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# taz.de -- Verfahren wegen S-21-Aktivist eingeleitet: Posse um Protestpicknick
> Die Staatsanwaltschaft Stuttgart klagt gegen einen picknickenden
> Baumschützer. Der sagt, das gab es gar nicht. Nur ein Beispiel einer
> ganzen Klagewut im Ländle.
Bild: Protestpicknick in Stuttgart: Ein Baumschützer wollte sich im Park mit G…
BERLIN taz | Matthias von Herrmann ist ein Mann mit Humor, und entschlossen
noch dazu. Der 37-Jährige ist so etwas wie der Oberrevoluzzer unter den
Aufstandsschwaben gegen das umstrittene Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Als
Pressesprecher der sogenannten Parkschützer steht er seit Monaten im
öffentlichen Fokus. Jetzt könnte das öffentliche Interesse noch einmal
zunehmen: Weil er ein Picknick falsch durchgeführt haben soll, hat die
Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen den Baumschützer
eröffnet.
Demnach soll von Herrmann am 19. September 2010 eine Versammlung unter
freiem Himmel "wesentlich anders" durchgeführt haben als angemeldet - und
damit gegen Auflagen der Versammlungsbehörde verstoßen haben. Von Herrmann
wollte an diesem Tag im Stuttgarter Schlossgarten, dass die Menschen bei
einem "Protestpicknick" miteinander über die geplanten Baumfällarbeiten
sprechen. Dazu sollten sie selbst Essen und Trinken mitbringen. Das
Ordnungsamt aber verfügte, dass aufgrund lebensmittelrechtlicher Bedenken -
so wörtlich - "bei der Versammlung kein Brunch bzw. Picknick mit Isomatten
und Wolldecken zum Draufsitzen" stattfinden dürfe. Weil aber am 19.
September doch jemand im Schlossgarten saß und aß, soll von Herrmann nun
300 Euro zahlen.
Der kann über die juristische Posse nur lachen. Denn nach seiner
Darstellung habe das angemeldete "Picknick ohne Essen" gar nicht
stattgefunden - weil niemand seinem Aufruf gefolgt sei. "Ich stand da im
Park, aber keiner war am Treffpunkt", sagt von Herrmann. "Offenbar muss
aber irgendwo im Park jemand Kaffee ausgeschenkt haben."
Matthias von Herrmann wundert sich, weil das Schreiben der
Staatsanwaltschaft die erste Reaktion ist, die er in der Angelegenheit
seither von den Behörden bekommen habe. "An dem Tag hat mich weder im
Schlossgarten ein Polizist kontaktiert noch irgendjemand vom Ordnungsamt
mit mir Kontakt aufgenommen", sagt er.
## Zwei Polizisten und die Dame vom Ordnungsamt
Das will die Staatsanwaltschaft besser wissen. Sie führt gleich drei Zeugen
auf, die gegen von Herrmann aussagen könnten: zwei Polizisten und eine Dame
vom Ordnungsamt.
Weil von Herrmann den Strafbefehl aber nicht zahlen will, könnte die
Angelegenheit nun vor Gericht landen und damit ein schönes Beispiel abgeben
für die Klagewut, die derzeit die baden-württembergische Landeshauptstadt
überzieht.
Denn die amüsante Geschichte um das Picknickverfahren entstammt nur einer
von rund 1.500 Strafanzeigen, mit denen die Stuttgarter Staatsanwaltschaft
allein im Rahmen der Auseinandersetzung um den umstrittenen Tiefbahnhof
Stuttgart 21 derzeit beschäftigt ist.
Anzeigen liegen in Stuttgart so ziemlich gegen jeden gesellschaftlichen
Akteur vor: 309 Strafanzeigen gab es seit Juli 2010 allein gegen die
Projektbetreiber von Stuttgart 21, 54 Anzeigen liegen gegen Polizeibeamte
vor, eine Strafanzeige richtet sich gegen die Industrie- und Handelskammer,
eine weitere gegen einen Künstler, drei Anzeigen laut Statistik gegen
"Fahrzeuglenker" und zwei gegen "die Presse".
Weitere 32 Strafanzeigen wurden seit Juli 2010 gegen S-21-Befürworter
gestellt - und stolze 1.074 Anzeigen gegen S-21-Gegner. Darunter auch solch
amüsante wie die gegen von Herrmann. Weil da im Schlossgarten wohl jemand
was gegessen haben muss.
4 Apr 2011
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
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