# taz.de -- Dossier Arabische Revolution: "Ich bin in Gefahr" | |
> Das Militär muss unter Druck gesetzt werden, glaubt der | |
> Pro-Israel-Aktivist und einzige Kriegsdienstverweigerer Ägyptens, Maikel | |
> Nabil Sanad. Er selbst wurde bereits verprügelt. | |
Bild: "Die Zukunft wird zeigen, ob das Militär ein Freund ist." Maikel Nabil S… | |
taz: Herr Sanad, vertrauen Sie als Kriegsdienstverweigerer dem Versprechen | |
des Militärs, den Übergang zu einer Demokratie zu gewährleisten? | |
Maikel Nabil Sanad: Das Militär hat in den letzten Tagen viele unserer | |
Forderungen erfüllt und uns respektiert. Es gibt derzeit also für uns | |
keinen Grund, gegen die Armee zu sein. Die Zukunft wird zeigen, ob es ein | |
Freund ist. | |
Sie zweifeln daran? | |
Ja. Denn die Armee hat zwar nicht auf die Demonstranten geschossen, aber | |
sie hat ab dem 31. Januar versucht, die Demonstrationen zu beenden, und | |
Leute verhaftet. Auch ich wurde von Soldaten festgenommen, die mich in die | |
Geheimdienstzentrale brachten, wo ich verprügelt und sexuell genötigt | |
wurde. Außerdem hat das Militär die Mubarak-Unterstützer nicht davon | |
abgehalten, die Demonstranten anzugreifen, aber Leute daran gehindert, | |
Medikamente und Essen auf den Tahrir-Platz zu bringen. Man kann die | |
Beziehung zwischen der Armee und den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz | |
also nicht gerade eine freundliche nennen. | |
Als bekannt wurde, dass Verteidigungsminister Hussein Mohammed Tantawi die | |
Regierungsgeschäfte übernimmt, haben Sie in Ihrem Blog geschrieben: "Ich | |
bin ein toter Mann." Haben Sie Angst vor Repressionen? | |
Ja, alle Aktivisten, die die Militärregierung ablehnen, sind in Gefahr. | |
Aber ich stehe da wohl ziemlich weit oben, weil ich den Militärdienst | |
verweigert habe. Ich war zwar nur einen Tag in Haft, aber schon am Tag nach | |
meiner Entlassung wurde meinem Vater gekündigt. Meine Eltern erhalten | |
ständig Anrufe von der Polizei und dem Geheimdienst. Wenn die Demonstration | |
weitergehen, wird das schlimmer werden. | |
Werden die Leute denn weitermachen? | |
Ja, wir werden am Freitag wieder eine Demonstration organisieren, die | |
Revolution geht immer noch weiter. Aber wir brauchen keinen Kampf mit der | |
Armee, und viele Leute wollen der Armee eine Chance geben, bevor sie | |
weiterdemonstrieren. | |
Was wird Ihre Gruppe "Nein zum Militärdienst" jetzt tun? | |
Wir werden in den nächsten Monaten versuchen, den Druck auf die Armee zu | |
verstärken, damit sie so schnell wie möglich in die Kasernen zurückgeht. | |
Sieht die Mehrheit der jungen Leute Ägyptens Zukunft ohne Militär? | |
Umringt von Iran, Israel, der Hisbollah und dem Sudan, wird die Abschaffung | |
des ägyptischen Militärs in nächster Zukunft wohl kaum durchzusetzen sein. | |
Aber die Mehrheit der Leute will, dass die Armee sich allein darum kümmert, | |
die Einwohner des Landes zu beschützen. | |
Vor wem? Vor Israel? | |
Ich sage offen, auch auf meiner Homepage, dass ich ein proisraelischer | |
Aktivist bin. Mubarak hingegen war nie ein Freund Israels, er hat Israel | |
gebraucht, um an der Macht zu bleiben. Wie kann Mubarak ein Freund Israels | |
sein, wenn sein Geheimdienst, der mich gefoltert hat, mir erklärte, meine | |
Freunde und ich seien zionistische Agenten? | |
Wie kam Israels Unterstützung von Mubarak und Suleiman an? | |
Israels Unterstützung für diesen Diktator hat Leute wie mich wütend gemacht | |
- und uns in eine schwierige Situation gebracht. Wir erzählen die ganze | |
Zeit, dass Israel ein demokratisches und freundliches Land ist. Was sollen | |
wir den Leuten jetzt sagen? Aber auch Israel wird das schaden. Wenn wir | |
jetzt freie Wahlen haben, werden die Leute für antiisraelische Parteien | |
votieren. Ein großes Problem. | |
Hat die Revolution Ihrer Meinung nach bereits die Gesellschaft verändert? | |
Revolutionen verändern Menschen. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass | |
ich ungebildete Menschen auf der Straße sehe, die Demokratie und | |
Menschenrechte fordern. Auf dem Tahrir-Platz gab es keine Trennung von | |
Männern und Frauen. Die meisten Leute haben Dinge erlebt, die sie vorher | |
noch nie erlebt hatten. Und das wird sie verändern. | |
16 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
## TAGS | |
Ägypten | |
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