| # taz.de -- CDU nach der Wahlschlappe: Ein bisschen Ausstieg | |
| > Machtpolitisch ist die CDU-Chefin unangefochten. Auch in der | |
| > Präsidiumssitzung geht es, so ein Teilnehmer, "gesittet zu". Nun muss das | |
| > Atom-Problem gelöst werden. | |
| Bild: Jetzt auch gegen Atomkraft: Noch-Ministerpräsident Stefan Mappus, Angela… | |
| Berlin taz | Bundeskanzerlin Angela Merkel (CDU) sagt es nicht. Sie steht, | |
| umrahmt von einem um Lockerheit ringenden Stefan Mappus (CDU) und einer | |
| etwas zu aufgedrehten Julia Klöckner (CDU), im Atrium des | |
| Konrad-Adenauer-Hauses in Berlin und versucht die Atompolitik der CDU zu | |
| erklären. Sie sagt nicht "Irrtum" oder "Fehler", wenn sie auf die | |
| Laufzeitverlängerung zu sprechen kommt, die sie im Oktober 2010 selbst | |
| durchgesetzt hat. | |
| Die Kanzlerin sagt lieber einen typischen Angela-Merkel-Satz, der viel | |
| verspricht und viel offenhält: "Ich war eine Befürworterin der friedlichen | |
| Nutzung der Atomenergie". Das heißt wohl: Seit Fukushima ist sie gegen | |
| Atomkraft. Merkel sagt auch, dass 77 Prozent der CDU-Wähler in | |
| Baden-Württemberg einen schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft wollen. Wenn | |
| man diese Sätze übersetzt, heißt es: Die Laufzeitverlängerung war falsch. | |
| Es gibt an diesem Montag nach der Niederlage nur einen, der Angela Merkel | |
| vor das Schienbein tritt. Und der ist nicht mehr im CDU-Präsidium. | |
| Friedrich Merz, Ex-CDU-Politiker, erklärt, dass Merkel Zickzackkurs der | |
| Partei "das Rückgrat bricht". Die Kanzlerin habe sich mit dem | |
| Atommoratorium "auf eine Panikwelle gesetzt", von der sie überrollte wurde. | |
| Merz wurde einst von Merkel unsanft ins politische Abseits gedrängt. Helmut | |
| Kohl hatte zwei Tage vor der Wahl spektakulär Angela Merkels Atomkurs | |
| kritisert, jetzt tut dies Merz. Wer von Merkel bei ihrem Aufstieg beiseite | |
| gedrängt wurde, wittert Revanche. | |
| Aber wer ist Merz, wer Kohl? Sie artikulieren ein Unbehagen, aber sie | |
| wirken wie die Alten in der Muppet-Show, die immer was zu meckern haben. | |
| Machtpolitisch spielen sie keine Rolle. Machtpolitisch ist die CDU-Chefin | |
| unangefochten. Auch in der Präsidiumssitzung geht es, so ein Teilnehmer, | |
| "gesittet zu" - was angesichts der Tatsache, dass die CDU eine historische | |
| Niederlage verkraften muss, nicht selbstverständlich ist. Die Abrechnung | |
| mit Merkels Atommoratorium fällt aus. Nicht nur der atomskeptische | |
| Umweltminister Norbert Röttgen stützt Merkel, auch Wahlverlierer Stefan | |
| Mappus und Volker Bouffier (CDU), Hessens Ministerpräsident. | |
| Bouffier sagt nach der Sitzung: "Schilder hochhalten, wo Atom-Ausstieg | |
| draufsteht, ist Unsinn". Aber das ist auch nur ein Schild, mit dem die | |
| Atomfans in der CDU sich rhetorisch den Weg aufhübschen, den sie nun wohl | |
| gehen müssen: irgendwie wieder rein in den Ausstieg. | |
| Kritik kam am Wahlabend allerdings vom Wirtschaftsflügel. | |
| Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs und der Chef der Mittelstands-Union, | |
| Hans Michelbach kritisierten den Wackelkurs der Partei in der Atomfrage. | |
| Deshalb sei die CDU in Baden-Württemberg verunsichert gewesen, deshalb die | |
| Niederlage. | |
| Doch Fuchs und Michelbach sind, so ein Merkel-Vertrauter, "isoliert". | |
| Schlüsselfiguren wie Bouffier und Fraktionschef Volker Kauder stehen zu | |
| Merkels Moratorium. Zudem kann der Wirtschaftsflügel nicht glaubhaft | |
| machen, dass ein betonhartes Ja zur Laufzeitverlängerung Mappus gerettet | |
| hätte. Der Wahlverlierer Mappus selbst sagt: "Wenn wir Japan ignoriert | |
| hätten, hätten wir nur 34 Prozent bekommen." | |
| Einige mäkeln, aber am Ende hat Merkel alle Fäden in der Hand. | |
| Die Wahl war ein klares Anti-Atom-Vvotum. Der Druck auf Schwarz-Gelb, jetzt | |
| Konkretes vorzulegen, ist nach dieser Wahl nicht geringer geworden. Aber | |
| wie schnell, wie entschlossen kommt der Wiedereinstieg in den Ausstieg? | |
| Die Sprachregelung, die die stillgelegte internen Konflikte unter dem | |
| Teppich hält, lautet: Es ist alles offen. Ob alle sieben Altmeiler | |
| abgeschaltet bleiben, ob deren Laufzeiten einfach auf neue Meiler | |
| übertragen werden -nichts ist entschieden. So sagen es die meisten in der | |
| CDU. Erst müssen die beide Atom-Kommissionen tagen. Mitte April wird Merkel | |
| alle MinisterpräsidentInnen einladen, um den Ausbau der Stromnetze für | |
| erneuerbare Energien zu forcieren. Nur die Ruhe, sagt Volker Bouffier. | |
| Dann wird es schwierig. Der Wirtschafsflügel ist in der Minderheit, aber | |
| einflussreich. Rot-Grün wird Merkel immer wieder unter die Nase reiben, | |
| dass sie selbst vor sechs Monaten mit voller Überzeugung für mehr Atomkraft | |
| war. Und alles, was weniger als der rot-grüne Status quo beim Atomausstieg | |
| war, wird die Opposition in der Luft zerfetzen und Merkel als Opportunistin | |
| bezeichnen, die doch nur Wahlkampfmanöver machte. Und das Hauptproblem | |
| kommt noch: die Verhandlungen mit den Konzernen, denen die Kanzlerin ein | |
| paar Hundert Milliarden Euro wieder abnehmen muss, die sie ihnen vor einem | |
| halben Jahr auf den Gabentisch gelegt hat. | |
| "Die Regierung wird die Laufzeitverlängerung zurücknehmen", sagt Thomas | |
| Göppel, CSU-Parlamentarier und Atomkraftgegner. Im Oktober 2010 war er | |
| einer von fünf Union-Parlamentarieren, die gegen mehr Atomkraft stimmten. | |
| Jetzt sieht er in der Baden-Württemberg-Wahl den Beweis, dass er richtig | |
| lag. "Die CDU hat wegen der Laufzeitverlängerung verloren, nicht wegen des | |
| Atommoratoriums", so Göppel zur taz. Die Laufzeitverlängerung müsse "weg." | |
| Die letzten deutschen AKWs könnten bis 2020, spätestens 2025, abgeschaltet | |
| werden. | |
| Göppel war lange ein belächelter Exot in der Union. Jetzt klingt | |
| Umweltminister Norbert Röttgen so ähnlich wie er. | |
| 28 Mar 2011 | |
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| Stefan Reinecke | |
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