# taz.de -- Protest gegen Stuttgart 21: Die da oben von den Grünen | |
> Die Grünen kämpfen seit 15 Jahren gegen Stuttgart 21, ihren Wahlsieg | |
> verdanken sie auch den Protesten gegen den Tiefbahnhof. Können sie ihn | |
> jetzt verhindern? | |
Bild: Nach den Protesten kommt jetzt wohl ein mühsamer Rechtstreit. | |
STUTTGART taz | Die Wahlsieger mussten am Sonntagabend "draußen" bleiben. | |
Auf dem Stuttgarter Schlossplatz bejubelten die Gegner des Bahnprojekts | |
Stuttgart 21 den Wahlsieg über Nochministerpräsident Stefan Mappus. Sie | |
tanzten, warfen Konfetti und schossen Feuerwerksraketen in die Luft. Auch | |
wegen der monatelangen Proteste auf der Straße gelang der grüne Umsturz in | |
Baden-Württemberg. Doch als die beiden Stuttgarter Abgeordneten von den | |
Grünen, Werner Wölfle und Muhterem Aras, auf dem Schlossplatz mitfeiern | |
wollten, durften sie das nur bedingt. Der Weg auf die Bühne wurde ihnen | |
verwehrt. Das Ende eines gemeinsamen Weges? | |
Seit 15 Jahren kämpfen die Grünen gegen das Mammutprojekt. Gemeinsam sitzen | |
sie mit Umweltschützern und engagierten Bürgern im Aktionsbündnis gegen | |
Stuttgart 21. Sie sind angetreten, um den Bau des Tiefbahnhofs zu | |
verhindern. Doch jetzt trauen ihnen einige in der Bewegung nicht mehr so | |
recht. | |
"Es sollte die Wahlparty der Bürger sein", sagt der Sprecher der | |
sogenannten aktiven Parkschützer, Matthias von Hermann. "Viele sind | |
gegenüber der Politik - egal welcher Couleur - skeptisch geworden und | |
vermuten leicht einen Wortbruch. Der Widerstand geht jetzt in die nächste | |
Runde." | |
Über Monate gab es ein gemeinsames "wir da unten" gegen "die da oben". | |
Jetzt sind die Grünen selbst "die da oben" und werden entsprechend kritisch | |
beäugt. Und gleichzeitig ruhen alle Hoffnungen auf ihren Schultern. | |
"Das wird eine dicke Herausforderung", sagt der Verkehrspolitiker Wölfle. | |
"Weil alle denken, wir könnten von heute auf morgen den Wechsel schaffen. | |
Das braucht aber seine Zeit." Weil es jetzt um die Realisierbarkeit gehe, | |
werde es manche Enttäuschungen geben. Wölfle nimmt deshalb auch die | |
Stuttgart-21-Gegner in die Pflicht. "Von denjenigen, die sich im Widerstand | |
engagiert haben, erwarte ich, dass sie sich jetzt in die mühsame | |
Kleinarbeit einmischen." | |
Die mühsame Kleinarbeit könnte nun vor allem ein großer Rechtsstreit | |
werden. | |
Sowohl Grüne als auch die SPD wollen einen Volksentscheid zu Stuttgart 21 | |
durchführen. Doch die eine Frage lautet: Ist der rechtlich überhaupt | |
möglich? Die andere lautet: Worüber sollen die Bürger denn genau abstimmen? | |
Dabei verstricken sich die Grünen in Widersprüche. | |
Denn die rechtliche Grundvoraussetzung für einen Volksentscheid sehen SPD | |
und Grüne darin gegeben, dass sich die Landesregierung an der Finanzierung | |
von Stuttgart 21 und an der damit geplanten Neubaustrecke nach Ulm | |
beteiligt. Gleichzeitig jedoch halten die Grünen ebendiese Mitfinanzierung | |
für verfassungswidrig. In einem Gutachten hatten sie darlegen lassen, dass | |
die Finanzierung von Bahnprojekten alleinige Angelegenheit des Bundes sei. | |
Über diesen Hebel wollten sie versuchen, Stuttgart 21 zu stoppen. | |
Dieser Widerspruch ließe sich nur auflösen, wenn man zwischen dem | |
Bahnhofsbau und der Neubaustrecke nach Ulm unterscheiden würde. Der | |
Volksentscheid ließe sich allein über Stuttgart 21 durchführen, ohne die | |
ICE-Trasse einzubeziehen. Gleichzeitig könnten die Grünen | |
verfassungsrechtlich gegen die Finanzierung der Neubaustrecke vorgehen, | |
ohne den Bahnhof zu berücksichtigen. Dies wird ein wesentlicher Knackpunkt | |
in den Koalitionsverhandlungen sein. Denn SPD-Chef Nils Schmid hatte | |
bereits erklärt, dass er keine Trennung zwischen Bahnhof und Trasse wolle. | |
Darüber hinaus werden voraussichtlich Gerichte entscheiden müssen, ob eine | |
Volksbefragung überhaupt möglich wäre. Die bisherige Landesregierung aus | |
CDU und FDP hatte damals Gegengutachten vorgelegt, die davon ausgingen, | |
dass ein Volksentscheid gar nicht möglich ist. | |
Eine zweite Ausfahrt könnte für die Grünen der bei der Schlichtung | |
vereinbarte Stresstest sein. Sollte der Tiefbahnhof dabei durchfallen, | |
könnten erhebliche Mehrkosten entstehen. Bei der Finanzierungsvereinbarung | |
hatten sich die Projektträger aber auf eine Kostengrenze von 4,5 Milliarden | |
Euro verständigt, an der das Projekt jetzt schon kratzt. Wird diese Grenze | |
überschritten, wolle man sich noch einmal zusammensetzen und über die | |
Kostenaufteilung reden, lautete die Sprachregelung. | |
Gleich nach dem grünen Wahlsieg machte sich zumindest einer ganz schnell | |
Gedanken über Finanzen. Peter Ramsauer (CSU) lässt sein Verkehrsministerium | |
die Auswirkungen der Landtagswahlen auf Verkehrsgroßprojekte prüfen. Diese | |
Anweisung erteilte Ramsauer noch am Wahlsonntag. Möglicherweise stünden | |
Umwidmungen von Bundesgeldern in "erheblichem Umfang" an, sagte er während | |
seiner Reise in São Paulo. Die Überprüfung sei notwendig. "Das ist keine | |
Böswilligkeit. Aber ich bin als Verkehrsminister gezwungen, politisch zu | |
reagieren, wenn es zu politischen Kehrtwendungen einzelner | |
Landesregierungen kommt." | |
28 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg | |
Schwerpunkt Stuttgart 21 | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Baden-Württemberg | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Das Ländle nach der Landtagswahl: Stuttgart 21 wackelt ein bisschen | |
Bis zur Bildung der neuen grün-roten Landesregierung ruht das Baugeschehen | |
für den Tiefbahnhof. Ist das der Anfang vom Ende des umstrittenen | |
Großprojekts? | |
Kommentar SPD nach den Landtagswahlen: Die verklemmte Partei | |
Es zeigt sich, wie wenig die Wähler der SPD zutrauen. Sie hat weiter kein | |
schlüssiges Programm, das sie attraktiv macht. Und tut sich schwer als | |
Juniorpartner der Grünen. | |
Klimawandel in der Politik: An Überheblichkeit verhoben | |
Die Deutschen haben sich gegen die Arroganz der Macht ein Stück Demokratie | |
zurückerobert. Immer war es knapp, aber immer hat es sich gelohnt. | |
Grün-rote Politik in Baden-Württemberg: Das Mappus-Erbe | |
Grün-rot hat die CDU in Baden-Württemberg verdrängt. Aber mit welchem Erbe? | |
Und was wird sich ändern bei Atomkraft, EnBW und Bildung? Eine kurze | |
Übersicht. | |
Kommentar Grüne Modernisierung: Aufbruch der Mutbürger | |
Ausgerechnet der früheren Bürgerschreckpartei wird zugetraut, das | |
bürgerliche System zu modernisieren. Auf Union und FDP setzt man dagegen | |
keine Hoffnungen mehr. Zu recht. | |
Die Grünen nach den Wahlen: "Offenes Ohr für alle" | |
Ihre Wahlerfolge in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bringen die | |
Grünen an ihre Grenzen. Deshalb setzt sie jetzt bundesweit auf Konsens. | |
Nach den Kommunalwahlen: Auch Hessens Grüne sahnen ab | |
Die Öko-Partei ist stärker denn je. CDU und SPD verlieren, FDP und Linke | |
sind landesweit unter fünf Prozent. In der Finanzmetropole Frankfurt wird | |
Schwarz-Grün bestätigt. | |
Kolumne Meer: Müssen wir jetzt alle Bionade trinken? | |
Baden-Württemberg hat gewählt, Grün-Rot hat eine Mehrheit und ein Grüner | |
wird Ministerpräsident. Und jetzt? Willkommen in der Grünen Hölle. | |
Protest gegen Stuttgart 21: Chronik des Schwabenstreichs | |
Trillerpfeifen, Polizeigewalt und die Geißler-Schlichtung: Die Chronik des | |
Protests gegen Ministerpräsident Stefan Mappus und die CDU-Herrschaft. | |
Nach der Wahl in Baden-Württemberg: Das schwierige Erbe | |
Am Sonntag feiern "Stuttgart 21"-Gegner, dass Mappus Geschichte ist. Doch | |
mit einem Baustopp rechnen sie noch nicht. Deshalb setzen Sie ihre | |
Widerstandsaktionen fort. |