# taz.de -- Griechenland und die Gläubiger: Die Kuh auf dem Eis | |
> Renten, Mehrwertsteuer, Überschuss: Die Differenzen zwischen Griechenland | |
> und Geldgebern bleiben groß, aber eine Annäherung wird versucht. | |
Bild: Die Kuh ist nicht im Bild. | |
BRÜSSEL taz | Jean-Claude Juncker und Alexis Tsipras mögen sich wieder. | |
Nachdem der EU-Kommissionschef einige Tage demonstrativ geschmollt hatte, | |
lag er sich am Donnerstag in Brüssel schon wieder mit dem griechischen | |
Premier in den Armen. „Die Kuh muss vom Eis, aber sie rutscht dauernd aus“, | |
kommentierte Juncker seinen womöglich letzten Vermittlungsversuch im | |
Schuldenstreit: „Wir versuchen heute, sie wieder anzuschieben.“ | |
Mit einem deutschen Sprichwort versuchte es auch Angela Merkel. „Wo ein | |
Wille ist, ist auch ein Weg“, machte sie sich vor einem kurzfristig | |
anberaumten Tête-à-tête mit Tsipras Mut. Danach wollte Merkel sich nicht | |
mehr zum Stand der Dinge äußern. Der Ball liege nun im Feld der Griechen, | |
hieß es. Zurück auf Start, sozusagen. | |
Doch diesmal hat man auch ein Ziel vor Augen: Spätestens beim nächsten | |
Treffen der Eurogruppe kommenden Donnerstag muss eine Einigung stehen. Denn | |
sonst reicht die Zeit nicht mehr, um rechtzeitig bis zum 30. Juni die | |
versprochenen 7,2 Milliarden Euro aus dem laufenden zweiten Hilfsprogramm | |
auszuzahlen und Griechenland vor der Pleite zu retten. Einen „Grexit“, so | |
betonte Merkel, könne man sich nicht leisten. Zumindest aber will | |
Deutschland nicht schuld daran sein. | |
Auch das Prozedere ist einigermaßen klar: Nach einer Einigung auf | |
Arbeitsebene müsste die Eurogruppe den Deal absegnen. Danach müsste Tsipras | |
die vereinbarten Reformen im Parlament einbringen. Sollte die Vereinbarung | |
große Änderungen gegenüber den bisherigen Plänen enthalten, müsste wohl | |
auch der Bundestag zustimmen. Dies haben führende Wirtschafts- und | |
Finanzpolitiker der CDU/CSU-Fraktion gefordert. | |
## Brüssel hört die Botschaft | |
Doch worüber will man überhaupt reden? Eine Senkung der Renten und eine | |
Lockerung auf dem Arbeitsmarkt, wie sie die Gläubiger nach einem Treffen im | |
Berliner Kanzleramt gefordert hatten, kommt für Tsipras nicht in Frage. | |
„Absurd“ sei das, erklärte er im griechischen Parlament. Die Botschaft ist | |
in Brüssel angekommen. „Wir sind bereit, über Alternativen zu den | |
Rentenkürzungen zu reden“, sagte der für den Euro zuständige Vizepräsident | |
der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis. | |
Allerdings müsse Athen dann andere Reformen oder Kürzungen vorschlagen, die | |
denselben Einspareffekt haben. Entscheidend sei, dass Griechenland seinen | |
Schuldenberg von über 180 Prozent der Wirtschaftsleistung wieder tragfähig | |
mache – also abbaue, so Dombrovskis. | |
Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Staatsbudget zu, das einen dauerhaften | |
Primärüberschuss – also schwarze Zahlen vor dem Abzug des Schuldendienstes | |
– aufweisen soll. Die Geldgeber hatten zunächst 1,5 Prozent Überschuss im | |
laufenden Jahr gefordert und waren zuletzt auf 1 Prozent heruntergegangen. | |
Demgegenüber hat Tsipras nur 0,75 Prozent geboten. Zudem will er die | |
Mehrwertsteuer nicht so stark erhöhen, wie dies die Gläubiger fordern. | |
In beiden Streitpunkten sind jedoch Kompromisse möglich. So deutete Tsipras | |
Entgegenkommen beim Primärüberschuss an. In Brüssel machte sich prompt | |
Optimismus breit. | |
Und wenn es doch nicht klappt? Dann gibt es immer noch die Möglichkeit, den | |
laufenden Hilfsplan zu verlängern und Griechenland mit | |
Überbrückungskrediten über Wasser zu halten. Das hätte den Charme, dass | |
Athen wertvolle Zeit für Reformen gewinnen würde – und Berlin nicht über | |
einen neuen, dritten Hilfsplan reden müsste. Für den gibt es derzeit | |
nämlich vermutlich keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. | |
11 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Griechenland | |
Schuldenkrise | |
EU | |
Alexis Tsipras | |
Jean-Claude Juncker | |
Schuldenkrise | |
Schwerpunkt Krise in Griechenland | |
Griechenland | |
Griechenland | |
Griechenland | |
Griechenland | |
Griechenland | |
Yanis Varoufakis | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schuldenkrise in Griechenland: Juncker bricht Vermittlungsversuch ab | |
Die jüngsten Verhandlungen zwischen Griechenland und der EU-Kommission | |
endeten ohne Ergebnis. Die Reformideen seien zu unterschiedlich. | |
Neue Griechenland-Gesprächen in Brüssel: Athen zeigt sich kompromissbereit | |
Die Zeit wird knapp für Tsipras, nun soll konstruktiv verhandelt werden. | |
Beim Primärüberschuss könnte Athen den Verhandlungspartnern entgegenkommen. | |
Syriza-Politikerin über Flüchtlinge: „Es ist katastrophal“ | |
Die neue griechische Regierung will Flüchtlingsgefängnisse schließen. Die | |
EU verhindert das, sagt Tasia Christodoulopoulou. | |
Krise in Griechenland: Renten gerettet, Ministerium besetzt | |
Die Rentenkürzungen der früheren griechischen Regierung sind | |
verfassungswidrig. Gewerkschafter besetzen derweil das Athener | |
Finanzministerium. | |
Treffen zwischen Merkel und Tsipras: „Jeder Tag zählt“ | |
In der Nacht treffen die Kanzler und der französische Präsident den | |
griechischen Premier in Brüssel. Konkrete Ergebnisse gibt es nicht. | |
Fördergeld-Missbrauch in Griechenland: „Sie täuschen soziale Ziele vor“ | |
Soziale Unternehmen müssen in Griechenland weniger Abgaben zahlen. Doch das | |
wird missbraucht, sagt der Soziologe Ioannis Nasioulas. | |
Schuldenkrise in Griechenland: Neue Reformpläne vorgelegt | |
Seit Monaten wird um dringend benötigtes Geld verhandelt, denn das | |
Hilfsprogramm läuft bald aus. Nun wird der neue Vorschlag von den | |
Gläubigern geprüft. | |
Jannis Varoufakis in Berlin: Weniger Hybris tut‘s auch | |
Der griechische Finanzminister wirbt mal wieder für seine Position. | |
Jenseits der offiziellen Politik bilden sich bemerkenswerte Allianzen. |