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# taz.de -- TV-Übertragung aus deutschen Gerichten: Richter bald live im Ferns…
> Übertragungsverbot auf der Kippe: Künftig sollen Urteilsverkündigungen
> direkt gesendet werden können, empfiehlt eine Bund-Länder-Kommission.
Bild: Hohes Gericht, Sie sind auf Sendung: Richter des Bundesverfassungerichtes…
FREIBURG taz | Radio und Fernsehen sollen künftig die Verkündung der
Urteile von obersten Bundesgerichten übertragen können. Das empfiehlt eine
Bund-Länder-Reformkommission, deren Abschlussbericht jetzt vorliegt. Die
Justizministerkonferenz der Länder, die die gestern und heute in Stuttgart
tagt, wird die geforderte Liberalisierung voraussichtlich mittragen.
In Deutschland sind Bild- und Tonübertragungen aus Gerichtssälen seit 1964
gesetzlich verboten. Zeugen und Angeklagte könnten sich sonst durch die
Kameras irritieren und beeinflussen lassen, so die Befürchtung. Eine
Ausnahme vom Übertragungsverbot gilt bisher nur für Urteile des
Bundesverfassungsgerichts.
Diese Ausnahme wollen die Experten jetzt auf die Urteile der fünf obersten
Bundesgerichte erweitern. Gemeint sind der Bundesgerichtshof in Karlsruhe,
das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das Bundesarbeitsgericht in
Erfurt, das Bundessozialgericht in Kassel und der Bundesfinanzhof in
München. Dort werden oft Urteile gefällt, die ähnlich wichtig sind wie
Gesetze. So entschied letzte Woche etwa der Bundesgerichtshof, dass ein
Verbrecher nicht bestraft werden darf, wenn er von einem polizeilichen
Lockspitzel zur Tat gedrängt wurde.
Zudem will die Kommission, dass „Gerichtsverfahren von herausragender
zeitgeschichtlicher Bedeutung“ in voller Länge dokumentiert werden können.
Gemeint sind zum Beispiel Strafverfahren wie der NSU-Prozess am
Oberlandesgericht München. Von der Dreh-Erlaubnis wäre das ganze Verfahren,
einschließlich der Zeugen-Aussagen, erfasst.
## Reaktion auf das NSU-Chaos
Allerdings sollen diese Aufnahmen nicht der aktuellen Berichterstattung
dienen, sondern dem historischen Interesse. Nur eine „begrenzte Verwendung“
soll möglich sein, heißt es im Beschlussvorschlag für die
Ministerkonferenz, der der taz vorliegt. Näheres ist noch nicht bekannt.
Drittens schlägt die Bund-Länder-Kommission vor, dass bei Prozessen „mit
einem erheblichen Medieninteresse“ der Ton in Arbeitsräume von
Medienvertretern übertragen werden kann. Das ist eine Reaktion auf das
Chaos zu Beginn des NSU-Prozesses, als sich Hunderte von Journalisten für
die nur 50 Plätze auf der Pressetribüne des Gerichts bewarben. Die
Einrichtung von speziellen Presse-Arbeitsräumen soll hier künftig die
Situation entspannen. Dorthin soll allerdings nur der Ton der Verhandlung
übertragen werden, nicht das Bild.
Der peinliche Konflikt um die Öffentlichkeit im NSU-Prozess war auch der
Auslöser für die Einsetzung der Bund-Länder-Kommission im Sommer 2013. Die
Justizminister der Ländern wollen den Bericht ihrer Experten nun
„zustimmend zur Kenntnis“ nehmen, so der Beschlussvorschlag.
Bundesjustizminister Heiko Mass (SPD) soll zur Vorlage eines entsprechenden
Gesetzentwurfs aufgefordert werden. Geändert werden soll das
Gerichtsverfassungsgesetz (§ 169).
Es ist damit zu rechnen, dass Maas die Reformvorschläge aufgreift, denn in
der Arbeitsgruppe war sein Ministerium eine treibende Kraft.
17 Jun 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
deutsche Justiz
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Urteil
Justizminister
Fernsehen
NSU-Prozess
Presserecht
Heiko Maas
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Tugce-Prozess
Schwerpunkt Rechter Terror
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