Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polizeibilanz zum 1. Mai: Krawall im Nachhinein
> Polizei ist mit dem 1. Mai zufrieden: Deutlich weniger Festnahmen als im
> vergangenen Jahr. Umstrittener Pfeffersprayeinsatz. Körting fordert Grüne
> zu Distanzierung von Gewalt auf. Ströbele fühlt sich falsch
> wiedergegeben.
Bild: Pfeffersprayender Beamter am Abend des 1. Mai am Kottbusser Tor
Polizeipräsident Dieter Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD)
sind Vertreter der leisen Töne und auch in diesem Punkt ein gutes Gespann.
Grund, laut zu frohlocken, hätten sie: Der 1. Mai und die Walpurgisnacht
sind so gewaltfrei verlaufen wie seit vielen Jahren nicht. Weit über 20.000
Besucher feierten am vergangenen Sonntag in Kreuzberg friedlich. Bei der
revolutionären 1.-Mai-Demonstration kam es zu Steinwürfen auf Banken,
Polizisten und eine BVG-Haltestelle, großflächige Auseinandersetzungen wie
in einigen Vorjahren blieben aber aus. Er sei "hochzufrieden" sagte der
Innensenator am Montag.
Bei Polizeipräsident Glietsch, der in wenigen Wochen in Ruhestand geht,
bedankte sich Körting, dass dieser das Konzept der Doppelstrategie all die
Jahre "trotz aller Anwürfe durchgehalten" habe. Das Konzept setzt auf
größtmögliche Zurückhaltung der Polizei bei Demonstrationen und gezieltes
herausgreifen von Straftätern. Glietsch hat es in seiner neunjährigen
Amtszeit dahingehend verfeinert, dass nun sogenannte
Durchmischungseinheiten der Polizei nach der Auflösung einer Versammlung
durch die verharrenden Kleingruppen ziehen, um ein Aufflackern von Gewalt
zu verhindern.
Auch Sonntagnacht am Kottbusser Tor setzte die Polizei auf Durchmischung,
allerdings mit zweifelhaften Praktiken. Taz-Reporter beobachteten, dass die
Einheiten exzessiv Pfefferspray einsetzten. Tätlichkeiten, die das
gerechtfertigt hätten, waren nicht festzustellen. Die Anzahl der
Geschädigten war so groß, dass Sanitäter in ihrer unter der Hochbahn
eingerichteten Erste-Hilfe-Station mit der Versorgung kaum hinterherkamen.
Weit über 100 Menschen seien rund um Mitternacht behandelt worden, sagte
einer der Sanitäter. Pfefferspray könne bleibende Schäden auf der Hornhaut
hinterlassen. Kurz vor 1.00 Uhr wurden die Sanitäter von der Polizei
genötigt, das Lager abzubauen, andernfalls wurde mit Räumung gedroht.
Auf der Pressekonferenz am Montag rechtfertigten Körting und Glietsch den
Einsatz des Pfeffersprays mit gezielten Angriffen auf Polizisten. Nur dann
sei es verwendet worden, sagte der Polizeipräsident. Grundloses Besprühen
würde den Tatbestand der Körperverletzung im Amt erfüllen. Ihm sei keine
Strafanzeige von Betroffenen bekannt. Beweisen ließen sich diese per
Handyvideos.
Laut Polizei wurden in der Walpurgisnacht und am 1. Mai insgesamt 161
Personen festgenommen. Im Vorjahr waren es 490 Festnahmen, die Häfte davon
waren allerdings Neonazis, die nach einem Spontanaufmarsch in Gewahrsam
genommen wurden. Ähnlich wie im Vorjahr wurden 100 Polizisten verletzt .
Die Grünen forderte Körting am Montag zu einem "eindeutigen Bekenntnis auf,
dass sie Gewalt generell ablehnen, nicht nur gegen Genossenschaftsbanken".
Hintergrund ist eine von der Berliner Morgenpost zitierte Äußerung des
Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele: Steinwürfe auf
Volksbank-Filialen seien ein "Schönheitsfehler", weil diese
genossenschaftlich organisiert seien. Ströbele sprach von einer "verkürzten
und falschen Darstellung" der Zeitung: "Ich wiederhole, die Zerstörungen
bei Filialen der Berliner Volksbank waren falsch, schlimm und beschissen!"
2 May 2011
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Schwerpunkt 1. Mai in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pfefferspray und Faustschläge am 1. Mai: Polizisten zeigen Polizisten an
Am 1. Mai wurden offenbar an mehreren Orten Polizisten durch Polizisten
verletzt. LKA-Mitarbeiter beklagt Faustschlag. Zivilbeamte zeigen
Pfeffersprayeinsatz an. Demosanitäter spricht von wahllosem Reizgaseinsatz.
Kommentar Pfefferspray-Einsatz: Der verletzte Polizeistaat
Es braucht erst zwei wehrhafte Polizisten, die den massiven Einsatz von
Pfefferspray am 1. Mai in Frage stellen. Dass es sie gibt, könnte
beruhigen. Das macht es aber gerade nicht.
Pfefferspray-Einsatz am 1. Mai in Kreuzberg: Polizisten verletzen Zivilbeamte
Bei dem umstrittenen Pfeffersprayeinsatz der Polizei am 1. Mai sind
offenbar auch acht Polizisten verletzt worden. Zwei Zivilbeamte erstatten
Anzeige gegen ihre Kollegen.
Kommentar Polizei am 1. Mai: Gepfefferter Schönheitsfehler
Bei allem Lob für den Polizeieinsatz am 1. Mai in Berlin. Die heftige
Pfeffersprayeinsatz am Kottbusser Tor kann nur als Provokation verstanden
werden.
Bewegungsforscher Dieter Rucht zum 1. Mai: "Wieder Bodenhaftung erlangen"
Mit dem Thema der Gentrifizierung erlebt der 1. Mai einen Versuch der
Repolitisierung, sagt Protestforscher Dieter Rucht. Eine größere Bewegung
werde daraus vorläufig aber nicht entstehen
Repolitisierung des Arbeiterkampftages: Autonome besetzen Stadtpolitik
Mit dem Thema Stadtumbau gelingt dem 1. Mai wieder eine Repolitisierung.
Forscher sehen Potenzial für eine längerfristige Entwicklung.
+++ Ticker zum 1. Mai +++: Friedliche Feste, wenige Randale
In Berlin und Hamburg demonstrierten tausende Menschen am 1. Mai-Abend auf
den Straßen. Bis auf wenige Randale blieb es friedlich. In Hamburg wurde
das Schanzenviertel abgeriegelt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.