ist seit Tagen dasselbe: „Solidarität und
Eigenverantwortung.“ Die Bundesregierung sei solidarisch, soll das heißen,
aber nicht bedingungslos. Merkels zigmal wiederholte Botschaft richtet sich
an Athen. Hier, am Mittwoch im Bundestag, muss sie ihre Fraktion und den
Koalitionspartner nicht wirklich davon überzeugen, dass die Sache noch
nicht ausgestanden ist. In ihrer Rede sagt sie: „Wir warten jetzt das
Referendum ab. Davor kann kein neues Hilfsprogramm verhandelt werden.“
Damit ist es amtlich: Merkel ist bereit, ein „neues“, ein drittes
Griechenland-Hilfspaket durchzupeitschen. Die Abweichler aus den eigenen
Reihen, von denen es Dutzende gäbe, sind dabei nicht ihr Problem. Aber ihre
WählerInnen könnten es werden.
In zwei Jahren sind Bundestagswahlen. Dass Merkel erneut kandidiert, ist
äußerst wahrscheinlich. Mit allen Mitteln gilt es deshalb zu verhindern,
dass die BürgerInnen 2017 das Scheitern des Euro – womöglich gar spürbare
finanzielle Einschnitte – mit der CDU verbinden. Auch deshalb gibt sie im
Bundestag die Losung aus: „Europa ist robuster geworden.“ Es wächst also
gar an seinen Krisen. In seiner Rede springt ihr der SPD-Vizekanzler bei.
„Solidarität meinte nie Kumpanei“, sagt Sigmar Gabriel, „sondern
verantwortungsbewusstes Handeln für sich und andere.“ Da ist er wieder, der
Finger, der Richtung Athen zeigt.
## Eurokritische FDP
Widerspruch dazu kommt aus der FDP. Die Liberalen, beim letzten
CDU-Parteitag von der Kanzlerin als „natürlicher Koalitionspartner“ gelobt,
muskeln sich nun als Eurokritiker auf. Merkel, sagt FDP-Generalsekretärin
Nicola Beer der taz, habe zu lange auf Tsipras‘ Einlenken gesetzt. „Deshalb
ist sie für das Chaos mitverantwortlich. Nicht nur Europa droht der große
Knall, sondern auch der Großen Koalition.“ Gut möglich, dass die FDP gerade
wegen dieser euro- und Merkel-kritischen Haltung wieder Zulauf erhält.
Ist Merkel unverwundbar? Momentan scheint sie als unhysterische Kümmerin
nicht einmal beschädigt. Es ist zu spüren, dass sie mit ihrer Entscheidung
gegen weitere Gespräche mit Athen mit sich im Reinen ist. Selbst in diesen
Hardcore-Tagen soll sie gut schlafen können. In der Hochphase der
Ukrainekrise wirkte sie angegriffener als jetzt.
Merkel beschädigt? Lutz Meyer winkt ab. Der PR-Mann, der 2013 ihren
Bundestagswahlkampf gemanagt hat, sagt, wer das behaupte, solle doch mal
erklären, warum. „Der Euro bleibt, Europa scheitert nicht, und Deutschland
steht für das Prinzip von seriöser Haushaltsführung.“ Vielleicht hätte
Griechenland nie in die Eurogruppe aufgenommen werden sollen. „Aber das hat
die Regierung Schröder entschieden, nicht Frau Merkel.“
## Harte Attacken von Gysi
Am Mittwoch im Bundestag gibt es schließlich doch noch Schuldzuweisungen.
Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken, attackiert die Kanzlerin hart. „Die
Art, wie Sie sich beweihräuchern, ist völlig daneben“, ruft er Merkel zu.
Die Rettungspakete der Troika hätten nur den griechischen Banken geholfen,
nicht den Bürgern. „Suppenküchen über Suppenküchen – ist das Ihre
Vorstellung von Europa? Sie tragen dafür eine gewaltige Mitschuld.“
Letztlich gehe es Merkel um die Zerstörung der linken Regierung in Athen.
Der wütende Protest aus den Reihen der Union folgte prompt. Diese Fraktion,
das war deutlich zu sehen und zu hören, wird Merkel überallhin folgen.
1 Jul 2015
## AUTOREN
Anja Maier
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