# taz.de -- Alltagsrassismus in den USA: Ist doch alles nicht so gemeint | |
> South Carolinas Gouverneurin will die Konföderierten-Flagge verbannen. | |
> Schön für sie. Aber es braucht ein viel umfassenderes Umdenken. | |
Bild: Da kann auch ein Hund nichts mehr retten: die Flagge der Konförderierten | |
Ist das jetzt reine Politkosmetik? Ein überfälliger Schritt, der unter | |
Druck endlich zustande kommt? Oder hat South Carolinas konservative | |
Gouverneurin Nikki Haley tatsächlich etwas begriffen? [1][Am Montag | |
jedenfalls kündigte sie an, die Flagge der Konfödierten zukünftig nicht | |
mehr vor dem Capitol haben zu wollen.] Angesichts der Bluttat von | |
Charleston, sagte Haley, gelte die Flagge manchen jetzt als „zutiefst | |
beleidigendes Symbol“. | |
Was eigentlich dachte Haley bisher, was die Flagge sei? Zumindest für alle | |
AfroamerikanerInnen war die Fahne der Sklavenhalterstaaten nie etwas | |
anderes als ein „zutiefst beleidigendes Symbol“. Offenbar mussten erst | |
Menschen sterben, damit das auch eine republikanische Gouverneurin | |
versteht. | |
Die Fahne abzuhängen und „ins Museum zu verbannen“, wie es jetzt allerorten | |
gefordert wird, ist überfällig. Auch dass die Walmart-Kette keine Produkte | |
mehr verkaufen will, auf denen das Südstaatensymbol aufgedruckt ist, ist | |
schön. Aber all das greift ganz offensichtlich zu kurz. Damit ist nicht | |
gemeint, dass jetzt alle Straßen umbenannt werden müssen, die die Namen | |
großer Sklavenhaltergeneräle des Bürgerkriegs tragen. Das muss auch. | |
Worum es eigentlich geht, ist etwas anderes. Die weiße | |
Mehrheitsgesellschaft muss begreifen, dass sie sich auch um ihrer selbst | |
willen von der „Ist doch nicht so gemeint“-Argumentation verabschieden | |
muss. Sonst wird Rassismus ein prägendes Moment bleiben. Auch dann noch, | |
wenn irgendwann niemand mehr wissen wird, was mit dem N-Wort gemeint war, | |
alle Straßen die Namen ermordeter BürgerrechtlerInnen tragen und die | |
Südstaatenflagge wirklich nur noch im Museum zu besichtigen ist. | |
## Das war doch nur ein Psychopath – oder? | |
Wer die Struktur des „White Privilige“ thematisiert, erntet nach wie vor | |
die ätzenden publizistischen Breitseiten der konservativen Medien- und | |
Politmaschinerie. Nach wie vor weigert sich die Mehrheitsgesellschaft, die | |
so eindeutigen Kontinuitätslinien von der Sklaverei bis zur Polizeigewalt | |
und dem Attentat auf die Emanuel Church anzuerkennen. Schlimm, heißt es da, | |
aber das war ja nun ganz offensichtlich ein einzelner Psychopath. | |
Im Übrigen gäbe es halt auch viel mehr kriminelle Schwarze – sieht man ja | |
an den Gefängnissen. Und die meisten Schwarzen würden nicht von der Polizei | |
umgebracht, sondern von anderen Schwarzen. Außerdem: Wenn die halt alle | |
Drogen nehmen und klauen und nicht darauf achten, dass ihre Kinder | |
vernünftig zur Schule gehen, und wenn die dann keine guten Jobs bekommen – | |
da können doch die Weißen nichts dafür! | |
Die Konföderiertenfahne über dem Capitol war insofern der ehrliche Ausdruck | |
einer weißen Gesellschaft, die zutiefst verinnerlicht hat, dass sie nach | |
wie vor den Maßstab für Identität setzt, an den sich Schwarze vielleicht – | |
bei guter Führung und wenn wir tolerant sind – heranrobben können, diesen | |
aber nie erreichen. | |
Seit Barack Obama Präsident ist, ist die Tea Party zur bestimmenden | |
politischen Kraft der Republikaner geworden. Ihr Ruf „We want our country | |
back“ kann gar nicht anders als rassistisch verstanden werden. Natürlich | |
betonen sie stets, so sei das nicht gemeint. So wie auch die Verteidiger | |
des N-Wortes in Kinderbüchern, der Beibehaltung der „Mohrenstraße“ in | |
Berlin oder eben die Traditionswahrer der Konföderiertenflagge sagen, das | |
sei doch nicht so gemeint, und gegen die Diktatur der Political Correctness | |
wettern. Man ist ja kein Rassist, aber … | |
Der Mörder von Charleston hat sich von all diesen Beteuerungen nicht | |
verwirren lassen. Er hat verstanden, wie es gemeint ist, nur gemeint sein | |
kann. Und getan, was er meinte tun zu müssen. | |
23 Jun 2015 | |
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[1] /Konsequenzen-aus-Charleston/!5206108 | |
## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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