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# taz.de -- Forscher über Proteste und Social Media: Facebook will kein Revolu…
> Ist Facebook der Star der arabischen Revolten? US-Netzforscher Ethan
> Zuckerman spricht mit der taz über den Einfluss sozialer Medien und die
> Kunst des Zuhörens.
Bild: Das Netz kann die Stimmen der Revolution verbreiten.
taz: Bei den Revolutionen in Tunesien und Ägypten wird Facebook und anderen
sozialen Netzwerken eine der Hauptrollen zugeschrieben. Stimmen Sie zu?
Ethan Zuckerman: Sie spielen eine Rolle, aber keine Hauptrolle. Der
Ursprung dieser Proteste sind über viele Jahre gewachsene wirtschaftliche
und politische Frustrationen. Sie haben sich in der Region größtenteils
über Satelliten-Fernsehen verbreitet, insbesondere über al-Dschasira. Die
Stars sind die Organisatoren, die es geschafft haben, den Protest
größtenteils friedlich zu organisieren und auf einen wirklichen Wandel zu
setzen. Und die Stars sind die normalen Menschen, die mutig genug waren,
auf die Straße zu gehen. Soziale Medien spielen dabei eine bedeutende
Rolle, aber sie ins Zentrum des Ganzen zu rücken, ist ein Fehler.
Wie äußert sich dieser Einfluss konkret?
Klare Belege für den Einfluss sozialer Medien gibt es bei den Protesten in
Tunesien. Sidi Bouzid ist eine kleine Stadt mit nur 40.000 Einwohnern und
ziemlich isoliert vom Rest des Landes. Die tunesischen Medien haben nicht
über die Proteste berichtet und Journalisten wurden davon abgehalten,
dorthin zu reisen. Also verbreitete sich der Protest zunächst über
Facebook, dann wurde er von al-Dschasira aufgegriffen und so einem
breiteren Publikum zugänglich gemacht.
Ohne Facebook wäre es sehr wahrscheinlich gewesen, dass sich der Protest
nicht über die Stadtgrenzen hinaus verbreitet hätte. Aber ich glaube, dass
al-Dschasira das Medium war, über das die meisten Menschen mit dem Thema in
Berührung gekommen sind und nicht direkt über Facebook.
Und wie zeigt sich der Einfluss in Ägypten?
Dort ist es komplizierter. Es gibt einige Belege dafür, dass soziale Medien
dazu beigetragen haben, den anfänglichen Protest am 25. Januar und den
folgenden Tagen zu organisieren. Aber das die Proteste weitergingen, auch
nachdem das Internet zeitweise abgeschaltet wurde, legt nahe, dass es ein
Fehler ist, dem Internet als Organisationsmacht zu viel Anerkennung zu
geben. Interessant ist jedoch, dass sich Facebook als ein Medium
herausgebildet hat, in dem die Jugend zu ihrer politischen Meinung befragt
wird und diese Ideen durch Einzelne wie Wael Ghonim zu Gesprächsstoff wird.
In Ihrer Arbeit konzentrieren Sie sich auf den Einfluss von Technik und
Medien in Schwellen- und Entwicklungsländern. Wie messen Sie diesen
Einfluss? Wie kann der Einfluss von Facebook gemessen werden in Bezug auf
all das, was sich innerhalb privater Profile abspielt?
Ich suche sowohl nach Anekdoten als auch nach Datenmaterial. Es ist
hilfreich, Geschichten zu hören, etwa wie ein Demonstrant Menschen über
Facebook zum Mitmachen bewegt. Aber man muss auch kontrollieren, wie sehr
das Internet und Facebook als Instrument ein Land bereits durchdrungen
haben. Sind diese Zahlen sehr klein, ist es wenig sinnvoll anzunehmen, dass
diese Technologien in der Lage sind, Massen zu bewegen. Dennoch: Sie können
wichtig für eine kleine, einflussreiche Gruppe von Menschen sein.
Finden Tweets und Facebook-Posts eine Rückkopplung in den klassischen
Medien?
Ich denke, Fernsehanstalten sind sehr abhängig von sozialen Medien wenn sie
keine Chance haben, von vor Ort zu berichten. So erging es al-Dschasira in
Tunesien und den meisten Fernsehanstalten während der Proteste im Iran
2009. Die Möglichkeit der Fernsehsender, diese Stimmen zu verstärken, ist
extrem wichtig.
[1][Facebook selbst hält sich sehr bedeckt,] wenn es um den eigenen
Einfluss bei den Aufständen geht. Warum?
Facebook hätte gerne auf der ganzen Welt Nutzer. Wenn es aber als eine
Plattform wahrgenommen wird, die Revolutionen anfacht, wird es für das
Unternehmen sehr schwer, die Regierungen Chinas oder Vietnams davon zu
überzeugen, Sperren gegen das Netzwerk aufzuheben. Ich denke, das
Unternehmen versucht, dem Image von Facebook als eine Plattform für
Aktivisten zu entkommen und eher den Standpunkt zu vertreten, dass Technik
neutral ist.
Wie bewerten Sie den Einfluss andere sozialer Medien wie Twitter und
YouTube?
Twitter ist sehr nützlich für Leute wie mich, die abhängig sind von
konstanten Live-Informationen vom Ort des Geschehens. Glücklicherweise sind
Abhängige wie ich nicht die Regel, denn ich denke, dass die Berichte von
Twitter – die oft widersprüchlich und fehlerhaft sind – nicht für jederma…
gemacht sind. Twitter ist hilfreich, weil es eine starke mobile Plattform
ist. Dennoch ist das Publikum sehr viel kleiner als bei YouTube oder
Facebook. YouTube ist eine wichtige Fundgrube für Online-Videos geworden
und sie sind die wohl fesselndste Form, um die Geschichten des Protests zu
erleben.
Wo liegen für Facebook die Herausforderungen der Aufstände?
Facebook steht vor der Herausforderung, dass Aktivisten die Plattform
nutzen und das Unternehmen offiziell nur Profile mit richtigen Namen
zulässt. Doch für Aktivisten kann es sehr gefährlich sein, ihren richtigen
Namen zu verwenden. Facebook sollte diese Richtlinie überdenken. Das
Unternehmen sollte darüber nachdenken, einen Vertrauensmann zu benennen,
der auf Situationen reagieren kann, in denen ein Profil oder eine Gruppe
abgeschaltet wird, weil ihr Administrator anonym ist.
Und wo liegen die Chancen?
In der Werbung. Unternehmen, die helfen, im Netz das freie Wort zu schützen
und Aktivisten unterstützen, bekommen viel Anerkennung.
Welche Rolle werden Technologien und soziale Medien in Zukunft in
Schwellen- und Entwicklungsländern spielen?
Öffentlicher Protest wird grundsätzlich durch Medien ermöglicht. Das
derzeitige Medienumfeld besteht aus klassischen und Online-Medien. Die
neuen Medien ermöglichen es Demonstranten und Aktivisten potenziell, ihre
Stimmen global zu verbreiten. Ob diese Eigenschaft zu wirklichem Wandel
führt, hat sehr viel damit zu tun, welche Aufmerksamkeit wir als Einzelne
und als Medien-Verstärker diesen Stimmen geben. In Ägypten haben wir sehr
gut zugehört. Aber wie ist es mit dem Jemen? Algerien? Bahrain? Wenn wir
nicht zuhören, nützt es auch nichts, die Stimmen dieser Länder über Medien
zu verstärken.
17 Feb 2011
## LINKS
[1] http://www.nytimes.com/2011/02/15/business/media/15facebook.html?scp=3&…
## AUTOREN
Rieke Havertz
Rieke Havertz
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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