| # taz.de -- Eklat bei Rosa-Luxemburg-Stiftung: Kündigung nach Klassenkampf | |
| > Die Linken-Stiftung beschäftigt Angestellte ohne Kündigungsschutz. Die | |
| > Frau, die gewerkschaftlich Protest dagegen organisierte, wurde entlassen. | |
| Bild: Das Grab von Rosa Luxemburg auf dem Friedhof Friedrichsfelde in Berlin | |
| New York, November 2012: In der ehrwürdigen Bibliothek der General Society | |
| of Mechanics and Tradesmen spricht Gregor Gysi über das Bedürfnis nach | |
| sozialer Gerechtigkeit als Existenzberechtigung der Linken. Es ist der Tag | |
| der Einweihung des New Yorker Büros der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung | |
| (RLS), das nur wenige Blocks entfernt im 21. Stock eines Wolkenkratzers | |
| seine Tore öffnet. Die neue Büroleitung lobt die US-Gewerkschaften als | |
| Schnittstelle der Linken und als Partner des New Yorker Büros. | |
| März 2015: Hanna S. (Name von der Redaktion geändert) erhält von den New | |
| Yorker Büroleitern ihre Kündigung. Rund ein Jahr nach der Gründung des | |
| RLS-Büros hatte sie dort als Projektmanagerin angefangen. Schon seit Jahren | |
| arbeitet die Deutsche in den USA für linke NGOs. Als lokale Mitarbeiterin | |
| erhält sie von der Büroleitung in New York einen sogenannten „Job Offer | |
| Letter“, ein offizielles Jobangebot, das in den USA auch als Arbeitsvertrag | |
| gilt. Demnach ist sie lediglich „at-will“, nach Belieben, beschäftigt. Das | |
| Arbeitsverhältnis kann fristlos und ohne Begründung gekündigt werden. Auch | |
| sonst erhält sie wenig Sicherheiten: So hat sie nur 13 bezahlte | |
| Krankheitstage ohne Garantie auf Weiterbeschäftigung bei längerer | |
| Krankheit. | |
| Hanna S. ist überrascht: „Natürlich sind die Arbeitnehmerrechte inexistent | |
| in den USA, aber das Büro der Stiftung in New York arbeitet ja daran, diese | |
| Rechte zu stärken“, sagt sie gegenüber der tageszeitung und NDR Info, die | |
| den Fall recherchiert haben. Für ähnliche Stellen in den USA seien die | |
| Arbeitsbedingungen zwar vergleichbar. Aber sei das auch der eigene | |
| Anspruch? | |
| Ein paar Monate nach ihrer Einstellung schlägt sie ihren Kollegen vor, sich | |
| gewerkschaftlich zu organisieren. Im Frühjahr 2014 treten die Angestellten | |
| des New Yorker Büros geschlossen der Gewerkschaft United Auto Workers bei, | |
| die viele Mitarbeiter von NGOs vertritt. Der Büroleitung schreiben sie | |
| einen Brief, in dem sie ihre Motive erläutern. Darin steht, dass es ihnen | |
| nicht um Kritik an den Chefs gehe, sondern darum, ihre Rechte zu | |
| verschriftlichen. Außerdem habe ein gewerkschaftliches Engagement der | |
| Mitarbeiter auch Vorteile für die Ziele des Büros, eng mit den | |
| Gewerkschaften zu kooperieren. | |
| ## Starke Spannungen | |
| In den folgenden Monaten arbeiten die Mitarbeiter gemeinsam mit ihrer | |
| Gewerkschaft einen ersten Vertragsentwurf mit umfassenden Forderungen aus, | |
| bis im Oktober 2014 der erste Verhandlungstermin stattfindet. „Ab diesem | |
| Termin gab es sehr starke Spannungen im Büro“, beschreibt Hanna S. die | |
| Wochen danach. Während eines inoffiziellen Teammeetings, an dem Hanna S. | |
| nicht teilnimmt, habe die Büroleitung ihre Enttäuschung darüber | |
| ausgedrückt, dass solche Angelegenheiten nicht vertrauensvoll auf | |
| informeller Ebene geregelt werden könnten, berichten ihr Kollegen. | |
| „Besonders ich geriet in die Kritik. Mir wurde unter anderem unterstellt, | |
| dass ich die Ziele der Stiftung nicht unterstütze“, sagt Hanna S. Ende März | |
| 2015 wird ihr schließlich gekündigt. Die Begründung: Der Wertverlust des | |
| Euros gegenüber dem Dollar habe die finanziellen Mittel des New Yorker | |
| Büros gemindert. Die Büroleitung habe keine andere Wahl, als eine Person zu | |
| entlassen. | |
| Im Folgenden versucht Hanna S., mehr über die Gründe der Kündigung zu | |
| erfahren. Von der Leitung der Abteilung, die in der Berliner | |
| Stiftungszentrale für die Auslandsbüros zuständig ist, wird sie zu einem | |
| Gespräch nach Deutschland eingeladen, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. | |
| Kurzfristig wird ihr jedoch wieder abgesagt. | |
| ## Besserstellungsverbot und Ortsüblichkeit | |
| Bis heute hatte Hanna S. nach eigenen Angaben keine Gelegenheit, ihre Sicht | |
| der Dinge gegenüber der Stiftungsleitung in Berlin darzulegen. Gegenüber | |
| taz und NDR Info teilt die Stiftung mit, dass es keinen Zusammenhang | |
| zwischen der gewerkschaftlichen Organisierung im Büro New York und der | |
| Kündigung von Hanna S. gebe. | |
| Die Stiftung ergänzt, dass parteinahe Stiftungen bei ihren Arbeitsverträgen | |
| mit sogenannten Ortskräften an zwei Prinzipien gebunden seien: das | |
| Besserstellungsverbot und die Ortsüblichkeit. Das Besserstellungsverbot | |
| lege fest, dass die Ortskräfte der RLS nicht besser vergütet werden dürften | |
| als vergleichbare Angestellte des Bundes. Das Prinzip der Ortsüblichkeit | |
| bedeute, dass die Arbeitsverträge vor Ort den dortigen nationalen Standards | |
| entsprechen müssen. | |
| Fragt sich, an welchen Standards sich die RLS in New York orientiert hat. | |
| Dass es anscheinend eine gewisse Flexibilität gab, zeigt sich an den | |
| Gehältern der Mitarbeiter. Unter den vier Projektmanagern des Büros | |
| erhielten Hanna S. und ihr schwarzer Kollege ein niedrigeres | |
| Einstiegsgehalt als die beiden weißen, männlichen Kollegen. | |
| 2 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Frauke Ladleif | |
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