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# taz.de -- Die Wahrheit: Angst essen Sohle auf
> Bei den Kellerkindern der Fußball-Bundesliga breitet sich im
> Abstiegskampf Panik aus. Jetzt wird auf Psychotricks gesetzt. Oder auf
> olle Medizinbälle.
Bild: Von Hamburg bis Freiburg auf dem Boden der Tatsachen
Joe Zinnbauer, Peter Knäbel, Tayfun Korkut – all diese Trainer sind Opfer
des brutalen Abstiegskampfs in der Fußball-Bundesliga geworden. Verhöhnt,
verspottet und gefeuert, können sie alle ein Lied singen von den Abgründen
des Millionensports. Diese Trainer sind durch die Hölle gegangen und haben
ihr Karriere-Waterloo erlebt, wurden mit Schimpf und Schande vom
Trainingsgelände gejagt und gegen willige Nachfolger ausgetauscht wie
abgelaufene Schweinenackensteaks im Supermarktregal. Menschenschinderei
Bundesliga – quo vadis Kündigungsschutz?
Doch warum konnten diese Übungsleiter ihre Mannschaften nicht mehr
„erreichen“? Warum agieren die Spieler der Kellerclubs wie „gelähmt“? …
warum, um Gottes Willen, sind sie nicht mehr in der Lage, sich für ihre
Bemühungen auf dem Spielfeld auch zu „belohnen“? Die allseits bewunderten
und hoch bezahlten Fußballspieler sind nicht gewohnt, mit Druck umzugehen.
Joe Zinnbauer, der geschasste Coach des HSV, kann in dieser Hinsicht sogar
mit konkreten Zahlen aufwarten: „Ab sechs Atü im Dampfkessel der Stadien
fliegen bei vielen Spielern die Sicherungen raus. Da kannst du auch vom
Spielfeldrand nichts mehr ausrichten. Pressing, schnelles Umschaltspiel –
das in langen Trainingseinheiten mühsam einstudierte kleine Fußball-ABC
scheint da wie weggeblasen.“
Die Angst vor dem Abstiegsgespenst lähmt die verwöhnten Jungstars auf dem
Platz. Es ist diese Angst, die „die Automatismen“ (Lothar Matthäus) außer
Kraft setzt, jahrelang eingeübte Laufwege blockiert und lange Pässe
regelmäßig im Seitenaus landen lässt. Armin Veh, der als Trainer beim VfB
Stuttgart aus eigenem Entschluss das Handtuch warf, bringt das Dilemma auf
die griffige Formel „Angst essen Sohle auf“.
## Altbewährte Folterinstrumente
Was wie ein Sönke-Wortmann-Remake des Rainer-Werner-Fassbinder-Klassikers
klingt, ist eine auch in ihrer Schlichtheit zutreffende Diagnose des
altbekannten Phänomens – der Angstlähmung. Stürmer wie Vedad Ibisevic vom
VfB, die früher blind den Kasten trafen, befällt im Abstiegskampf eine so
ausgeprägte Torabschlusspanik, dass sie mittlerweile auf der Reservebank
oder gleich auf der Tribüne sitzen, derweil hochtalentierte
Nachwuchsspieler ihre ersten niederschmetternden Erfahrungen im
Tabellenkeller machen.
Da werden dann einfachste Bälle verstolpert, zentimetergenaue Pässe in den
Lauf des Gegners geschlagen und haarsträubende Stellungsfehler am laufenden
Band produziert. Und auch die Torhüter bleiben nicht von der ansteckenden
Ballangst verschont. Der eine klärt garantiert vor die Füße des Gegners,
der andere unterläuft mit schlafwandlerischer Sicherheit eine gegnerische
Flanke nach der anderen.
Wie soll es also mit Traditionsclubs wie Stuttgart oder Hamburg
weitergehen, falls sie in den restlichen Spielen nicht noch von Hannover,
Freiburg oder Paderborn von den Abstiegsplätzen verdrängt werden? In der
Not greift so mancher Trainer zu neuzeitlichen Psychotechniken, schickt
seine Spieler ins Kloster oder engagiert einen Motivationsguru, der ihnen
die Fußsohlen krault.
Von derlei weichgespülten Psychotricks hält Huub Stevens, der Trainer des
VfB, nichts. Der kampferprobte „Knurrer aus Kerkrade“ schwört für seinen
krisengeschüttelten Club auf altbewährte Folterinstrumente. Der charmante
Niederländer kennt das beste Mittel gegen Panik im finsteren
Tabellenkeller. Seinen verunsicherten Spielern verordnet er regelmäßig
nächtliche Waldläufe, Eisbäder und Trainingsspiele mit dem
Magath-Medizinball. „Und wenn sie das nicht verstehen wollen, dann müssen
sie eben absteigen in die zweite Liga. So einfach ist das.“
Um sich dann doch noch um einen versöhnlichen Ton zu bemühen. „Wenn man
sich anschaut, wie Georg Niedermaier ein Luftloch schlägt oder Florian
Klein in letzter Minute ein Eigentor schießt, dann muss ich sagen: das kann
auch nicht jeder.“
8 May 2015
## AUTOREN
Rüdiger Kind
## TAGS
Fußball
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Abstiegskampf
Leopard-Panzer
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Rainer Werner Fassbinder
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