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# taz.de -- Gauck würdigt literarische Übersetzer: Wir können einander verst…
> Bundespräsident Gauck empfing am Mittwoch Übersetzer im Schloss Bellevue.
> Als Anerkennung für ihre Arbeit – die oft unsichtbar ist.
Bild: Moderator Denis Scheck mit Terezia Mora und Péter Esterházy im Schloss …
Ein tiefes Seufzen ging durch den großen Saal von Schloss Bellevue mit
seinen Kronleuchtern und seinem glänzendem Parkett. „Je besser man seine
Arbeit macht, desto unsichtbarer wird man“, hatte Leila Chammaa,
Übersetzerin aus dem Arabischen, gerade gesagt und damit vielen der
Anwesenden aus dem Herzen gesprochen.
Der Saal im Amtssitz des Bundespräsidenten in Berlin war voller
literarischer Übersetzer, Dolmetscher und Hintergrundarbeiter des deutschen
Übersetzerwesens, bestimmt 400 Menschen. Viele von ihnen hatten sich tief
verstanden gefühlt in ihrem Schicksal, zwar wichtig zu sein für die
Vermittlung fremdsprachiger Literatur, aber dafür nicht wahrgenommen zu
werden.
Doch dann ergriff Rosemarie Tietze das Wort und sah das anders. Spätestens
seit ihrer gefeierten Übersetzung von Tolstois „Anna Karenina“ ist Tietze
eine Art Star der deutschen Übersetzerszene. So etwas wie Duldhaftigkeit
wollte sie ihren Kolleginnen und Kollegen nicht durchgehen lassen. Es sei
ein Fehler der Übersetzer, sagte sie, wenn sie sich selbst als unsichtbar
darstellen. Stattdessen betonte sie die schöpferischen Aspekte des
Übersetzens und sagte: „Eine gute Übersetzung ist es dann, wenn es das Werk
der Übersetzerin selbst ist.“
Mit diesen beiden Sätzen, dem von Leila Chammaa und dem von Rosemarie
Tietze, ist die ambivalente Gemütslage der deutschen Übersetzerinnen und
Übersetzer gut abgebildet, zwischen Melancholie und einem
Selbstbewusstsein, das tatsächlich angebracht ist.
Nicht nur was die schiere Menge angeht, von der Anzahl übersetzter Bücher
ist der deutsche Sprachraum der größte Übersetzungsmarkt der Welt. Sondern
auch in Bezug auf die Qualität. Schließlich gibt es eine Fülle
meisterlicher Übersetzungen. Man braucht nur an „Unendlicher Spaß“ von
David Foster Wallace zu denken. Auch sein Übersetzer Ulrich Blumenbach war
im Schloss Bellevue dabei.
## Übersetzung als Kunst
Der Bundespräsident hatte an diesem Mittwoch zu einem „Abend zur Würdigung
der Kunst des literarischen Übersetzens“ geladen, so der etwas
umständliche, aber auch schöne Titel, der das literarische Übersetzen als
Kunst eigenen Rechts würdigte.
Es war ein würdiger Abend in dieser Staatskulisse, an dem Joachim Gauck
seine präsidiale Funktion, gesellschaftliche Anerkennung zu geben,
überzeugend und auch mit freundlicher Lockerheit ausfüllte. Die Rede, die
er am Beginn hielt, war klug. Aus der Tatsache, dass es überhaupt
Übersetzer gibt, leitete er den Satz ab: „Wir können einander verstehen.“
Dem gab er, ohne das zu überziehen, einen leichten Spin gegen Theorien von
einem Kampf der Kulturen. Mit selbstironischer Anspielung auf seine
Pastorenvergangenheit deutete er das Pfingstfest mit seiner Lehre vom
friedlichen Nebeneinander verschiedener Sprachen als Revision der Stelle
vom Turmbau zu Babel im alten Testament, an der Mehrsprachigkeit noch als
Durcheinander gewertet worden war. Und er kam auf die prekäre finanzielle
Lage vieler Übersetzer zu sprechen, die Gauck bedauerte, weil sie dem
gesellschaftlichen Verdienst, den Übersetzer hätten, keinen Ausdruck geben
würde.
## Kein literaturkritischer Diskurs, aber unterhaltsam
Péter Esterházy las aus seinem Roman „Harmonia Caelestis“ und Terézia Mo…
ihre Übersetzung dieser Stelle. Neben Rosemarie Tietze und Leila Chemmaa
saß der Shakespeare-Übersetzer Frank Günther auf dem Podium. Der Lyriker
Jan Wagner trug seine Übersetzung von Kevin Youngs Gedicht „Errata“ vor und
die italienische Übersetzung seines eigenen Gedichts „Koalas“.
Zwischendurch musikalische Untermalung.
Nun gut, das war weder Subkultur, noch ernsthafte Übersetzertagung, noch
literaturkritischer Diskurs. Aber unterhaltsam.
Erkennbar hat das Bundespräsidialamt sich bei dem Programm große Mühe
gegeben. Wie Joachim Gauck in seiner Rede selbst betonte, steckte seine
Lebensgefährtin Daniela Schadt als Anregerin und Motor dahinter. Bis nach
Mitternacht konnte man beide noch im angeregten Gespräch mit vielen
Übersetzerinnen und Übersetzern sehen. Mehr als ein hochoffizielles
Schulterklopfen war nicht drin, wie denn auch, bei so einem Anlass.
Man muss so einen Abend nicht überbewerten, aber immerhin hatte die
Übersetzerszene jetzt, im übertragenen Sinn, ihre 15 Minuten
staatsoffiziöser Anerkennung.
In unserer Wochenendausgabe finden Sie ein Interview mit Dirk van
Gunsteren, der u. a. Thomas Pynchon ins Deutsche übersetzt.
28 May 2015
## AUTOREN
Dirk Knipphals
## TAGS
Joachim Gauck
Schloss Bellevue
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