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# taz.de -- Polizeigewalt in den USA: Helden vom Sockel stoßen
> Ein Polizist richtet seine Waffe auf unbewaffnete Jugendliche. Das Video
> empört – und zeigt, dass das Bild von Beamten korrigiert werden muss.
Bild: Die 14-Jährige wird von dem Beamten mit vollem Körpergewicht auf den Bo…
Ein weißer Polizist, schwarze Teenager, eine Waffe und Jugendliche am
Boden. Erneut ist in den USA [1][ein Video] aufgetaucht, das einen
Polizeibeamten zeigt, der offenbar unbegründet und übertrieben aggressiv in
einem Einsatz agiert.
Wie zunächst die Webseite [2][Mashable] und dann die [3][Washington Post]
berichteten, ereignete sich der Vorfall am Wochenende in McKinney im
US-Bundesstaat Texas. Dort war es bei einer Party in einem öffentlichen
Freibad der Gemeinde zu einem Konflikt gekommen. Die Polizei der
140.000-Einwohner-Stadt spricht [4][in einer Stellungnahme] von einer
„Ruhestörung“, an der mehrere Jugendliche beteiligt gewesen sein sollen.
Das Video, das auf Youtube mittlerweile mehr als 4,5 Millionen mal
angesehen wurde, zeigt einen Streifenpolizisten, der seine Waffe völlig
unbegründet auf eine Gruppe von unbewaffneten Jugendlichen richtet und ein
Mädchen auf den Boden zwingt, sie mit seinem gesamten Körpergewicht
herunterdrückt und ihren Kopf auf den Asphalt presst. Mehrfach hört man den
Beamten rufen: „Get your ass on the ground.“
Die Lage auf dem Video scheint chaotisch, aber keineswegs dramatisch
gefährlich zu sein. Die einzige Aggressivität geht von dem Beamten aus, die
Situation wird schließlich durch andere Polizisten beruhigt. 12 Beamte sind
am Ende bei einer doch harmlosen Streiterei im Einsatz – letztlich wurde
laut Polizei ein erwachsener Mann festgenommen.
Die Post hat den Beamten im Video als Eric Casebolt identifiziert, seit
zehn Jahren Polizist, ein erfahrener Beamter. Die Polizei McKinney
bestätigt den Namen nicht, erklärt aber, ein Kollege sei vom Dienst
freigestellt worden, bis in einer Untersuchung alles aufgeklärt sei.
Der Vorfall erregt in den USA großes Aufsehen. Die [5][tödlichen Schüsse
auf Michael Brown in Ferguson], der Tod von [6][Freddie Gray in Baltimore],
die übermäßige Polizeigewalt in New York und anderen Städten gegen
Afro-Amerikaner haben in den vergangenen Monaten Protestwellen und eine
öffentlich geführte Rassismusdebatte ausgelöst. Der Vorfall in Texas nun
schreibt diese Geschichte von Gewalt und Rassismus fort. Eine aufgeladene
Situation in einer Stadt, in der Afro-Amerikaner etwa zehn Prozent der
Bevölkerung ausmachen und die Mehrheit der Bürger weiß ist.
Der Bürgermeister der Gemeinde nördlich der Metropole Dallas äußerte sich
„verstört und besorgt“ über den Vorfall, der Vater des 14-jährigen Mädc…
fordert Bürger via soziale Netzwerke dazu auf, bei der Polizei [7][die
Entlassung des Beamten zu fordern]. Seine Tochter gibt dem örtlichen
Ableger des Fernsehsenders Fox ein Interview, und der 15-jährige Brandon
Brooks, der das Video filmte, sagte [8][BuzzFeed]: „Mich haben die Cops
nicht mal angeguckt, es war, als wäre ich unsichtbar.“ Brooks selbst ist
weiß.
## Heroisiert und glorifiziert
Schwer verletzt wurde in McKinney niemand, die Polizei hat auf den Vorfall
reagiert und eine Untersuchung angeordnet. Warum dann diese Aufregung, und
warum wird gerade dieses Video im Netz nach oben gespült, könnte man sich
fragen. Jeder Vorfall dieser Art verdient und braucht eine Öffentlichkeit.
Es erscheint fast ermüdend, bei der Suche nach Erklärungen immer wieder bei
den Terroranschlägen vom 11. September 2001 anzukommen, doch sie haben
Amerikas Gesellschaft in vielen Bereichen nachhaltig verändert und das
betrifft auch die Rolle der Polizei.
Sie wurden, ähnlich wie die Einsatzkräfte der Feuerwehr, heroisiert und
glorifiziert. Das Klischee des Freundes und Helfers wurde erweitert durch
den Helden, der sich schützend vor eine in Angst erstarrende Gesellschaft
stellt. Mit der Glorifizierung jedoch ging auch der Freibrief einher, der
jedem Mann und jeder Frau in Uniform per se ausgestellt wurde. Eine Macht,
die nicht hinterfragt wurde und quasi nicht angreifbar war. Eines der
tragischsten Beispiele ist der Fall Michael Brown: [9][Ein Grand Jury
entschied im November 2014], kein Verfahren gegen den Polizisten Darren
Willson zu eröffnen, der Brown erschossen hatte.
Die Videos wie das aktuelle aus Texas helfen, dieses überhöhte Bild von den
uniformierten Helden aufzubrechen. In McKinney zeigt sich im Kleinen die
Aggressivität und auch die rassistischen Vorurteile, mit denen viele
Polizisten immer wieder ihren Dienst bestreiten. Mit jedem dokumentierten
Vorfall wird deutlicher, dass die amerikanische Gesellschaft die Debatte um
die Rolle der Polizei und ihre unkontrollierte Härte führen muss. Aber das
Bild der strahlenden Helden ist nicht leicht zu dekonstruieren. An jenem
Freibad in McKinney stand am Sonntag [10][ein Schild], auf dem der Polizei
gedankt wird: dafür, dass sie für die Sicherheit der Bürger sorge.
8 Jun 2015
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=R46-XTqXkzE
[2] http://mashable.com/2015/06/07/texas-cop-video/
[3] http://www.washingtonpost.com/news/morning-mix/wp/2015/06/07/new-video-show…
[4] http://www.mckinneytexas.org/CivicAlerts.aspx?AID=585
[5] /Erschossener-Jugendlicher-in-den-USA/!5035280
[6] /Ermittlungen-in-Baltimore/!5200732
[7] http://twitter.com/djvjgrrl/status/607688960089964544
[8] http://www.buzzfeed.com/davidmack/texas-police-officer-suspended-after-pull…
[9] /Todesschuesse-von-Ferguson/!5027833
[10] http://twitter.com/ZahidArabFox4/status/607672344618758144
## AUTOREN
Rieke Havertz
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