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# taz.de -- Revival des Literarischen Quartetts: Ein Betrieb kreist um sich sel…
> Aus Marketingsicht ist das Revival gut für die Branche. Doch es wird
> nicht dazu beitragen, Literatur differenziert zu besprechen.
Bild: Die Neuauflage: Maxim Biller (links), Christine Westermann und Volker Wei…
BERLIN taz | Aus der Verlagsszene sind nach der Entscheidung, [1][das
„Literarische Quartett“ zu revitalisieren], hoffnungsfrohe Stimmen zu
vernehmen. Da ist die Pressesprecherin eines mittelgroßen Verlages, die am
Telefon das Wort von einer „Renaissance des Buches“ in den Mund nimmt.
Immerhin werde mit der Sendung in der Öffentlichkeit nun noch mehr über
Bücher geredet. Und da ist der Lektor eines anderen Verlages, der in den
sozialen Medien von einem „guten Tag für die Buchbranche“ spricht.
Aus Marketingsicht ist die gute Laune auch bestimmt berechtigt. Die
Möglichkeiten, Buchkampagnen zu lancieren, haben sich für die Verlage
immerhin wieder etwas erweitert. Junge Autorinnen und Autoren können sie
nach Klagenfurt zum Vorlesewettbewerb des Bachmannpreises begleiten.
Fertige Romane können sie bei den Buchpreisen zur Frankfurter oder
Leipziger Buchmesse einreichen. Und nun wird es also wieder eine Sendung im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen geben, der man unbedingt die Fähigkeit
zutrauen kann, Bestseller zu produzieren. Aber, mit Verlaub, nicht immer
sind die Interessen von LeserInnen deckungsgleich mit den
Marketinginteressen der Verlage.
In die Selbstverständnisdebatten, die rund um die Literaturkritik zuletzt
stattgefunden haben, passt die Neuauflage dieser Sendung zunächst sogar
allzu gut hinein. So hat Jörg Sundermeier, Kleinverleger des
Verbrecher-Verlages (und taz-Autor), kürzlich [2][im Branchenblatt
Buchmarkt ein Interview gegeben], das landauf, landab auf Literaturseiten
und in Büchersendungen im Radio kolportiert wurde.
## Die „Sundermeier-Debatte“
Sundermeier hatte auf den Rückgang von Buchbesprechungen in den
überregionalen Tageszeitungen hingewiesen. Seine These vom tendenziellen
Verschwinden der Literaturkritik wurde so begierig aufgegriffen, dass sein
begleitender Hinweis meist herunterfiel. Die Buchkritiken, die es noch
gebe, hatte Sundermeier noch gesagt, seien auch gar nicht mehr so
kenntnisreich und sorgfältig wie früher verfasst.
Diese „Sundermeier-Debatte“ hat der Redakteur der
Intellektuellenzeitschrift Merkur Ekkehard Knörer (ebenfalls taz-Autor) in
der aktuellen Ausgabe seiner Zeitschrift nachgezeichnet und durch ein
Porträt des Literaturkritikers Hubert Winkels ergänzt ([3][Leseprobe als
PDF]). Porträtiert wird da ein Literaturfunktionär, der so sehr beschäftigt
ist, in Jurys, auf Podien, als Moderator von Lesungen, dass er selbst nur
noch zwischendurch zum Lesen komme. Ob das nun stimmt oder nicht (meiner
Erfahrung nach liest Winkels oft sehr genau): Ein Betrieb, der in sich
selbst kreist, und eine Konzentration auf einige wenige Bücher im Jahr,
während die Vielfalt aus dem Wahrnehmungsraster fällt - das sind in der Tat
zwei Kernthemen, die den Literaturbetrieb wie ein ständiges
Selbstreflexionsgemurmel derzeit begleiten.
Mit dem neuen „Literarischen Quartett“ wird dieses Gemurmel nun nicht
leiser werden. Denn natürlich wird die Sendung ein Teil des Betriebs sein -
auch wenn Weidermann, Westermann und Biller gerne mit
Anti-Literaturbetriebs-Posen aufwarten. Und mit den geplanten sechs
Sendungen im Jahr zu vielleicht jeweils fünf Romanen wird Vielfalt kaum
abzubilden sein. Soll sie ja wohl auch gar nicht.
## Zweiteilung der Literaturkritik
Allerdings ist das neue „Literarische Quartett“ nun ganz gewiss kein Anlass
für Schwanengesänge. Interessant wäre vielmehr eine weitere
Selbstverständnisdebatte - eine, die Literatur und Kritik nicht pauschal
verteidigt oder in Frage stellt, sondern Differenzierungen vornimmt.
Auffällig jedenfalls ist eine Zweiteilung der gegenwärtigen
Literaturkritik. Unglaublich gut ist sie darin, aus dem riesigen Angebot
jedes Jahr mit großer Geschwindigkeit hundert Romane zu identifizieren,
über die es zu reden und zu streiten, die es zu lesen lohnt. Aber sie ist
nicht mehr so gut darin, sich die Romanproduktion dann vielleicht ein Jahr
später noch einmal anzusehen, Bezüge herzustellen, mit etwas Abstand
Entwicklungen in den Themen und Schreibweisen zu erörtern und, auch das,
die eigenen Kriterien zu hinterfragen.
Bei dem Spiel, immer neue Buchtitel in die Welt zu pusten, wird das
„Quartett“ ab Oktober bestimmt kräftig mitmischen. Bei der
Differenzierungs- und Reflexionsarbeit aber wird es, davon ist auszugehen,
auch nicht helfen. Diese Arbeit aber ist wichtig. Es gibt auf Dauer keine
lesbaren Bücher ohne sie.
29 May 2015
## LINKS
[1] /Literaturkritik-im-Fernsehen-reloaded/!5201485/
[2] http://www.buchmarkt.de/content/61191-joerg-sundermeier-die-literaturkritik…
[3] http://www.volltext.online-merkur.de/?m=d&link=%2Fdaten%2Fwww.online-me…
## AUTOREN
Dirk Knipphals
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