# taz.de -- Kommentar SPD nach den Landtagswahlen: Die verklemmte Partei | |
> Es zeigt sich, wie wenig die Wähler der SPD zutrauen. Sie hat weiter kein | |
> schlüssiges Programm, das sie attraktiv macht. Und tut sich schwer als | |
> Juniorpartner der Grünen. | |
Offiziell ist die Welt der SPD in Ordnung. Ist doch wunderbar gelaufen in | |
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, lautet die Lesart von Parteichef | |
Gabriel: Ein sicheres Ministerpräsidentenamt hier, eine historische Wende | |
dort, wer kann mehr wollen? Sicher: Ein bisschen Schönfärben gehört zum | |
Geschäft. Und Spitzenleute einer Partei neigen nach wichtigen Wahlen dazu, | |
Negatives auszublenden. Doch die Realitätsumdeutung, die führende SPDler | |
derzeit vornehmen, ist bemerkenswert. Und sie sagt viel über die | |
Sozialdemokratie im Jahr 2011. | |
In Baden-Württemberg hat die Partei ihr schlechtestes Ergebnis seit | |
Gründung des Landes eingefahren, sie ist hier nur noch drittstärkste Kraft. | |
In Rheinland-Pfalz ist sie um fast zehn Prozentpunkte abgerutscht, so tief | |
wie zuletzt in den 1950er Jahren. Selbst ein klarer Stimmungstrend gegen | |
die schwarz-gelbe Koalition im Bund und gegen ihre Atompolitik hat die | |
Sozialdemokraten nicht vor dramatischen Verlusten bewahrt. Angesichts | |
dessen kann man kaum von Erfolgen reden. Die Ergebnisse sind Warnsignale | |
für die SPD. | |
Klar zeigt sich, wie wenig die Wähler der Partei zutrauen. Ihr ist es immer | |
noch nicht gelungen, ein schlüssiges Programm zu entwickeln, das sie | |
attraktiv macht. Während die Linkspartei mit ihrem strikten | |
Anti-Hartz-IV-Kurs wütende, auf sozialen Ausgleich bedachte SPD-Wähler | |
abgreift, zielen die Grünen auf Bürger in der viel zitierten | |
gesellschaftlichen Mitte, die die Energiewende wollen. | |
Dazwischen klemmt die SPD, die mal wirtschaftsnah daherkommt wie mit Olaf | |
Scholz in Hamburg, gleichzeitig aber im Bund Hartz-IV-Pläne der Regierung | |
geißelt. Die politische Konkurrenz besitzt also klare Profile, das der SPD | |
wabert - nicht zuletzt deshalb, weil ihr Führungstrio aus unterschiedlichen | |
Persönlichkeiten ebenso disparat und unberechenbar agiert. | |
Was der Partei in Baden-Württemberg passiert ist, ist ein schmerzhafter und | |
psychologisch problematischer Abstieg. Musste sich die SPD bisher nur der | |
CDU in Koalitionen unterordnen, wird nun eine ehemalige Kleinpartei den Ton | |
angeben, die für Sozialdemokraten immer der Juniorpartner war. Nils Schmid | |
scheint damit kein Problem zu haben, und er tut gut daran. Denn einerseits | |
ist eine Koalition mit den Grünen im wirtschaftlich starken | |
Baden-Württemberg für die SPD ideal, um in der Praxis auszuprobieren, wie | |
sich Wirtschaft und Ökologie mit sozialem Ausgleich verbinden lassen. | |
Andererseits ist Regieren die einzige Möglichkeit, um den Höhenflug der | |
Grünen wenn nicht zu stoppen, dann doch zu erden. | |
Ähnlich rational müsste die SPD endlich auch mit der Linkspartei umgehen - | |
wovon sie weit entfernt ist. In Sachsen-Anhalt weigert sich SPD-Chef | |
Bullerjahn strikt, eine Regierungsbeteiligung unter einem linken | |
Ministerpräsidenten in Erwägung zu ziehen. Hinter dieser Arroganz stecken | |
die Furcht vor einer Kommunismuskampagne von CDU und FDP, aber auch die | |
Hoffnung, die Linkspartei könne irgendwann wieder aus der | |
Parteienlandschaft verschwinden. Mit Rationalität, oder gar: Pragmatismus, | |
haben beide Gründe nichts zu tun. | |
29 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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