# taz.de -- Das Ländle nach der Landtagswahl: Stuttgart 21 wackelt ein bisschen | |
> Bis zur Bildung der neuen grün-roten Landesregierung ruht das | |
> Baugeschehen für den Tiefbahnhof. Ist das der Anfang vom Ende des | |
> umstrittenen Großprojekts? | |
Bild: So soll's nicht werden, sagen viele: Computersimulation für den geplante… | |
STUTTGART taz | Noch haben die grün-roten Verhandlungen um eine Koalition | |
in Baden-Württemberg nicht angefangen, da gibt es beim schwierigsten Thema | |
bereits Bewegung: Die Deutsche Bahn verkündete am Dienstag, vorerst keine | |
Aufträge mehr für das Großprojekt Stuttgart 21 zu vergeben und auch die | |
Bauarbeiten zunächst ruhen zu lassen. Man wolle vertrauensvoll mit der | |
neuen Regierung zusammenarbeiten und abwarten, bis sich diese im Mai | |
konstituiere. | |
Als Vorentscheidung gegen den umstrittenen Tiefbahnhof will die Bahn die | |
Maßnahme aber nicht verstanden wissen: "Unabhängig davon gilt | |
selbstverständlich der mit den Projektpartnern geschlossene Vertrag | |
uneingeschränkt. Schließlich ist das Land Baden-Württemberg und nicht die | |
jeweilige Landesregierung unser Vertragspartner", sagte der Vorstand der | |
Deutschen Bahn für Infrastruktur, Volker Kefer. | |
Auch Grüne und SPD spielten die Sache herunter. "Es ist nur folgerichtig, | |
dass in der derzeitigen Situation keine weiteren Fakten geschaffen werden | |
dürfen", erklärten SPD-Landeschef Nils Schmid und der designierte grüne | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Die Sozialdemokraten sind für den | |
offiziell auf 4,1 Milliarden Euro Kosten veranschlagten Tiefbahnhof, die | |
Grünen dagegen; salomonisch hatte man sich deshalb auf einen Volksentscheid | |
geeinigt - auch wenn unklar ist, ob ein solcher rechtlich überhaupt machbar | |
ist. | |
Die Sozialdemokraten werden genau darauf achten, dass die Grünen sich an | |
die Abmachung halten: Vor der Abstimmung soll es einen "Stresstest" geben, | |
also eine Simulation des neuen Bahnhofs und seiner möglichen | |
Leistungsfähigkeit. Dazu soll es Verbesserungen an den bisherigen Plänen | |
geben, möglicherweise verbunden mit Zusatzkosten. | |
## Stresstest bis zum Sommer | |
Nach Angaben der Bahn soll der Stresstest bis zum Sommer durchgeführt und | |
beendet sein. Gut möglich, dass sich die Sache bis dahin ohnehin erledigt | |
hat: Die Grünen basteln an einem Ausstiegsszenario, wonach der alte Bahnhof | |
renoviert werden soll sowie neue Gleise durch das Neckartal und einen | |
Tunnel auf eine geplante ICE-Neubaustrecke Richtung Ulm führen würden. Ob | |
die SPD das hinnimmt, ist mehr als fraglich - es wäre die Variante der | |
Projektgegner, unter anderem Namen neu verpackt. | |
Seit gut einem Jahr baut die Bahn bereits an Stuttgart 21. Tunnel wurden | |
allerdings noch keine gebohrt, lediglich der Nordflügel des alten Bahnhofs | |
ist bereits abgerissen. Zuletzt stand die Bahn kurz vor der Vergabe eines | |
weiteren Großauftrags. Dafür verhandelte sie gerade über Aufträge für den | |
mehrere 100 Millionen Euro teuren Tunnel vom Stuttgarter Talkessel zum | |
Flughafen. Sollte die Vergabe zustande kommen, würde ein Ausstieg aus dem | |
Projekt erheblich teurer werden. Auch die Verlegung von 17 Kilometern | |
Rohrleitungen für das Grundwassermanagement in der Innenstadt stünde an. | |
Schon bei der Schlichtung zwischen Projektgegnern und der damaligen | |
Landesregierung im vergangenen Jahr hatte es einen Baustopp gegeben. Die | |
Stuttgart-21-Gegner hatten wohl nicht erwartet, dass ihre Forderung so | |
schnell wahr werden könnte: Bis zum Wahlsonntag hatten sie immer noch | |
"Mappus weg" gerufen, bei der Montagsdemonstration erschienen sie einen Tag | |
später mit dem Slogan "Baustopp jetzt". Nach Bekanntgabe der | |
Bahn-Entscheidung am Dienstag setzten sie kurzfristig für den Abend ein | |
Freudenfest an. | |
## Sprache der Wähler verstanden | |
Der grüne Verkehrspolitiker Werner Wölfle bezeichnete die Nachricht als | |
"ersten Schritt". "Das bedeutet, dass man die Sprache der Wähler verstanden | |
hat, und es zeugt von Respekt gegenüber dem Parlament." Er habe erwartet, | |
dass der Regierungswechsel eine Kettenreaktion auslösen werde. "Der Bau- | |
und Vergabestopp gehört jetzt dazu." Alle Beteiligten seien jetzt in der | |
Lage, noch einmal neu nachzudenken. Vor allem gebe es jetzt keinen Druck | |
mehr durch die Politik auf die Bahn. Auch der verkehrspolitische Sprecher | |
der Grünen im Bundestag, Winfried Hermann, lobte die Bahn: "Das ist | |
zunächst positiv, ich freue mich, dass sich die Bahn verantwortungsbewusst | |
verhält." | |
Die Umweltschutzorganisation BUND, die auch dem Aktionsbündnis gegen | |
Stuttgart 21 angehört, zeigte sich ebenfalls erfreut über den Baustopp. Ein | |
"Weiter so" der Bahn dürfe es unter einer neuen grün-roten Landesregierung | |
nicht geben, sagte Landeschefin Brigitte Dahlbender. "Wir erwarten von der | |
Bahn deshalb weitere Schritte, bis die angekündigten Gespräche mit der | |
neuen Regierung zu einem konkreten Ergebnis führen", forderte Dahlbender. | |
Unter anderem müsse der Stresstest transparent und gemeinsam mit den | |
Projektgegnern durchgeführt werden. "Wir sind uns sicher, dass ein offenes | |
Verfahren die Aussagekraft und Akzeptanz der Ergebnisse des Stresstests | |
erhöht." | |
Das noch schwarz regierte Landesverkehrsministerium gab sich nach außen hin | |
gelassen. Schon bei der Schlichtung habe die Bahn zugesichert, nur entlang | |
des Baufortschritts auch wirklich notwendige Maßnahmen in Angriff zu | |
nehmen. Die Entscheidung der Bahn sei auch deshalb nachvollziehbar, weil | |
"die gemeinsame Haltung der künftigen Landesregierung zu dem Bahnprojekt | |
nicht wirklich erkennbar" sei, so ein Ministeriumssprecher. | |
29 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
N. Michel | |
I. Arzt | |
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