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# taz.de -- Dossier Arabische Revolution: Der Rapper, der Ben Ali Angst einjagte
> Hamada Ben Amor, alias El General, ist die Stimme der Revolution in
> Tunesien. 60.000 Fans hat der schüchterne Pharmaziestudent auf Facebook.
Bild: "Rap ist eine Waffe, und in der Revolution haben wir eingesetzt, was wir …
MADRID taz | Das ist also der junge Mann, der Tunesiens Mächtigen Angst
gemacht hat. Ein ruhiger, fast schüchterner 22-Jähriger aus Sfax, der
zweitgrößten Stadt Tunesiens. Tagsüber ist Hamada Ben Amor, der sich nie
von seiner Baseballmütze trennt, Pharmaziestudent. In seiner freien Zeit
ist er El General, der bekannteste Rapper des Landes und die Stimme der
Jugendrevolte, die am 14. Januar das Regime von Präsident Zine El Abidine
Ben Ali zum Stürzen brachte.
"Rayes Lebled" - "Der Chef meines Landes" - heißt sein in Dialektarabisch
gesunges Lied, das viele in den Tagen der Revolution ständig hörten. Wie
einst der französische Liedermacher Boris Vian während des Indochinakrieges
richtet sich El General an "Monsieur le Président", um diesem ins Gesicht
zu schreien, was alles falsch läuft im Land.
"Herr Präsident, ich richte mich heute an Sie, in meinem Namen und im Namen
des Volkes, das leidet. Wir schreiben 2010 und noch immer sterben Menschen
an Hunger. Sie wollen für ihren Lebensunterhalt arbeiten, aber ihre Stimme
wird nicht gehört", klagt El General an. "Ben Ali sollte einfach nicht mehr
sagen können, er wisse von nichts", erklärt der junge Tunesier im Gespräch
mit der taz seine Motive.
## Es geht um die Angst
Seinen Rap veröffentlichte er Ende vorigen Jahres auf Facebook, just an dem
Tag, der dem tunesischen Regime heiliger war als jeder andere: Der 7.
November ist der Jahrestag von Ben Alis Machtübernahme. Der ist auch am
Anfang des Videoclips zu sehen, wie er eine Schule besucht. "Was hast du
auf dem Herzen? Erzähl schon", richtet sich der Diktator an ein Kind. Der
Kleine beginnt zu heulen, die Kameras klicken dennoch. "Es geht um die
Angst", sagt der junge Rapper, der sein gesamtes Leben unter der Diktatur
verbracht hat. "Ben Ali, das war wie Gott. Nicht nur sein Gesicht, alleine
schon sein Name machte Angst."
Hamada Ben Amor überwand sie, und mit ihm viele seiner Altersgenossen. "Der
Rap war verboten, aber in Tunesien lieben wir das Verbotene. Das hat was
Revolutionäres. Der Rap bewegt in erster Linie die Herzen und erst dann den
Körper", sagt El General. "Rap ist eine Waffe, und in der Revolution haben
wir eingesetzt, was wir hatten."
## 60.000 Fans auf Facebook
Dabei gibt sich El General, der mittlerweile ein Dutzend Lieder für seine
über 60.000 Fans auf Facebook gepostet hat, bescheiden: "Ich bin stolz, die
Stimme der Revolution zu sein, aber irgendwie ist das alles verrückt. Es
gibt so viele andere, die ebenfalls kritische Texte rappen." Doch es war
eben sein Song "Rayes Lebled", der den Moment traf und das dem Regime am
meisten schmerzte: "Ich sehe überall Ungerechtigkeit und erhebe meine
Stimme, gegen den Rat vieler, die mich warnen, ich würde dafür mit meinem
Kopf bezahlen."
Am 6. Januar war es soweit. 30 Polizisten holten Ben Amor zu Hause ab. "Sie
wussten gar nicht so recht, was sie mit mir anfangen sollten", grinst der
Rapper im Nachhinein. Als er drei Tage später wieder freigelassen wurde,
warteten Fans vor dem Gefängnis, der Mythos des unbeugsamen, wortgewandte
Kritikers war endgültig geboren.
Einige Lieder, die bisher zensiert waren, laufen nun im tunesischen Radio
und Fernsehen. "Aber ich traue denen immer noch nicht so richtig über den
Weg. Das sind doch alles die gleichen Journalisten wie früher." Und noch
immer ist es nicht leicht in Tunesien, eine Platte zu veröffentlichen. Das
Land ist klein und der Markt für Rap noch kleiner. El General will sich
erstmal weiter im Facebook zu Wort melden. Der nächste Song ist bereits in
der Mache. Er wird über die Zukunft ohne "Rayes Lebled" gehen.
17 Feb 2011
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Ägypten
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