Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Polizeigewalt in den USA: Nicht ohne Smith & Wesson
> Die USA haben ein offensichtliches Rassismusproblem. Genauso
> problematisch ist die Selbstverständlichkeit, Waffen zu tragen.
Bild: Ein Produkt der Firma Smith & Wesson
Walter Scott, Afroamerikaner, von hinten erschossen von einem weißen
Polizisten. Michael Brown, Afroamerikaner, auf der Straße erschossen von
einem weißen Polizisten. Trayvon Martin, Afroamerikaner, erschossen von
einem Nachbarschaftswachmann.
Sie alle sind Opfer eines Rassismus, den viele in den USA nicht wahrhaben
wollen, der jedoch allgegenwärtig ist. Und zwischen den Schüssen schreitet
Präsident Obama über eine Brücke in Selma, auf der Sicherheitskräfte 50
Jahre zuvor mit Knüppeln gegen schwarze Bürgerrechtler vorgingen, und
spricht pathetisch über jene, die damals für die Gleichberechtigung
gekämpft hatten. Eine Gleichberechtigung, die erneut niedergestreckt wird.
Aber nur über Rassismus zu sprechen reicht nicht, um der Gewalteskalation
zu begegnen. Amerika hat ein Rassismusproblem, das öffentlich gemacht
werden muss. Aber die aktuellen Fälle zeigen ein weiteres, tiefgreifendes
Problem in der amerikanischen Gesellschaft: die Waffengewalt und den
Waffenfanatismus, die zu immer weiteren Eskalationen führen.
Das Recht auf eine eigene Waffe und die Pflicht, sich selbst, die Familie
und den Besitz zu verteidigen, sind so fest mit der amerikanischen Idee
verbunden wie die abgedroschene Phrase der unbegrenzten Möglichkeiten in
einem freien Land. Und sind die Möglichkeiten längst nicht mehr unbegrenzt
und Minderheiten von Aufstiegschancen oft ausgeschlossen, sind die
Optionen, eine Waffe zu kaufen, grenzenlos. Selbst in Bundesstaaten, die
vergleichsweise strikte Waffengesetze haben, ist eine gebrauchte Knarre für
100 Dollar zu haben. Auf Waffenmessen werden halb automatische Pistolen aus
dem Rucksack verkauft. Ohne weitere Fragen.
## Aggressivität statt Besonnenheit
In einer immer ängstlicher werdenden Gesellschaft ist eine Waffe die
Antwort auf alle Gefahren: den Nachbarn, den IS, Drogengangs. Einzelne
Universitäten überlegen gar, ihre Waffenverbote auf dem Campus zu lockern,
damit sich Studentinnen gegen potenzielle sexuelle Übergriffe wehren
können. Die Smith & Wesson als wahre Allzweckwaffe. Da kann es nicht
überraschen, dass auch Polizisten immer schneller ihre Dienstwaffe ziehen.
Beamte sollten Situationen besonnen beurteilen und defensiv agieren. Doch
je nach Bundesstaat liegen nur wenige Wochen Ausbildung vor der
eigentlichen Polizeiarbeit. Wenn die Beamten dann schwer bewaffnet auf die
Straßen geschickt werden, auf denen geschätzte 300 Millionen Waffen in
Privatbesitz in Umlauf sind, dominieren Aggressivität und Unsicherheit.
Doch mit Waffen ist es ähnlich wie mit Religion, Politik oder Geld: Darüber
spricht man nicht. Diese weit verbreitete Etikette gilt zwar nicht mehr für
linke, intellektuelle Kreise an Ost- und Westküste – aber in elitären
Zirkeln ein Problem zu diskutieren verändert den Alltag auf der Straße
nicht. Das vermag nur eine breite Debatte – und politisches Handeln. Aber
vor allem Republikaner stellen sich nicht gegen die mächtige Waffenlobby
National Rifle Association, NRA. Diese pumpt Geld in die Wahlkämpfe der
Konservativen. Und sie hat den Waffenbesitzern über Jahrzehnte erfolgreich
eingeredet, dass jede gesetzliche Einschränkung die Gefahr erhöht, dass der
Staat dem aufrechten Bürger seine Waffe nimmt. Dagegen wird sich kein
Republikaner in einem konservativen Wahlkreis stellen, das wäre politischer
Selbstmord.
Selbst wenn Kinder an einer Schule sterben: Immer ist lediglich der irre
Täter schuld. Warum also über Waffengesetze reden, wenn Polizisten ein paar
Afroamerikaner erschießen? Das regt nur die Lobby und die Stammwähler auf.
Selbst Demokraten verlegen sich lieber auf Themen wie Mindestlohn,
Einwanderung und Gleichstellung – damit sind auch in linken Kreisen eher
Stimmen zu holen. Solange die Gesellschaft ihr Waffenproblem negiert, wird
sie weiter damit leben müssen, dass unschuldige Amerikaner auf der Straße
sterben.
11 Apr 2015
## AUTOREN
Rieke Havertz
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
USA
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Waffen
Schwerpunkt Waffen in den USA
Waffenlobby
Schwerpunkt Waffen in den USA
George Zimmerman
Schwerpunkt Waffen in den USA
USA
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Waffen in den USA
Schwerpunkt Rassismus
USA
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
North Charleston
Ferguson
USA
USA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Im Norden steigt das Sicherheitsbedürfnis: Brüder, zu den Waffen
Seit der Silvesternacht von Köln haben sich deutlich mehr Menschen einen
Waffenschein besorgt als noch in den Vormonaten. Eine irrationale Angst
treibt sie um.
Waffen in den USA: Wild-West-Zeiten in Texas
Seit dem Ende des Bürgerkriegs dürfen in Texas Pistolen nicht mehr offen
getragen werden. Bis jetzt. Und Obama plant einen Alleingang für mehr
Waffengesetze.
Rassistische Gewalt in den USA: Schütze prahlt mit Bild der Leiche
Vor drei Jahren erschoss George Zimmerman in Florida den jungen
Afro-Amerikaner Trayvon Martin. Nun twitterte er ein Bild der Leiche.
Kommentar Waffengewalt in den USA: Den Horror liken
Mit jeder Schießerei stumpft die Gesellschaft weiter ab, Sensationslust
wird normal, ein Video ist schnell geteilt. Über Waffengesetze reden? Warum
denn.
Leiter der American Academy in Berlin: Der Wannsee ist kein Ozean
Der ehemalige Stanford-Präsident Gerhard Casper leitet nun die American
Academy in Berlin. Eine Begegnung im Haus Cramer.
Video von Polizeigewalt in Texas: US-Polizist quittiert den Dienst
Er zog seine Waffe und zwang ein Mädchen aggressiv auf den Boden: Ein
Polizist, der wegen übermäßiger Gewalt in der Kritik stand, gibt seinen Job
auf.
Polizeigewalt in den USA: Helden vom Sockel stoßen
Ein Polizist richtet seine Waffe auf unbewaffnete Jugendliche. Das Video
empört – und zeigt, dass das Bild von Beamten korrigiert werden muss.
Neues Waffengesetz in Texas: Mit der Waffe im Hörsaal
Bald dürfen in Texas StudentInnen und ProfessorInnen verdeckt Schusswaffen
tragen. Sie sollen die Universitäten sicherer machen.
Polizeigewalt in Baltimore: Tausende zu verletzt für Haft
Das Gefängnis von Baltimore hat sich regelmäßig geweigert, Verdächtige
aufzunehmen, weil sie zu verletzt waren. Offenbar hatte die Polizei die
Verletzungen ignoriert.
US-App gegen Polizeigewalt: Filmen, Melden, Anzeigen
Eine App der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU filmt und dokumentiert
Polizeiübergriffe. Sie soll BürgerInnen helfen, sich dagegen zu wehren.
Polizeigewalt in den USA: Genickbruch, weil er rannte
Schon wieder ist in den USA ein Schwarzer von der Polizei getötet worden.
Sein Anwalt bezeichnet die Festnahme, bei der der Mann tödlich verletzt
wurde, als unbegründet.
Kommentar South Carolina: Gefährliche Schutzmacht
Erneut ist ein Schwarzer von einem Polizisten erschossen worden. Wegen
eines Handyvideos als Beweis kam es zur Festnahme. Das ist nicht die Regel.
Polizeigewalt in den USA: Wie erlegtes Wild am Boden
Ein weißer Polizist erschießt einen schwarzen Mann. Dank eines Videos wird
der kaltblütige Hergang klar. Der Polizist wird wegen Mordes angeklagt.
US-Gewaltdebatte nach Ferguson: Gut? Böse? Bewaffnet!
Woher rührt die Eskalation der Gewalt in einem Land, das den
Freiheitsgedanken in seinen Grundfesten trägt? Waffen sind Teil der
US-Identität.
Waffen-Eldorado USA: Mit Gott und der Glock
Schweine werden vom Helikopter aus getötet, die 9mm-Pistole liegt in der
Bibel und Gewehre werden offen getragen: eine Reise durch Texas.
Waffenlobby vor der US-Wahl: Alles mit Gewehr
Mit der Pistole ins Café: Viele Amerikaner betrachten das als Grundrecht.
Politikerin Robin Kelly will das ändern. Ein Lobbyist versucht deshalb, sie
loszuwerden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.