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# taz.de -- Autokratie auf den Malediven: Die dunkle Seite des Paradieses
> Jenseits des Luxustourismus regiert eine Autokratie, für die Demokratie
> ein Fremdwort ist. Das zeigt auch das Schicksal des Expräsidenten
> Nasheed.
Bild: Wunderschön. Für Touristen.
MALÉ taz | In der Hauptstadt Malé ist die dunkle Seite der Malediven zu
besichtigen, eine Parallelwelt zum Luxustourismus mit schmucklosen Wohn-
und Bürotürmen. Es gibt kaum Grünflächen, dafür unzählige Motorräder.
Überall drängen sich Menschen, darunter viele Arbeiter aus Bangladesch,
Nepal und anderen armen Ländern. Die Wohnungsmieten sind aberwitzig hoch,
Drogenkonsum und Jugendbanden ein Problem. Ende 2014 demonstrierten sogar
erstmals Sympathisanten der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) unbehelligt
in Malé.
„Wir sind sehr besorgt, dass hinter den politischen Veränderungen eine
dritte Kraft agiert“, sagte Mohamed Nasheed der taz in seinem wohl letzten
Interview in Freiheit. 2008 bis 2012 war er der erste demokratisch gewählte
Regierungschef des Inselstaats: Doch am 22. Februar wurde der
Meereswissenschaftler verhaftet und am 13. März zu 13 Jahren Gefängnis
verurteilt. Ein politisch motivierter Scheinprozess, urteilte Amnesty
International.
„Kurz nach meinem Sturz war klar, dass es Extremisten waren, eine dem
Islamischen Staat nahestehende Gruppe. Schnell ist es ihr gelungen,
wichtige Posten in Polizei und Militär zu besetzen“, erklärte Nasheed in
dem Interview.
2008 hatte das Land seinen Wahlerfolg gefeiert. Davor hatte über 30 Jahre
der Autokrat Maumoon Abdul Gayoom geherrscht. Da der Menschenrechtsaktivist
Nasheed Gayoom ein Dorn im Auge war, war er schon sechs Jahre inhaftiert
worden. „2012 bin ich dann als Präsident im Namen des Islam gestürzt
worden“, sagt Nasheed.
## Wählen bis das Ergebnis passt
Bei der Wahl 2013 gewann er zwar den ersten Wahlgang, verpasste aber die
absolute Mehrheit. Das Oberste Gericht annullierte die Wahl unter
fragwürdigen Umständen. Wahltermine wurden verschoben, bis der jetzige
Präsident Abdulla Yameen, Halbbruder von Exdiktator Gayoom, überraschend
gewann. Man hatte so oft wählen lassen, bis das Ergebnis passte.
Dem alten Regime nahestehende Kräfte gewannen schnell wieder Einfluss,
unterstützt von konservativen Islamisten. „Als Gayoom die Macht übernahm,
wurde die Religion zur einzigen Möglichkeit, sich gegen das Regime zu
stellen. Heute haben wir mehrere Gruppen, die sich offen zum IS bekennen“,
so Nasheed.
## Verurteilung ohne Verteidiger
Immer wieder gibt es Übergriffe der Polizei auf Nasheed und seine
Maledivische Demokratische Partei (MDP), berichtet Amnesty International.
Im März wurde er dann ohne Verteidiger verurteilt. Das Gericht begründete
seine Verhaftung damit, dass er während seiner Amtszeit gegen nationale
Antiterrorgesetze verstoßen habe. Tatsächlich hatte er 2012 einen ranghohen
Richter unter Korruptionsvorwürfen festnehmen lassen. Nasheed habe den
Richter „entführt“ und so einen Terrorakt begangen, lautete das Urteil.
„Der Westen muss demokratische Politiker unterstützen. Wir sind sehr mutlos
angesichts der Tatsache, dass der Westen nicht die Veränderungen in den
Malediven wahrnimmt, die es seit meiner Absetzung als Präsident gab. Wir
brauchen Unterstützung – auch aus Deutschland.“
Im Internet kursieren Videos, in denen Nasheed von Polizisten über den
Boden ins Gerichtsgebäude gezerrt wird. Bei der Festnahme wurde ihm ein Arm
gebrochen. Einen Arzt bekam er erst später. Über Nasheeds
Gesundheitszustand lässt sich nur spekulieren. Derzeit kümmern sich die
international renommierten Menschenrechtsanwälte Amal Clooney, Ben Emmerson
und Jared Genser um ihn. Seine Ehefrau Laila Ali bat die Regierung in
Washington, sich für ihren Mann einzusetzen. Einen Tourismusboykott gegen
sein Land lehnt Nasheed ab.
16 Jun 2015
## AUTOREN
Saskia Guntermann
Michael Marek
## TAGS
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