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# taz.de -- +++ Ticker zum 1. Mai +++: Friedliche Feste, wenige Randale
> In Berlin und Hamburg demonstrierten tausende Menschen am 1. Mai-Abend
> auf den Straßen. Bis auf wenige Randale blieb es friedlich. In Hamburg
> wurde das Schanzenviertel abgeriegelt.
Bild: In Hamburg setzte die Polizei Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein
In Berlin und Hamburg klingt das 1.-Mai-Wochenende aus. Auf dem Kreuzberger
Mariannenplatz in Berlin dominierte bis in den späten Abend hinein das
friedliche "Myfest" mit tausenden Teilnehmern. Auf 18 Bühnen wurde von Jazz
bis Punk praktisch jeder Musikgeschmack bedient. Daneben boten Stände
kulinarische Köstlichkeiten aller Länder an.
Die für 18 Uhr angesetzte "Revolutionäre 1. Mai-Demo" machte dem grünen
Bezirksbürgermeister Franz Schulz vor Beginn keine Sorgen. "Ich habe
grundsätzlich kein Problem mit der Demo. Solange sie friedlich bleibt,
können die Autonomen demonstrieren“, sagte er. Ganz friedlich blieb sie
dann aber nicht.
Nach einer taz-Zählung nahmen knapp 10.000 Menschen an der Demo vom
Kottbusser Tor Richtung Südstern teil. Immer wieder explodierten Böller und
die Menge skandierte "Splitterbombe, Splitterbombe, hey, hey!" als
Anspielung auf eine vermeintliche Splitterbombe, die im letzten Jahr auf
einer Demo explodiert sein soll.
Auf der Werbellinstraße kam es zu kurzen aber heftigen Zusammenstößen
zwischen Polizisten und Demonstranten. Zwei Hundertschaften der Polizei
gerieten kurzzeitig in einen Hinterhalt und wurden heftig bedrängt. Kurze
Zeit später vermeldete die Polizei: "Die Demo ist offiziell aufgelöst."
Laut Polizei zog sich der Veranstalter zurück, weil er die Situation nicht
mehr im Griff hätte. Das Ende der Demo wurde auf den Hermannplatz verlegt.
Dort kam es zu weiteren Ausschreitungen. Die Menge verlief sich aber mit
der Zeit und sammelte sich am späten Sonntagabend rund um das Kottbusser
Tor.
Dort war die Stimmung relativ ruhig und geprägt von Schaulustigen. Nach den
Konflikten am frühen Abend, bei denen vor allem der Schwarze Block äußerst
aggressiv gegen Polizisten vorging, war hier jetzt die Polizei der
Provokateur. Laut Aussagen eines Sanitäters wurden am Kottbusser Tor bis
Mitternacht hunderte Menschen behandelt, weil sie Pfefferspray abbekommen
hatten. Gegen ein Uhr fing die Polizei dann an, den Platz am Kottbusser Tor
massiv zu räumen.
Auch in Hamburg gab es in der Nacht kurze Krawalle. Nach einer Mai-Demo von
der Roten Flora zum Altonaer Bahnhof kam es in der Schanzenstraße zu
Rangeleien, Flaschenwürfen und gezündeten Böllern. Die Polizei setzte
kurzzeitig Wasserwerfer ein. Das Konzept der Polizei, das gesamte
Schanzenviertel als Sperrgebiet zu bezeichnen, ging auf. Viele Gastwirte
beklagten sich jedoch am Abend, da sie keine Gäste bekamen. Viele
Jugendliche mussten an den Grenzen des Sperrgebiets ihre Personalien
vorzeigen und wurden fast allesamt mit der Begründung abgewiesen, sie
"sähen eben so aus".
Damit geht ein Wochenende zu Ende, dass in Hamburg und Berlin weit hinter
den Befürchtungen zurückblieb.
******
1.17 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor/Skalitzer Str.
Die Polizei schiebt weiter die verbliebenen Demonstranten auf dem Platz am
Kottbusser Tor gen Osten in die Skalitzer Straße. Der Großteil der Menschen
ist aber schon nach Hause gegangen. Auch auf dem Myfest ist
Feierabendstimmung.
1 Uhr: Berlin, Oranienstraße
Die Straßen leeren sich. Es bleiben Berge von Pappbechern, leere Flaschen
und Essensreste. Sie werden in großen Haufen vor den Bühnen
zusammengekehrt. Die Musik ist aus. Nur vor dem "Lucia" fordern
Hartgesottene eine Zugabe. Es gibt langsam wieder Platz auf den Straßen.
Auch die Hells Angels sitzen auf ein Feierabendbier im Jodelkeller.
0.47 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor/Skalitzer Str.
Die Polizei drängt jetzt die Demonstranten in Richtung Skalitzer Straße ab.
Ein Demonstrant schubst einen Polizisten leicht, der reagiert erneut sofort
mit Pfefferspray. Doch diesmal trifft er daneben. Der Demonstrant läuft
fort, aber ein Polizeikollege hat die Ladung Pfefferspray ins Gesicht
bekommen. Er krümmt sich und wird von seinem Kollegen weggebracht.
0.41 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Das provisorisch eingerichtete Sanitätszentrum muss jetzt abgebaut werden.
Die Sanitäter stützen Verletzte und bringen sie fort. Anscheinend hat die
Polizei gedroht, das Areal hier gleich zu räumen.
Mitten in der unübersichtlichen Lage fahren jetzt Polizeiwannen in die
Menschenmenge. Was sie bezwecken wollen, ist nicht abzusehen. Wiederholt
werden Böller gezündet.
0.38 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Auch im Sanitätszentrum wird die Situation unübersichtlich. In einer
ruhigen Ecke haben Sanitäter eine Verletztenversorgung eingerichtet. Jetzt
stürmt die Polizei auch hier durch die Gruppe der Verletzten und Sanitäter.
Ein Sanitäter regt sich auf: "Bei jeder dieser Augenverletzungen durch
Pfefferspray handelt es sich um eine akute Verletzung der Hornhaut, die
bleibende Schäden hinterlassen kann. Das ist vielen häufig gar nicht
bewusst, weil es meist nicht so dargestellt wird. Hier geht die Polizei
ganz schön lässig mit dem Gewaltmonopol um." Er geht davon aus, dass die
Sanitäter hier rund 60 Menschen pro Stunde, die vom Pfefferspray getroffen
wurden, behandelt haben. Und die ersten Opfer kamen schon vor vielen
Stunden.
0.31 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Es sieht so aus, als hätte die Polizei jetzt ihre Strategie geändert. Sie
hat eine breite Polizeikette gebildet und drängt die Demonstranten jetzt
sehr aggressiv unter der U-Bahn-Unterführung weg. Dabei geht sie massiv mit
Pfefferspray gegen alle vor, die ihr im Weg stehen. Weitere dutzende
Menschen müssen behandelt werden. Einige Verletzte bluten aus der Nase.
Teilweise reagieren die Demonstranten mit Flaschenwürfen. Anscheindend hat
die Polizei damit ihre Schlendertaktik aufgegeben.
0.26 Uhr: Berlin, Mariannenplatz
Nach der gefühlten 20. Zugabe hat sich auch hier die Skaband von der Bühne
verabschiedet. Die Menschen geben noch ihre leeren, mit Antifa-Logo
bedruckten Becher ab. Es gibt schließlich einen Euro Pfand.
0.15 Uhr: Hamburg, Rote Flora
Im Schanzenviertel ist ungewohnte Stille. Die Polizei zieht ab.
00.05 Uhr: Hamburg, Rote Flora
Die gesamte Straße ist fast menschenleer. Das Konzept der Polizei, das
gesamte Viertel als Sperrgebiet zu bezeichnen, ist aufgegangen. Viele
Gastwirte haben sich am Abend beschwert, dass keine Gäste kommen konnten.
Viele Jugendliche mussten an den Grenzen sofort ihre Personalien angeben.
Als Begründung wurde oft angeführt: "Sie sehen eben so aus". Nach den
kurzen, aber heftigen Auseinandersetzungen beruhigte es sich auch in den
Nebenstraßen, die etwas entfernt vom S-Bahnhof Sternschanze liegen. Einige
vermeintliche Randalierer nahm die Polizei fest. ging dabei aber nicht
gerade zimperlich vor.
23.59 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Laut Aussagen eines Sanitäters wurden bislang allein am Kottbusser Tor mehr
als 150 Menschen behandelt, weil sie Pfefferspray abbekommen haben.
23.47 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Unterhält sich ein älterer Punk mit rotem Iro mit einem der Polizisten.
"Sag mal, was ist denn hier eigentlich los?", fragt der Punk. "Siehst du
doch", sagt der Polizist und deutet auf die Menge. "Aber ich versteh nicht,
was hier abgeht", fragt der Punk wieder. "Wes ick och nich", berlinert der
Polizist zurück. Darauf der Punk: "Ist doch so. Da nehmt ihr einen fest,
dann rempelt ihr wieder und so weiter. Das ist doch ein Scheißspiel, oder?"
"Ja, kann man so sagen", antwortet der Polizist. Dann legt der Punk seinen
Arm auf die Schulter des Beamten und ein Kumpel macht Erinnerungsfotos.
23.37 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Es ist ein elendiges Bild. Immer wieder geht die Polizei massiv mit
Pfefferspray gegen Umherstehende vor. Immer wieder spritzt sie das Spray in
die Augen. Es sind längst Dutzende, die von Sanitätern behandelt werden
müssen. Doch oft ist unklar, ob es die Richtigen trifft.
23.30 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
"Hier ist Feierabend", ruft der Türsteher vor dem Festsaal Kreuzberg,
einige hundert Meter vom Kottbusser Tor entfernt. Er will keinen mehr rein
lassen. Auf dem Gelände läuft Techno und bunte Lichter erhellen die
Szenerie. Auf dem Bordstein mischen sich Konfetti und Scherben.
23.25 Uhr: Hamburg, Schulterblatt/S-Bahnhof Sternschanze
Die Straßensperre an der Sternschanze wurde aufgehoben. Die Situation
scheint sich zu beruhigen.
23.20 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Die Polizei setzt ihre seltsame Strategie am Kottbusser Tor fort. Scheinbar
planlos geht sie durch die Menge, versprüht Pfefferspray und schubst
Menschen aus dem Weg. Westlich des U-Bahn-Eingangs werden gerade ein halbes
Dutzend Menschen von Sanitätern behandelt, sie wurden schwerstens vom
Pfefferspray getroffen. Gerade wird ein älterer Mann vorbeigetragen, der
sich kaum noch auf den Beinen halten kann.
23.15 Uhr: Berlin, Oranienstraße
Dass die müden Anwohner, die den ganzen Tag ein gutes Geschäft mit
Getränken und selbstgemachtem Essen gemacht haben, jetzt nach Hause gehen
wollen, zeigt sich daran, dass die Preise an den Ständen purzeln. Das Bier
ist billiger geworden und den Obstsalat gibt es im Sonderangebot. Zuvor
hatte eine Portion noch 3 Euro gekostet. Jetzt gibt es zwei Portionen für
2,50 Euro. Aber die Ananas schmeckt auch oll.
23.09 Uhr: Berlin, Oranienstraße
Hier ist noch immer Volksfeststimmung. In vielen Pavillons und auf
Ladeflächen von Lkws spielen Bands für die Anwohner im Kiez. Es überlagern
sich die Rhythmen: Dort Hip-Hop, hier Punk, weiter hinten spielt eine
Reggeaband. Tausende feiern.
23.05 Uhr: Berlin, Mariannenplatz
Auf der Antifa-Bühne wird internationaler Ska gespielt. Mehrere hundert
Leute sind noch da, viele tanzen. Neben der Bühne sitzen die Leute auf
allen Etagen eines Baugerüstes und schauen zu.
23 Uhr: Hamburg, Schulterblatt/S-Bahnhof Sternschanze
Die Polizei geht weiterhin mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten auf
der Straße vor. Zudem kommen immer mehr sogenannte Festnahmeeinheiten zum
Einsatz. Die Polizei setzt auch Hunde ein.
22.50 Uhr: Hamburg
Der Pressesprecher der Hamburger Polizei, Holger Vehren, gibt erste Zahlen
durch. Die revolutionäre Demo wurde um halb zehn Abends offiziell
aufgelöst. Es sollen noch 200 Demonstranten an der S-Bahn Sternschanze
sein. Bis 22 Uhr gab es 20 vorläufige Festnahmen, 20 Personen wurden in
Gewahrsam genommen und 100 Demonstranten bekamen Aufenthaltsverbote.
Trotzdem spricht die Polizei von einer weitgehend friedlichen
Demonstration.
22.49 Uhr: Hamburg, Schäferstraße
Etwa 100 Meter vom Schanzenviertel entfernt, versuchen schwarz Vermummte,
Barrikaden aufzubauen und anzuzünden. Teilweise ist die Straße bereits in
Rauchnebel verhüllt. Polizisten rennen eiligst durch die kleinen Straßen
und versuchen, die Gruppe zu kriegen. Ab und zu hört man es laut knallen.
22.45 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Nach einem konfliktreichen frühen Abend, an dem vor allem der Schwarze
Block äußerst aggressiv gegen Polizisten vorging, ist hier jetzt die
Polizei der Provokateur. Die Stimmung ist relativ ruhig, geprägt von
Schaulustigen. Doch Polizeieinheiten bieten eine gute Angriffsfläche.
Gerade greifen sie gezielt einen Demonstranten heraus, nehmen ihn fest.
Gegen alle Umherstehenden gehen sie mit Pfefferspray vor. Sofort explodiert
ein Böller. Sanitäter behandeln die Augen von Pfefferspray-Opfern.
22.40 Uhr: Hamburg, S-Bahnhof Sternschanze
Nachdem Polizisten gezielt eine Person herausgriffen, die auf dem Boden vor
den Wasserwerfern lag, flogen Gegenstände. Die Polizei hatte zuvor gewarnt,
dass wenn Gegenstände fliegen, die Wasserwerfer sofort eingesetzt werden.
Das machten sie auch und stürmten gleichzeitig auf die Demonstranten zu. Es
kam zu Handgemengen und Schubsereien. Die Polizei rückt weiter in der
Straße vor.
22.34 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Man könnte es eine Latenzphase nennen. Oder einfach "Die besoffene
Zentrale". Die meisten der vielen Menschen, die am Kottbusser Tor stehen,
haben schwer einen im Tee und picheln fröhlich weiter. So richtig politisch
sieht das nicht aus. Obwohl: Hier ist wohl auch das Saufen politisch.
22.30 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Was das Polizeikonzept am Kottbusser Tor ist, lässt sich schwer sagen. Wie
in einem Kreisverkehr laufen Hundertschaften umher. Sie drängen durch die
Menge und schubsen alle weg, die ihnen im Weg stehen. Doch der Ringelpiez
der Hundertschaften geht nicht nur in eine Richtung: Kreuz und quer stoßen
die Truppen durch die Menge. Die Masse reagiert aufgebracht. Vereinzelt
fliegen Flaschen. Es kommt zu Festnahmen und die Polizei setzt Pfefferspray
ein.
22.24 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Auch schön: Eigentlich ist das ja eine Treppe, die zur oberirdischen U-Bahn
hinaufführt. Jetzt ähnelt es eher einer Fantribühne. Schaulustige tummeln
sich auf der Treppe, weil sie hier einen guten Ausblick auf den Platz am
Kottbusser Tor haben. Hier warten sie auf spannende Szenen. Und sie
bekommen ihre Szene. Ein riesiger Böller explodiert inmitten einer
Polizeieinheit, die schon seit einiger Zeit in die Gruppe der Demonstranten
versucht vorzudringen.
22.20 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Drei schwarz gekleidete Typen mit grün-schwarzen Fahnen laufen durch die
Menge. Nicht nur die Polizisten gucken komisch. Sie seien von der
"Überpartei", die vor Kurzem mit der "Bergpartei" zur "Bergpartei, die
Überpartei" fusioniert seien. Es ginge um Ökoanarchismus. Sie wollen jetzt
noch einmal versuchen, eine Spontandemo hinzukriegen, stoßen aber auf
Unverständnis.
22.18 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
"Bundestag, du Hurensohn" steht auf einem Plakat, das ein offenbar
humorvoller Demonstrant schon seit langem hinter einer Polizeieinheit
herträgt, die wie eine von vielen am Kottbusser Tor Patrouille läuft. Wo
auch immer die Beamten hinlaufen, der Mann folgt ihnen. Ein paar Meter
weiter kommt es zu einer leichten Rangelei zwischen Demonstranten und
Polizisten, die miteinander diskutieren. Fotografen suchen nach Motiven.
22.14 Uhr: Berlin, Kottbusser Tor
Ein Trupp Polizisten geht durch die Menge. Ein Typ am Rand ruft "Ey, guckt
böse!" Die Polizisten gucken böse. Ein paar Meter weiter steht Franz
Schulz, der Grüne Bürgermeister von Friedrichshain/Kreuzberg. Er wundert
sich auch, wie friedlich es ist. Traut dem Braten aber noch nicht so recht.
22.07 Uhr: Hamburg, Schanzenstr./Bahnhof
Die Polizei gibt über Wasserwerferlautsprecher bekannt, dass sie nicht
gewillt sei, heute Menschen in das Schanzenviertel zu lassen. Anwohner
kommen mit Ausweis hinein. Sie begründen das mit der Verordnung, dass das
Schanzenviertel zum Gefahrengebiet erklärt worden ist. An der Sternschanze
ist mehrfach angedroht worden, die Wasserwerfer einzusetzen, wenn die
Anwesenden sich nicht entfernen. Und selbiges gilt für die Sperre in der
Lagerstraße.
22.04 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Die Brücke ist wieder frei passierbar.
22 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Zwischen Kottbusser Brücke und Hermannplatz ist nichts los, außer unzählige
Polizisten, die vollkommen entspannt Heißgetränke trinken und rauchen. Am
Imbiss nördlich der Kottbusser Brücke spielt eine türkische Band Folklore.
Eine junge Türkin mit hohen Stiefeln tanzt ausgelassen Bauchtanz auf einem
der Tische.
21.50 Uhr: Berlin, Reichenberger/Mariannenstr.
Im Spätkauf wird fleißig Bier verkauft. Aber wegen des Glasflaschenverbots
füllt der Besitzer das Bier in Plastikbecher um. An einem Imbiss hat die
Polizei eine Pinkelpause eingelegt. Kollegen bewachen den Zugang. Vom
Görlitzer Park dröhnt entfernt Elektromusik herüber. Dort ist eine große
Party.
21.46 Uhr: Berlin
Auf Nachfrage der taz sagt ein Pressesprecher der Polizei, dass sie noch
keine Zahlen zu Verletzten und Festnahmen haben. Auch für eine Einschätzung
der Situation im Verhältnis zu den Vorjahren sei es noch zu früh, so der
Sprecher.
21.40 Uhr: Hamburg, Schanzenstr/Kleiner Schäferkamp
Nachdem stundenlang versucht wurde, das Schanzenviertel abzuriegeln, sind
nun zwei Wasserwerfer von der Schanzenstraße abgezogen worden. Mit
Blaulicht sind sofort andere Einsatzkräfte hinterher gefahren. Viele
Demonstranten der aufgelösten Kundgebung kommen nun in das Schanzenviertel.
21.35 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Relativ Ruhig. Von Süden kommen zahlreiche Kleingruppen, die in Richtung
Kottbusser Tor laufen.
21.35 Uhr: Berlin, Paul-Lincke-Ufer/Ohlauer Straße
Der Rückweg zurück nach Kreuzberg wird für die Massen schwierig.
Offensichtlich war die Brücke vom Kottbusser Damm auf die Kottbusser Straße
gesperrt. Eine Brücke weiter an der Ohlauer Straße wird man nur nach
Personenkontrollen über den Kanal gelassen.
21.33 Uhr: Berlin, Hermannstraße
Die Polizei schätzt die Lage offensichtlich nicht mehr so schlimm ein: Zwei
Wasserwerfer und zwei Räumfahrzeuge fahren die Herrmannstraße in Richtung
Süden herunter, weg von den Demonstranten also. Die bewegen sich gerade auf
dem Kottbusser Damm in Richtung Kottbusser Tor. Im Vorbeifahren riecht es
nach Tränengas. Vielleicht sind die Wasserwerfer auch nur alle.
21.30 Uhr: Hamburg, Altonaer Str./Weidenallee
Nachdem die Polizei die Demo erneut gestoppt hat, soll die
Abschlusskundgebung vorverlegt werden. Nach der Kundgebung soll die Demo
aufgelöst werden. Schon jetzt wandern Menschen ab.
21.20 Uhr: Hamburg, S-Bahnhof Sternschanze
Auch hier stehen schon viele Polizeikräfte bereit. Zu hören ist auch schon
der Einsatzlärm gegen die Demonstration. Einer der wenigen Passanten, der
hier noch unterwegs ist, sagt: "So leer habe ich das Schanzenviertel seit
Jahren abends nicht mehr erlebt."
21.21 Uhr: Berlin, Graefekiez, Kottbusser Damm
Überall strömen Gruppen von Polizisten und Demonstranten in Richtung
Kottbusser Tor, der Verkehr liegt indes lahm. Der Kottbusser Damm ist
praktisch zur Hälfte mit Polizeifahrzeugen gefüllt.
21.20 Uhr: Berlin, Kottbusser Damm
Die eigentlich aufgelöste Demo ist noch immer in Bewegung. Die tausenden
Menschen, die über die Hasenheide, die Jahnstraße und dann die
Schönleinstraße die Polizeiabsperrungen am Herrmannsplatz umgangen sind,
befinden sich jetzt wieder auf dem Kottbusser Damm. Die riesige, fast nicht
überschaubare Menge ist jetzt auf dem Weg Richtung Kottbusser Tor bzw.
Kreuzberg.
21.15 Uhr: Hamburg, Altonaer Str./Weidenallee
Nach den zwei Festnahmen lässt die Polizei die Demonstration jetzt
weiterziehen.
21.15 Uhr: Hamburg, Altonaer Str. /Weidenallee
Die Polizei hat die revolutionäre Demo gestoppt und ist mit Eingreiftrupps
in den Demozug hineingegangen, um zwei mutmaßliche Böllerwerfer
festzunehmen. Dabei wurde teilweise Pfefferspray eingesetzt.
21.08 Uhr Berlin, Hasenheide/Jahnstraße
Viele Tausend Menschen sind vom Hermannplatz die Hasenheide entlang
weitergezogen und biegen nun in die Jahnstraße ein. Sie gehen Richtung
Graefekiez. Polizei-Hundertschaften begleiten die Menge. Ein Mann betritt
ein Baustellengelände mit einem Dixieklo. Doch es ist unklar, ob er sich am
Baustellenzaun vergreifen will oder nur pinkeln möchte. Sofort greift eine
Einheit zu und zieht ihn aus dem Areal. Eine nebenstehende Demonstrantin
spuckt einen Polizisten an. Der greift sie sofort an der Kehle. Die Straße
ist überfüllt mit Menschen. Pech hat nur ein ortsfremder Autofahrer, der
gemeinsam mit anderen Autos die Straße entlang fahren wollte. Der
ökologische Vorteil: Autofahren lohnt sich hier heute nicht mehr. Es geht
keinen Meter voran.
21.00 Uhr: Berlin, Mai-Demo
Diese Durchsage wirkt hilflos und mutig: Ein Polizeisprecher sagt über
einen Lautsprecher an, dass die Demo schon längst beendet sei und die
Straße bald für den Verkehr freigeben werden soll. Doch hier lassen sich
nicht mal Fahrräder schieben. Der Platz ist noch immer voll mit Tausenden
von Menschen. Doch immerhin eins hat sich beruhigt: Die Blockade, die hier
zuvor von der Karl-Marx-Straße bestand ist, aufgelöst. Südlich des
Hermannplatzes kann man sich jetzt in alle Richtungen bewegen. Allein der
Hermannplatz selbst, und damit der Zugang in Richtung Kreuzberg ist weiter
abgesperrt.
21.00 Uhr: Hamburg, Schulterblatt / Rote Flora
Das Schulterblatt ist selten so leer wie an diesem Abend. In vielen der
Restaurants und Kneipen sind nur vereinzelt Gäste. Die Präsenz der Polizei
dominiert das Straßenbild. In einem Bus der HVV sitzen Jugendliche, die von
der Polizei aus dem Viertel heraus eskortiert werden sollen. Sind vorgeher
an der Roten Flora festgenommen worden.
20.55 Uhr: Berlin, Mai-Demo
Heftiger Übergriff. Eine Gruppe behelmter Polizisten steht in der Menge am
Straßenrand in der Karl-Marx-Straße. An einer Häuserwand stehen ein paar
Menschen. Hier im unmittelbaren Umfeld hat sich nichts ereignet. Plötzlich
zeigt ein Polizist auf einen Mann in einem weißen Kapuzenpullover, der an
einer Häuserwand lehnt. Die Eingriffstruppe stürmt auf ihn zu. Ein Polizist
schlägt ihm fünf Mal mit der Faust in den Magen. Der Mann krümmt sich,
fällt zu Boden. Dann wird er festgenommen und abgeführt. Was auch immer er
getan hat, verhältnismäßig können diese Schläge nicht gewesen sein.
20.58 Uhr: Hamburg, Altonaer Straße
Der Demozug setzt sich wieder in Richtung Sternschanze in Bewegung.
20.52 Uhr: Berlin, Mai-Demo
Die Polizei gibt bekannt, dass 9.000 Menschen an der Demo teilnehmen. Das
deckt sich fast mit der taz-Zählung. Wir haben vor einer Stunde 10.000
Demonstranten gezählt. Über die genaue Zahl der bisherigen Festnahmen kann
die Polizei noch keine Auskunft geben.
20.46 Uhr: Berlin, Karl-Marx-Straße/Hobrechstraße
Die Polizei hat mit Hilfe eines Hand-Megaphons durchgegeben, dass der
Kessel jetzt langsam wieder geöffnet wird.
20.46 Uhr: Hamburg, Max-Brauer-Allee/Schulterblatt
Der Demozug hat erneut angehalten, zwei Wasserwerfer stehen parat. Die
Demoteilnehmer werden von der Polizei aufgefordert, die Vermummung
abzunehmen und keine Böller mehr zu zünden.
20.45 Uhr: Berlin, Hermannplatz/Karl-Marx-Straße
Die Polizei stößt in die Karl-Marx-Straße vor und treibt die Menge zurück.
Die Teilnehmer wollen sich jedoch nicht vertreiben lassen. Die Situation
ist jetzt sehr unübersichtlich. Es werden immer wieder Personen
herausgegriffen, manchmal in Folge einer direkten Auseinandersetzung,
manchmal auch dem Augenschein nach ohne einen konkreten Anlass. Immer
wieder bilden die Demonstranten Reihen und rücken wieder Richtung
Hermannplatz vor.
20.41 Uhr: Berlin, Hermannplatz
Demonstranten haben bengalische Feuer entzündet. Die Polizei geht scharf
gegen sie vor und setzt dabei auch Pfefferspray ein. Einige Demonstranten
ziehen sich zurück, weil ihre Augen tränen oder die Nase blutet. Mindestens
eine Person wird festgenommen.
20.37 Uhr: Berlin, Hermannplatz
Tausend Demonstranten stehen am Hermannplatz. Hier geht es für sie nicht
weiter. Es ist eine Sackgasse. Die Polizei hat den Ort hermetisch
abgeriegelt und drei Wasserwerfer in Stellung gebracht. Demonstranten
werfen mit Flaschen und haben einen stark qualmenden Gegenstand in Richtung
der Polizei geworfen.
20.30 Uhr: Berlin, Karl-Marx-Straße
Der neue Demoleiter und die Polizei haben sich darauf geeinigt, dass die
Demo jetzt bis zur Hasenheide gehen soll. Der neue Demoleiter erklärt, ihm
gehe es vor allem darum, dass die Leute sicher nach Hause kommen und nicht
in der Gefangenensammelstelle landen. Dafür müsse man schon mit der Polizei
reden und Absprachen treffen, auch wenn es ihnen eigentlich nicht passe.
Der Herrmannplatz ist rappelvoll mit Polizeiwagen. Es ist fraglich, wie die
Demo da vorbeikommen soll.
20.24 Uhr: Berlin, U-Bahnhof Rathaus Neukölln
Die Demo ist offiziell aufgelöst. Laut Polizei hat sich der Veranstalter
zurückgezogen, weil man die Situation nicht mehr im Griff habe. Mit einem
offensichtlich spontan hinzu gekommenen Ersatzsprecher der Demo, wurde
offenbar vereinbart, dass der Zug nun am Hermannplatz enden solle.
20.20 Uhr: Berlin, U-Bahnhof Rathaus Neukölln
Die Veranstalter wollen offenbar die Demostrecke verkürzen. Es laufen
gerade Verhandlungen mit den Kontaktbeamten, ob der Hermannplatz als
Endpunkt infrage käme. Der Beamte sagt, er frage nach, betont aber
zugleich, dass nach Vorgesprächen der Hermannplatz als Abschlusspunkt
definitiv ausgeschlossen worden sei.
20.18 Uhr: Hamburg, Schulterblatt/Max-Brauer-Allee
Die Polizei hat zwei weitere Wasserwerfer direkt hier vorfahren lassen.
Viele Einsatzkräfte stehen bereit. Jugendliche und junge Erwachsene werden
sowohl hier am Schulterblatt als auch am Schulterblatt/Am Grünen Jäger
gezielt angesprochen und ihre Personalien sofort festgestellt. Ein Mädchen
sagt lächelnd: "Ich bin ja auch extrem gefährlich." Sie schwenkt ihre
Handtasche und meint, da müssen wir wohl woanders Party machen, denn die
Polizei weist sie ab.
20.16 Uhr: Berlin, U-Bahnhof Rathaus Neukölln
Blasmusik. Schon wieder Blasmusik. Eine fünfköpfige Kombo mit Trompete,
Tuba und Trommeln spielt "A las Barricadas". Die Demonstranten lächeln.
Direkt daneben stürmt die Polizei in die Demonstration und nimmt Menschen
fest.
20.11 Uhr: Berlin, Rathaus Neukölln
Die Demo läuft wieder. Die Polizei hat allerdings ihre Strategie der
vollkommenen Zurückhaltung aufgegegben. In den Seitenstraßen ist Blaulicht
zu sehen, Eingreiftrupps sind deutlich präsenter. Der Schwarze Block wird
links und rechts von Polizeiketten begleitet. Vom Lautsprecherwagen werden
die Demoteilnehmer aufgefordert, sich nicht von der Polizei provozieren zu
lassen: "Wir wollen den Abschlussplatz am Südstern erreichen."
20.09 Uhr: Berlin, Werbellinstr./Karl-Marx-Straße
Demo läuft wieder. Es gab mehrere Festnahmen.
20.07 Uhr: Hamburg, Max-Brauer-Allee
Die Demonstranten werden unglaublich eng von den bayerischen Polizisten
zusammengedrängt. Die Polizisten stehen in Fünferreihen und rücken langsam
vor.
20.01 Uhr: Berlin, Werbellinstr.
Die Polizei hat sich aus der Demo wieder zurückgezogen. Die Lage hat sich
etwas beruhigt und die Demonstration formiert sich neu. Die eingekesselten
Polizisten wurden inzwischen von ihren Kollegen befreit.
19.55 Uhr: Berlin, Werbellinstr./Karl-Marx-Straße
Die Demo wurde angehalten und läuft sogar rückwärts. Die Polizei steht auf
der Straße. Tränengas liegt in der Luft. Eine Bushaltestelle ist zerstört.
19.55 Uhr: Werbellinstr.
Jetzt stoßen die Polizisten in die Menge vor, um sich den Angriffen zu
widersetzen. Tausende aufgebrachte Demonstranten und zwei Hundertschaften
der Polizei stehen sich gegenüber. Die Polizisten werden noch immer scharf
attackiert mit heftigen Stein- und Flaschenwürfen. Jetzt rücken mehrere
Polizeihundertschaften der Demo entgegen, um ihren Kollegen zu helfen. Von
einer Demo lässt sich kaum noch sprechen. Viele Menschen versuchen
schockiert die Straße zu verlassen, schaffen das aber kaum.
19.51 Uhr: Berlin, Werbellinstr. / Hans-Schiftan-Straße
Hier sind zwei Hundertschaften der Polizei in einen Hinterhalt geraten. Die
Situation eskaliert: Die Polizisten werden sofort von allen Seiten umringt,
mit Steinen und Flaschen beworfen und Raketen auf sie abgefeuert. Die
Polizei ist völlig hilflos. Es verwundert, dass sie nicht abgezogen werden.
19.50 Uhr: Hamburg, Max-Brauer-Allee/Holstenstraße
Die Demonstration zieht jetzt weiter und erreicht das von der Polizei für
heute, 19-5 Uhr, ausgerufene Gefahrengebiet rund um das Schanzenviertel,
Karolinenviertel, St. Pauli und Teile von Altona. Nach Hamburger
Polizeirecht ist es dort für die Polizei möglich, verdachtsunabhängige
Personenkontrollen durchzuführen. Also Personalien zu überprüfen, in die
Taschen schauen oder Platzverweise aussprechen - ohne konkrete
Anhaltspunkte zu haben. Nach taz-Schätzungen liegt die Teilnehmerzahl bei
2.000 Menschen.
19.44 Uhr: Berlin, Hermannstraße
"Wem gehört die Stadt" steht auf einem Transparent, das ein Mann mit einer
blauen Perücke vom Balkon gelassen hat. Er schwenkt dazu eine schwarze
Fahne. Von einem anderen Balkon winken schwarz Vermummte. Auf ihrem
Transparent steht: "Neukölln gegen alle kapitalistischen Spielarten". 19.40
Uhr: Hamburg, Rote Flora Vor der Flora sind bereits vier Wasserwerfer
aufgefahren. Direkt vor dem Haus hat die Polizei schon jetzt mindestens 15
Jugendliche mit Migrationshintergrund festgesetzt. Ein Bearbeitungstrupp
der Polizei "kümmert" sich.
19.40 Uhr: Berlin, Sonnenallee/Fuldastraße
Der Demonstrationszug ist in die Fuldastraße eingebogen, Polizei ist nicht
zu sehen. Der schnelle Start hat sie wohl abgehängt, zumindest an der
Spitze. Jetzt geht es über die Sonnenallee in die Fuldastraße und dann
weiter in die Karl-Marx-Straße.
19.40 Uhr: Berlin, Flughafenstraße
Auf dem Balkon im vierten Stock eines Hauses in der Flughafenstraße stehen
Alt-Anarchos und verschaffen sich neue Freunde. Eine Piratenflagge weht auf
ihrem Balkon und sie lassen ein Feuerwerk steigen. Eine Rakete nach der
anderen werden von den Tausenden, die durch die Straße ziehen, bejubelt.
Ein paar Häuser weiter haben sich Demonstranten auf das Dach gestellt und
ein riesiges Banner entrollt mit dem Slogan: "Steigende Mieten stoppen".
Die Stimmung im Demozug ist teilweise sehr aggressiv. Menschen am
Straßenrand werden angepöbelt, manche grob beiseite geschubst.
19.40 Uhr: Hamburg: Max-Brauer-Allee
Die Demo wurde angehalten, weil die Polizei Vermummung einzelner Teilnehmer
erkannt haben will. Die Demo-Leitung fordert, den Weg wieder freizugeben.
Am Ende des Zuges läuft ein Demonstrant mit einem Plakat auf dem steht:
"Schluss mit dem plutokratischen, kapitalistischen Schweinesystem!
19.33 Uhr: Berlin, Karl-Marx-Straße/Fuldastraße
Hier kippt gerade die Stimmung: Eine Berliner Volksbank und eine
Commerzbank befinden sich an der Staßenecke. Doch die Scheiben der Berliner
Volksbank sind Vergangenheit. Autonome werfen mit Steinen in die Bank,
andere haben die Schaufenster der Commerzbank angegriffen. Auch die
Fassaden der Neukölln-Arkaden werden beschädigt.
19.30 Uhr: Berlin, Revolutionäre 1. Mai-Demo
Nach einer ersten taz-Zählung nehmen knapp 10.000 Menschen an der Demo vom
Kottbusser Tor zum Südstern teil. Die Demonstranten laufen sehr schnell.
Die Stimmung ist dynamisch.
19.30 Uhr: Berlin, Hermannplatz
Die Demo ist durch. Die Polizisten steigen in ihre Mannschaftswagen und
fahren ab. Auch die am Straßenrand postierten Zivilpolizisten fahren in
drei VW-Bussen davon.
19.30 Uhr: Berlin, Sonnenallee
Immer wieder explodieren Böller und dann setzen die hämischen Rufe ein:
"Splitterbombe, Splitterbombe, hey, hey!" Es ist eine Anspielung auf eine
vermeintliche Splitterbombe, die im letzten Jahr auf einer Demo explodierte
und einen Polizisten verletzte. Medien und Politiker hatten lange von einer
neuen Dimension linker Gewalt gesprochen, bis sich herausstellte, dass es
sich bei der sogenannten Splitterbombe "nur" um einen Böller handelte. Doch
wer die Knaller hier in der Menge explodieren hört weiß: Auch das kann ins
Auge gehen.
19.21 Uhr: Berlin, Sonnenallee
Die Polizei übt sich in Zurückhaltung. Entlang der Route ist kaum ein
Polizist zu sehen, das ist auch besser so. Denn alles andere könnte hier
unappetitlich werden. An der Ecke Kottbusser Damm/Sonnallee, wo einige
Dutzend Polizei-Wannen die Route abstecken, werden sofort Böller
geschmissen. Die Stimmung ist durchaus aggressiv.
19.16 Uhr: Berlin, Hermannplatz
Ah, da ist die Polizei! Der Platz ist komplett abgeriegelt. Auf mehreren
Hausdächern sind kleine Gruppen Beamter zu sehen. Aus einem Haus schaut
zwei Stockwerke unter den Polizisten ein Mann mit pinker Ski-Maske und
einem schwarzen und roten Puschel aus dem Fenster.
19.11 Uhr: Berlin, Hermannplatz
Hier stehen zwei Wasserwerfer. Die Türen sind offen, die Mannschaft beäugt
zwei Demonstranten, die daran vorbeilaufen. Sie rufen der Besatzung zu:
"Die setzt ihr doch heute sowieso nicht ein." Und laufen lachend davon. Der
Herrmannplatz Richtung Karstadt ist komplett abgeriegelt. "Achtung, Helm
auf", heißt es bei den Polizisten, denn die Demo vom Kottbusser Tor nähert
sich.
19.08 Uhr: Berlin, Kottbusser Damm
Äußerst zügig zieht die Revolutionäre 1. Mai-Demo jetzt den Kottbusser Damm
hinab - es sind riesige Massen, die jetzt in Bewegung sind, kaum zu zählen,
aber wohl mehrere tausend Menschen. Einzelne Teilnehmer sind durchaus
agressiv, schubsen Journalisten die auf Stromkösten stehen um die
Teilnehmer zu zählen.
19.07 Uhr: Hamburg: Max-Brauer-Allee/Goethestraße
Die "Revolutionäre 1. Mai-Demo" hat sich jetzt in Bewegung gesetzt mit dem
Schlachtruft: "Erster Mai, Straße frei, nieder mit der Polizei!" Der
Demozug wird begleitet an der Seite und vorn mit mehreren Hundert
Polizisten. Angeführt von einem Transparent "Klasse gegen Klasse. Gegen den
Standort Deutschland!"
19.16 Uhr: Berlin, Hermannplatz
Ah, da ist die Polizei! Der Platz ist komplett abgeriegelt. Auf mehreren
Hausdächern sind kleine Gruppen Beamter zu sehen. Aus einem Haus schaut
zwei Stockwerke unter den Polizisten ein Mann mit pinker Ski-Maske und
einem schwarzen und roten Puschel aus dem Fenster.
19.11 Uhr: Berlin, Kottbusser Damm Auf der Demo ist keine Polizei zu sehen.
Sie hält sich offensiv zurück. Auch in den Seitenstraße sind nur wenige
Beamte zu erkennen.
19.08 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
So schnell kann es gehen:Schon setzt sich der Demozug in Bewegung.
Schwunghaft schreitet der Schwarze Block mit antikapitalistischen Parolen
stramm voran, stets begleitet von einer Horde Fotografen.
19.05 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Rumstehen macht auch Spaß. Es stehen sich viele schon die Beine in den
Bauch, doch nichts sieht danach aus, als ob die Demo beginnen würde. Die
Frühabendsonne scheint den Demonstranten ins Gesicht. Viel mehr passiert
hier nicht. Scheint, als brauche die Revolution noch einen Schwung Anlauf.
18.56 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Tobias Berten, Pressesprecher der FDP-Fraktion im Berliner Senat, ist froh.
Ein paar Meter weiter hält eine Demonstrantengruppe Pappschilder nach oben.
"No CDU" steht darauf, "No SPD" oder "No Linke". Dann entdeckt Berten das
entscheidende Schild mit dem Schriftzug "No FDP"und reagiert erleichtert:
"Ah, schön, wir sind auch dabei."
18.53 Uhr: Hamburg, Max-Brauer-Allee/Bahnhof Altona
Die "Revolutionäre 1. Mai-Demo" von internationalen und
antikapitalistischen Gruppen steht kurz vor dem Aufbruch. An beiden Seiten
sind massive Polizeieinheiten aufmarschiert, die offensichtlich ein Spalier
bilden werden.
18.50 Uhr: Berlin, Kottbusser Straße
Eine Gruppe von Menschen, die sich für kreative Stadtverschönerung
einsetzen, halten knapp zwei Meter hohe Buchstaben mit dem Slogan "Free OZ"
in die Höhe und fordern die Freiheit für den Hamburger Sprayer OZ. Er soll
wegen seiner tausendfachen Graffitis ins Gefängnis gehen.
18.43 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Am Ende der Demo hat sich ein Block aus radikalen Stadtteil-Initiativen
gebildet. Sie wollen den 1. Mai wieder stärker politisieren. Sie haben das
Ziel, die Gentrifizierung zu bekämpfen und unterschiedliche Initiativen zu
vernetzen.
18.23 Uhr: Berlin, Oranienplatz
Eine Musikbühne am Oranienplatz. An ihr hängt ein Banner mit dem Spruch
"Sex macht Spaß Frau Künast!" Vor der Bühne stehen mehrere Leute der Hells
Angels. Sie sind als Sicherheitskräfte angestellt. Hinter der Bühne parken
Motorräder mit Brandenburger Kennzeichen und ein Auto aus Hannover. Der
verfassungsschutzpolitische Sprecher der SPD, Tom Schreiber bezeichnet das
als ausgesprochen merkwürdig. Bei den Hells Angels handle es sich um eine
halb-kriminelle Organisation, so Schreiber. Mit so einer dürfe der Bezirk
nicht zusammenarbeiten. Auf Landesebene würden die Grünen immer die "Law &
Order"-Leute spielen. "Das ist schon sehr merkwürdig" kritisiert Schreiber
die Regierung des Bezirks.
18.30 Uhr: Berlin, Kotbusser Brücke
"BürgerInnen zu den Waffen, heute heißt es Mehrtwert schaffen" steht auf
dem Schild, das ein Demonstrant in die Luft hält. Jetzt beginnen die Reden
auf dem Demo-Wagen. In 5 verschiedenen Sprachen werden die Revolutionäre
begrüßt, auf deutsch, türkisch, englisch, französisch, selbst auf spanisch
haben sie einen Satz zusammenbekommen. "Viva la Revolution!"
Hier steht auch ein Wagen der Heilsarmee, der Kaffee gegen Spende verkauft.
Die Mitarbeiter erzählen, sie würden schon seit mehr als zehn Jahren hier
zum ersten Mai auf der Brücke stehen. Sie glauben nicht, dass jetzt etwas
passiert, aber früher wurde ihr Wagen schon mal mit Steinen beworfen.
18.25 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Kommentar eines Reporters vor Ort: "Wie Gemein: Überall dieser wohlige
Duft, mal schwarzer Afghane, mal gutes Gras - nur die taz-Redakteure dürfen
nicht kiffen."
18.18 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Am Startplatz der Demo hält ein junger Mann eine Sprechblase aus Pappe
hoch. "Sprüche helfen hier nicht weiter...", steht darauf. Auf Nachfrage
erklärt er: "Helfen würde vielleicht ein Generalstreik. Für die Abschaffung
des Kapitalimus."
18.15 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Ganz gelassen steht Peter Elken mit seinem Krückstock auf der Brücke. Der
62-jährige Rechtsanwalt aus Straußberg ist der Anmelder der Revolutionären
1.Mai-Demo und glaubt, dass es heute friedlich bleibt. "Allen beteiligten
Gruppen ist an einer politischen Aussage unseres Protests gelegen." Hinter
ihm fährt der obligatorische rote Demo-LKW auf, an dessen Seite ein Banner
mit der Aufschrift "Klasse gegen Klasse" hängt.
18.08 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Am Demo-Treffpunkt der Revolutionäre treffen die ersten Exemplare der
Spezies Schwarzer Block ein und formieren sich an der Demo-Spitze. Sie
tragen bunte Transparente mit der Aufschrift: "Für die soziale Revolution
weltweit". Dutzende Fotografen fotografieren es.
18.05 Uhr: Hamburg, Alma-Wartenbergplatz
Die "Euromayday" ist aufgelöst. Vorher gab es auf dem Alma-Wartenbergplatz
noch die Abschlusskundgebung. Ein Teilnehmer meinte "Es ist alles sehr
entspannt." Jetzt würden sie gleich weiter zur revolutionären 1. Mai-Demo
am Altonaer Bahnhof ziehen.
18.03 Uhr: Berlin, Kottbusser Brücke
Hier sollte um 18 Uhr die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration beginnen. Doch
noch herrscht großes Rumstehen. Ein paar Männer tragen rote Fahnen des
SDAJ, auf anderen Fahnen steht "Revolution". Auch die Heilsarmee ist da und
schenkt Kaffee aus.
In der Online-Redaktion: Carl Ziegner, Rasmus Cloes, Lalon Sander, Ariane
Lemme
Redakteure vor Ort: Andreas Speit, Christian Jakob, Martin Kaul, Gereon
Asmuth, Konrad Litschko, Annika Stenzel, Lena Kaiser, Kai von Appen, Lea
Zierott, Daniel Kummetz, Svenja Bergt, Plutonia Plarre, Jörn Alexander
1 May 2011
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Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
Hamburg
Berlin
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