# taz.de -- Dossier Arabische Revolution: Das Ende der Angst | |
> Als britischer Staatsbürger frage ich mich: Warum sind unsere Regierungen | |
> über 30 Jahre lang eine Komplizenschaft mit Mubarak eingegangen? | |
Bild: Stolz - ein Gefühl, das bei vielen Ägyptern in den Tagen der Revolution… | |
Ich musste es einfach tun. Nachdem ich von den Protesten erfahren hatte, | |
hielt ich es in London nicht mehr aus, und es war eine Erleichterung, das | |
Ticket zu kaufen und im ersten Flugzeug nach Kairo zu sitzen. Das war am | |
Donnerstag, dem 27. Januar, am Tag vor der ersten ganz großen | |
Demonstration. Noch als ich vom Flugzeug aus die Londoner Skyline | |
betrachtete, wusste ich, dass sich meine Beziehung zu dieser Landschaft für | |
immer verändern würde - genauso wie ich wusste, dass sich meine Beziehung | |
zu Ägypten verändern würde. | |
Und so kam es auch: Mein Verantwortungsbewusstsein, mein Gefühl dafür, was | |
dieses Land ist und sein sollte, alles hat sich verändert. Es ist ein | |
historischer Moment, und es geht nicht nur darum, Zeuge zu sein, sondern | |
darum, an dieser Entwicklung teilzuhaben. Und die ist noch nicht am Ende. | |
Das Regime war nicht nur Husni Mubarak, das Regime sind der Polizeistaat, | |
die Notstandsgesetze, das korrupte Parlament, die korrupten Behörden. | |
Mubaraks Rücktritt ist ein Zeichen, dass wir diesen Kampf gewinnen werden. | |
Als britischer Staatsbürger frage ich mich, warum unsere Regierungen über | |
30 Jahre lang eine Komplizenschaft mit Mubarak eingegangen sind. Die | |
Antwort lautet natürlich: aus politischen und wirtschaftlichen Interessen. | |
Die westlichen Regierungen unterstützten gewisse korrupte Diktatoren und | |
hielten diesen Status Quo für stabil. | |
Das war er lange Zeit auch, aber es war eine Stabilität, die auf einer | |
korrupten Basis aufgebaut war und deswegen nun zusammengebrochen ist. Eine | |
demokratische Basis wird für eine viel größere Stabilität sorgen. Dabei | |
kann der Westen helfen. Aber wenn es darum geht, wie die künftige Regierung | |
aussehen wird, sollte sich niemand von Außen einmischen. Ratschläge sind | |
willkommen, Druck ist es nicht. | |
Denn bis zur ägyptischen Revolution hielt man den Nahen Osten für eine | |
Region, die nicht bereit sei für die Demokratie. Jetzt aber haben die | |
ägyptischen Menschen ihre Stimme gefunden und gezeigt, dass sie der | |
Demokratie würdig sind. Sie haben den Diskurs über Demokratie verändert - | |
nicht nur in ihrem Land, sondern überall. Sie haben ihre Angst und die | |
Apathie überwunden, dass alles, was sie im Leben machen, wertlos ist. Schon | |
am Tag nach der ersten großen Demonstration sind sie mit einer völlig | |
anderen Vorstellung darüber aufgewacht, wer sie sind. Sie sind auf einmal | |
die Herren über ihre Zukunft. Und das ist ein Gefühl, das sie zuvor nicht | |
kannten. | |
Auch ich fühle mich frei, ich bin optimistisch und stolz. Ich sehe all die | |
Möglichkeiten, die vor uns liegen; die Chance, endlich teilzuhaben. Wenn | |
ein Staat nicht zugänglich ist, wenn er keine Beziehung zu den Menschen | |
aufbaut, kein Teil von ihnen ist, sind die Möglichkeiten der Teilhabe | |
extrem klein. Und jetzt ist diese Möglichkeit riesengroß. Ich bin nicht | |
naiv und sage, dass alles möglich ist. Aber das, was die Menschen wollen, | |
wird auch passieren. Und wenn es etwas gibt, was die Menschen wollen, | |
werden sie keine Angst mehr davor haben, es zu verwirklichen. | |
PROTOKOLL: RIEKE HAVERTZ | |
16 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Khalid Abdalla | |
## TAGS | |
Ägypten | |
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