| # taz.de -- Nach dem Anschlag in Charleston: Die Holy City zeigt Einheit | |
| > Über 20.000 Menschen aller Hautfarben tragen in Charleston ihre Trauer | |
| > über die Opfer auf die Straße. Sie wollen sich nicht spalten lassen. | |
| Bild: Mehr als 20.000 Menschen jeder Hautfarbe bekundeten in Charleston ihre Tr… | |
| CHARLESTON taz | Charleston hat seinen Brückenmoment. Am Sonntag nach dem | |
| [1][Massaker in der Emanuel AME Kirche] bilden mehr als 20.000 Menschen | |
| eine Kette über die Ravenelbrücke. Bei Sonnenuntergang schließen sich die | |
| Reihen auf der Brücke und die Menschen halten sich an den Händen. Autos | |
| fahren hupend an den Leuten vorbei. Aus den offenen Fenstern klatschen die | |
| Autofahrer den Demonstranten Beifall. | |
| Hubschrauber von TV-Teams filmen sie aus der Luft. Dutzende Meter tiefer | |
| tuten Schiffe im Cooper-Fluss, der an dieser Stelle in den Atlantik mündet. | |
| Rick Reed hätte nie gedacht, dass er je so etwas in seiner Stadt erleben | |
| würde. Der 61-jährige Afroamerikaner ist in einer Zeit in Charleston | |
| aufgewachsen, als er nicht aus demselben Wasserhahn trinken durfte wie | |
| weiße Kinder. Ins Kino durfte er nur durch einen Hintereingang. Seine | |
| Schulzeit hat er in einer „All Black School“ begonnen. Erst nach 1967, mit | |
| der Schulintegration, sollte sich das ändern. | |
| Doch selbst danach gab es Zonen in seiner Stadt, die für Rick Reed tabu | |
| blieben – darunter die Gegend, wo die Ravenelbrücke beginnt. Postler Reed | |
| erzählt, dass an den Bäumen früher regelmäßig schwarze Männer aufgehängt | |
| wurden. „Dies war eine rassistisch motivierte Stadt“, sagt er. | |
| ## Eine bunte Menge | |
| Er lebt schon seit vielen Jahren 150 Meilen von Charleston entfernt. Aber | |
| an diesem Sonntag – zu dem Projekt „Bridge to Peace“ – musste er kommen. | |
| Den ermordeten Pastor und eine der Frauen unter den Toten hatte Reed | |
| persönlich gekannt. | |
| Und er will zeigen, wie wichtig ihm die Fortschritte sind, die seine Stadt | |
| gemacht hat. Er und seine Freundin Gwen sind im Auto nach Charleston | |
| gekommen. Jetzt jubilieren sie in der bunten Menschenmenge – alle | |
| Hautfarben und Altersgruppen sind vertreten– über den langen Weg, den sie | |
| in den letzten Jahrzehnten zurückgelegt haben. | |
| Noch vor 20 Jahren, ist Reed überzeugt, wäre der gemeinsame Weg über die | |
| Brücke unmöglich gewesen. Für ihn ist die Zeit reif, um den Dialog zwischen | |
| schwarz und weiß weiterzuführen und zu intensivieren: „Es gibt so viele | |
| Dinge, über die wir noch nie gesprochen haben.“ Reed will jenen, „die uns | |
| wieder spalten wollen“, keine Chance geben. | |
| ## Hassbriefe zur Hochzeit | |
| In der Menschenmenge auf der Brücke ist auch eine Frau mit einem | |
| rosafarbenen T-Shirt unterwegs, auf dem steht: „All lives matter“. Die | |
| afroamerikanische Lehrerin Sharon Williams, die im Lowcountry nördlich von | |
| Charleston unterrichtet, wird auf der Brücke immer wieder von gegenwärtigen | |
| und früheren Schülern gegrüßt. „Dass wir alle hier sind, zeigt, dass der | |
| Mörder keine Chance hat, uns gegeneinander aufzuhetzen“, sagt sie. | |
| Die Washingtons aus Tampa in Florida sind ein gemischtes Paar. Als der | |
| Afroamerikaner und die Euroamerikanerin vor drei Jahren zu ihrem | |
| Hochzeitsfest zurück in ihr heimisches South Carolina kamen, bekamen sie | |
| fünf Hassbriefe. Tammy Washington hat damals überlegt, zur Polizei zu | |
| gehen. Doch am Ende entschied sie sich für ihren eigenen Seelenfrieden. Und | |
| verbrannte die Briefe. | |
| Die beiden sind sieben Stunden mit dem Auto von Tampa nach Charleston | |
| gefahren, um auf der Brücke dabei zu sein. „Ich hoffe, dass nun endlich | |
| alle verstehen, dass wir in diesem Land ein Race-Problem haben“, sagt | |
| Wallace Washington: „Wir müssen es lösen.“ | |
| ## Überall Solidaritätsbekundungen | |
| Am selben Tag, an dem sich die weltliche Menschenkette über die Brücke | |
| bildet, zelebriert die Emanuel AME Kirche in Charleston ihren [2][ersten | |
| Gottesdienst ohne Pastor Clementa Pinckney]. Die Ermittler haben den | |
| Innenraum am Vortag verlassen und die Einschusslöcher unkenntlich gemacht. | |
| Gleichzeitig lassen andere Kirchen in Charleston am Sonntagmorgen ihre | |
| Glocken läuten. An den Fassaden vieler Häuser hängen überdimensionale | |
| Betttücher mit Bibelzitaten und anderen Sympathiebekundungen für die Opfer | |
| des Verbrechens. Und die Geschäftsleute von Charleston sammeln Geld für die | |
| Angehörigen der Opfer und deren Kirche. | |
| Die „holy city“ demonstriert Einheit. Sie will sich selbst und der Welt | |
| beweisen, dass sie „das Böse“ überwinden kann. Und dass ihr das ohne | |
| Plünderungen und Randale gelingt. „Dies hier ist [3][nicht Baltimore oder | |
| Ferguson]“, sagten die Charlestonians. | |
| 22 Jun 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rassistische-Morde-in-Charleston/!5205047 | |
| [2] /Nach-dem-Anschlag-von-Charleston/!5205409 | |
| [3] /Kommentar-Ferguson/!5027812 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| USA | |
| Schwerpunkt Waffen in den USA | |
| North Charleston | |
| Ferguson | |
| Südstaaten | |
| Südstaaten | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Ferguson | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nach dem Tod von Michael Brown: Ferguson erhält schwarzen Polizeichef | |
| Im August 2014 wurde der schwarze Teenager durch die Waffe eines weißen | |
| Polizisten getötet. Nun setzt die US-Kleinstadt auf einen Wandel innerhalb | |
| der Polizei. | |
| Alltagsrassismus in den USA: Ist doch alles nicht so gemeint | |
| South Carolinas Gouverneurin will die Konföderierten-Flagge verbannen. | |
| Schön für sie. Aber es braucht ein viel umfassenderes Umdenken. | |
| Konsequenzen aus Charleston: Die Flagge soll verschwinden | |
| Unter der Konföderiertenflagge kämpften die Südstaaten einst um die | |
| Sklaverei. Nun soll sie nicht mehr am Kapitol in South Carolina wehen. | |
| Kommentar Konsequenzen aus Charleston: Kosmetik hilft nicht | |
| Auf Bedrohungen von außen reagieren die USA entschlossen. Sich seinen | |
| inneren Problemen zu stellen, scheint das Land nicht fähig zu sein. | |
| Rassistische Morde in Charleston: „Ich werde einen Haufen Leute töten“ | |
| Dylann Roof erschoss in einer Kirche in Charleston neun Schwarze. Nun | |
| werden immer mehr Details über den Täter bekannt. | |
| Attentat in South Carolina: Terror in der Kirche | |
| Ein weißer Attentäter hat mehrere Menschen einer schwarzen Gemeindekirche | |
| getötet. Die Polizei spricht von einem Verbrechen aus Hass. | |
| Polizeigewalt in den USA: Helden vom Sockel stoßen | |
| Ein Polizist richtet seine Waffe auf unbewaffnete Jugendliche. Das Video | |
| empört – und zeigt, dass das Bild von Beamten korrigiert werden muss. | |
| Kommentar Ferguson: Die nicht gehört werden | |
| Es war zu erwarten, dass die Jury die Anklage gegen den Polizisten ablehnt, | |
| der die Todesschüsse abgegeben hat. Genau das macht den Frust aus. |