| # taz.de -- Syriza-Politikerin über Flüchtlinge: „Es ist katastrophal“ | |
| > Die neue griechische Regierung will Flüchtlingsgefängnisse schließen. Die | |
| > EU verhindert das, sagt Tasia Christodoulopoulou. | |
| Bild: Das Gefängnis von Amygdaleza in der Nähe von Athen im Jahr seiner Eröf… | |
| Für Griechenland kann man den Begriff „Einwanderer“ streichen, es kommen | |
| nur noch Geflüchtete ins Land. | |
| Tasia Christodoulopoulou: Im Prinzip stimmt das. Aufgrund der | |
| wirtschaftlichen Situation gibt es ja kaum noch Arbeit. Insofern handelt es | |
| sich bei 90 Prozent der Menschen, die hierher kommen um Flüchtlinge, vor | |
| allem aus Syrien, Afghanistan und Eritrea. Sie bekommen eine sechsmonatige | |
| Aufenthaltserlaubnis basierend auf europäischem und griechischem Recht. In | |
| dieser Zeit könnten sie Asyl in der zentralen Behörde in Athen beantragen. | |
| Das macht aber so gut wie niemand. | |
| Mit der Asylbehörde gab es in der Vergangenheit sehr viele Schwierigkeiten, | |
| nicht zuletzt, weil täglich 600 bis 700 Menschen vor dem Gebäude warteten. | |
| Daher haben wir seit dem 25. Mai nur Antragsteller vorgelassen, die vorab | |
| einen Termin via Skype vereinbart hatten. | |
| Wie geht eine Gesellschaft damit um, dass sich so viele Menschen im Land im | |
| Transit befinden? | |
| Wir können die Wege der Menschen, die nach Griechenland kommen und schnell | |
| wieder das Land verlassen, natürlich nur schwer nachverfolgen. Die | |
| Transitsituation ist eine Bürde, die zuweilen Rassismus hervorbringt, aber | |
| es gibt auch viel Verständnis für die Geflüchteten bei uns. | |
| Die meisten Menschen kommen auf den Ägäischen Inseln an. Wie ist die | |
| Situation dort? | |
| Sie ist katastrophal, weil wir nicht alle innerhalb eines vernünftigen | |
| Zeitrahmens unterbringen und betreuen können. Viele enden vorerst an den | |
| Häfen oder bei Polizeistationen – würdelos und ohne ein Dach über dem Kopf. | |
| Wir wissen nicht, wie wir ihnen in unserer derzeitigen Situation helfen | |
| können. Auf der einen Seite steigen die Flüchtlingszahlen auf den Inseln | |
| stark an, auf der anderen Seite kommt die Unterstützung von Europa in dem | |
| Punkt immer langsamer. Beim letzten europäischen Gipfeltreffen zur | |
| Migrationskrise, wurde der Bedarf durch unsere wirtschaftliche Notsituation | |
| diskutiert. Aber soweit wir wissen, wird in absehbarer Zeit keine Hilfe | |
| eintreffen. Die aber brauchen wir dringend, denn mit dem Sommer kommen die | |
| Touristen. Das stellt die Bewohner der Inseln und die Gestrandeten vor | |
| größte Schwierigkeiten. | |
| Wie reagieren die Bewohner? | |
| Es gibt starke Solidaritätsbewegungen und sie helfen so gut sie können, um | |
| die Flüchtlinge zu unterstützen. Sie haben eigene Gelder und ein starkes | |
| Gemeinwesen. Daher ist es dort besser als in Athen, wo die Leute eher auf | |
| sich allein gestellt sind. Außerdem hat uns das Internationale Rote Kreuz | |
| mit Material wie Zelten und Schlafsäcken im Wert von 400.000 Euro | |
| unterstützt. Leider reicht das alles nicht, denn wir müssen dauerhaft mit | |
| jährlich mindestens 40.000 neuen Flüchtlingen zurechtkommen. | |
| Die linke Syriza-Regierung hatte angekündigt, alle Flüchtlingshaftanstalten | |
| zu schließen und einen Kurswechsel einzuleiten. Das ist bislang nicht | |
| geschehen. Warum? | |
| Amygdaleza wurde wie die anderen sechs Flüchtlingsgefängnisse 2012 unter | |
| der Vorgängerregierung gebaut. Die Gelder für den Bau der Haftzentren | |
| stammten zum Großteil aus Töpfen der EU. Einvernehmlich mit europäischem | |
| Recht haben diese Zentren eine Laufzeit von zehn Jahren. Als wir sie | |
| schließen wollten, forderte die EU, dass wir dann das Geld zurückgeben | |
| müssen, das die damalige Regierung für den Bau der Haftzentren erhalten | |
| hatte. | |
| Das wären zweistellige Millionenbeträge. | |
| Und dieses Geld hat Griechenland derzeit nicht. Als wir hörten, dass wir | |
| dann Strafe zahlen müssen, hatten wir natürlich ein Problem. Also haben wir | |
| versucht herauszufinden, was wir tun können, ohne diese hohe Summe zahlen | |
| zu müssen. Zuerst haben wir die entlassen, die illegal eingesperrt waren, | |
| also die Asylantragssteller, Kranke, schwangere Frauen, die, die man | |
| abschieben wollte, aber deren Antrag noch nicht bearbeitet wurde und vor | |
| allem die unbegleiteten Minderjährigen. Neu ist nun immerhin, dass seit | |
| diesem Jahr alle, die auf den Inseln ankommen, gleich eine sechsmonatige | |
| Aufenthaltserlaubnis erhalten. | |
| Wäre es möglich die Flüchtlingsgefängnisse als Aufnahme- oder | |
| Willkommenszentren umzugestalten, ohne die EU-Vorgaben zu verletzen? | |
| Nein. Das Geld war nur für Gefängnisse bewilligt, also nur für geschlossene | |
| Einrichtungen, in denen Menschen festgehalten werden. | |
| Welche Hilfe benötigen Sie von der Europäischen Union? | |
| Glücklicherweise ist die Dublin-Verordnung für Griechenland bis 2016 | |
| ausgesetzt. Daher wird man keinen Flüchtling, der in Deutschland oder | |
| Frankreich festgenommen wurde, nach Griechenland zurückschicken. Was wir | |
| brauchen ist Geld, um Willkommenszentren zu bauen, damit wir den Menschen | |
| angemessen begegnen und eine Unterkunft bieten können. Die neue Regierung | |
| will sich um vor allem die zahlreichen, unbegleiteten Flüchtlingskinder zu | |
| kümmern. | |
| Wie viele unbegleitete Minderjährige passieren jährlich die griechische | |
| Grenze? | |
| Dazu haben wir bisher leider keine genaue Statistik. Erst kürzlich wurde in | |
| der Nähe von Amygdaleza ein neues Zentrum für unbegleitete Minderjährige | |
| eröffnet. Es ist natürlich offen, die Kinder können sich frei bewegen, | |
| besuchen die örtliche Schule und können ein Teil der griechischen | |
| Gesellschaft werden. | |
| Die Rechte der Flüchtlingskinder zu stärken, scheint ein zentrales | |
| politisches Ziel für Sie zu sein. | |
| In einer Woche werden wir über ein Gesetz abstimmen, um Kindern von | |
| Einwanderern unmittelbar die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Es geht uns | |
| um die zweite Generation oder die, die in sehr jungem Alter kamen, hier zur | |
| Schule gehen und kein anderes Land kennen. Ihnen sollen keine rechtlichen | |
| Steine mehr in den Weg gelegt werden. | |
| Wird ihr rechter Koalitionspartner „Unabhängige Griechen“ dem Gesetz | |
| zustimmen? | |
| Ich glaube schon. Wir haben sie gut erzogen. | |
| 11 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Palitzsch | |
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